„Gesundheit muss Vorrang vor Industrie-Interessen haben“

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„Gesundheit muss Vorrang vor Industrie-Interessen haben“

Die Vereinte Nationen beraten in New York City über Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten. Deutschland hinke auf diesem Gebiet weit hinterher, moniert die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und stellt Forderungen zu konkreten Gesundheitsschutzmaßnahmen an die hiesige Politik.

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) fordert eine ambitionierte Strategie gegen nichtübertragbare Krankheiten in Deutschland. Morgen tagen in New York die Vereinten Nationen zu diesem Thema. Deutschland ist in Bezug auf verbindliche Maßnahmen gegen zwei Hauptrisikofaktoren – Übergewicht und Rauchen – Schlusslicht.

„Die neue Nationale Reduktionsstrategie ist die große Chance hier etwas aufzuholen“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), die an dem UN-Treffen teilnimmt. „Die Regierung muss dem Gesundheitsschutz Vorrang vor den Interessen der Industrie einräumen.“ DANK fordert eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung, steuerliche Anreize für gesündere Rezepturen, ein Verbot von Werbung für ungesunde Produkte, die sich an Kinder richtet, sowie spürbare Tabaksteuererhöhungen und das längst überfällige Verbot der Außenwerbung für Tabakprodukte.

Übergewicht: Deutschland hat fast keine WHO-Empfehlung umgesetzt

Die Regierungen der Welt treffen sich im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York, um über Maßnahmen gegen die so genannten nichtübertragbaren Krankheiten zu beraten, also Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zum großen Teil durch Faktoren wie Übergewicht oder Rauchen verursacht werden. Doch während viele Länder dort ihre umgesetzten Maßnahmen und Erfolge präsentieren können – etwa Steuern auf Softdrinks, Warnhinweise auf ungesunden Produkten oder wiederholte, deutliche Tabaksteuererhöhungen und umfassende Tabakwerbeverbote –, hinkt Deutschland weit hinterher.

Von den Maßnahmen, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen Übergewicht empfiehlt, hat Deutschland fast nichts umgesetzt und auch Maßnahmen zur Förderung des Nichtrauchens werden seit Jahren nur sehr zögerlich ergriffen. Grund ist vor allem die Lobbyarbeit der Industrie, auf die die Politik zu viel Rücksicht nimmt. Positiv bewerte DANK aber, dass Deutschland bei dem UN-Treffen durch den Staatssekretär des Bundesgesundheitsministeriums Lutz Stroppe erstmalig hochrangig vertreten ist.

Freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie sind praktisch wirkungslos

Ein erster kleiner Schritt, die deutsche Bevölkerung besser vor ungesunder Ernährung zu schützen, könnte die neue Nationale Reduktionsstrategie für weniger Zucker, Fett und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln werden, die heute bei einem Runden Tisch im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bearbeitet wird. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern die Strategie wirklich wirksame Maßnahmen enthält. „Ernährungsministerin Julia Klöckner muss ihre Aufgabe wahrnehmen, eine gesunde Ernährung für alle Bevölkerungsschichten möglich zu machen“, sagt Bitzer.

DANK fordert, dass die Nationale Reduktionsstrategie für die Industrie unbedingt verpflichtend sein soll. „Freiwillige Vereinbarungen haben sich als praktisch wirkungslos erwiesen“, sagt Bitzer, „das zeigt das Beispiel zur Werbung für ungesunde Produkte, die sich an Kinder richtet.“ Trotz vollmundiger Versprechen preist die Industrie ihre Dickmacher weiterhin gezielt und massiv bei Kindern an und nimmt damit die gesundheitlichen Folgen billigend in Kauf.

Die Wirkung verpflichtender Maßnahmen hingegen ist mittlerweile gut belegt, etwa bei Steuern auf Softdrinks: Diese senken nachweislich den Absatz der ungesunden Produkte und führen dazu, dass die Industrie den Zuckergehalt reduziert, um die steuerliche Abgabe zu vermeiden. „In vielen Ländern werden die Verbraucher mittlerweile durch staatliche Maßnahmen vor hochkalorischen, ungesunden Produkten geschützt“, sagt Bitzer, „auch die deutsche Bevölkerung hat einen Anspruch auf diese Form der Gesundheitsvorsorge.“

Maßnahmen zur Senkung des Tabakkonsums: Auch hier hinkt Deutschland hinterher

Dieser Anspruch auf Gesundheitsvorsorge gilt ebenso hinsichtlich des Schutzes vor den gesundheitlichen Gefahren des Rauchens, denn auch diesbezüglich gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Die effektivste Maßnahme zur Senkung des Tabakkonsums, eine deutliche Erhöhung der Tabaksteuer, wurde in Deutschland seit 2005 nicht mehr eingesetzt.

Deutschland ist außerdem das einzige Land in der Europäischen Union, das noch uneingeschränkt großflächige Plakatwerbung für Tabakprodukte erlaubt. Mit einer spürbaren Tabaksteuererhöhung und einem umfassenden Tabakwerbeverbot könnte Deutschland einen bedeutenden Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens leisten.


Über die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) ist ein Zusammenschluss von 22 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen, der sich für Maßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten einsetzt.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK)

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