Gibt es eine Scheu vor der Technik?

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Gibt es eine Scheu vor der Technik?

Wollte jemand den kürzesten Artikel im Diabetes-Journal schreiben, könnten fünf Wörter als Antworten auf diese beiden Fragen genügen: „Gibt es eine Scheu vor der Technik?“ – Definitiv! „Wie kann diese Scheu überwunden werden?“ – Realistische Erwartungen und Schulung! Aber etwas mehr gibt es dann doch zu sagen.

Da dieser Artikel von einem Psychologen stammt, können die Antworten natürlich nicht so kurz ausfallen, und die Thematik ist bei näherer Betrachtung doch umfassender. Aber der Reihe nach.
Die heutige Diabetologie ähnelt immer weniger der Diabetologie von vor fünf Jahren. Zu groß ist der technische Fortschritt, zu stark der Zuwachs an Nutzern von Diabetes-Technologien, zu umfassend Begriffe wie Time in Range (TiR), auto mode, Glukose-Management-­Indikator (GMI) und ambulantes Glukoseprofil (AGP), die den Therapiealltag mehr und mehr bestimmen.

Die Entwicklungen von Diabetes-Technologien im Bereich von CGM-Systemen, Insulinpumpen und schließlich Systemen zur automatisierten Insulin-Dosierung (AID-Systeme) versprechen eine immer genauere, einfachere und bessere Kontrolle des Glukosespiegels. Der Traum hinter diesen Systemen ist letztendlich die vollautomatische Steuerung des Glukosespiegels, bei der die Insulinpumpe in Abhängigkeit des aktuellen und vorhergesagten Glukosespiegels immer die genau passende Menge Insulin von allein abgibt.

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Mittlerweile gibt es auch schon eine relativ große Auswahl an solchen AID-Systemen, entweder von Herstellern oder der Do-it-yourself-Community, also Menschen mit Diabetes, die sich diese Systeme für sich selbst zusammenstellen („Looper“).

Bedeutet Diabetes-Technologie immer eine bessere Glukosekontrolle?

Aber bedeutet die zunehmende Technologisierung mit immer besseren Systemen auch, dass das Diabetes-Management einfacher und besser geworden ist? Hierauf ist die Antwort leider „Jein“. Auf der einen Seite zeigen Studien beachtliche Ergebnisse, z. B. dass mit CGM-Systemen niedrige Glukosewerte und schwere Unterzuckerungen effektiv verhindert werden können oder mit AID-Systemen eine Time in Range (Zeit im Zielbereich) von über 70 Prozent möglich ist. Auch so manche Glukosekurve von Loo­pern mit nahezu keinen Schwankungen lässt einen immer wieder staunen.

Auf der anderen Seite zeigen die Studien aber auch, dass durch die neuen Technologien diabetesbezogene Belastungen nicht automatisch verschwinden, zum Teil ganz neue Belastungsquellen hinzukommen. Und auch so manche Erfahrung von Loopern zeigt, dass viel mehr Aufwand und persönliches Diabetes-Selbstmanagement nötig sind und die Glukosekontrolle keineswegs ganz automatisch abläuft.

Das Technologie-Paradox

Auf einem Kongress zu Diabetes-Technologien Anfang des Jahres war daher immer wieder der Begriff Technologie-Paradox zu hören. Dieser Begriff drückt aus, dass zwar immer mehr Menschen mit Diabetes neue Diabetes-Technologien nutzen, mit denen theoretisch eine bessere Glukosekontrolle möglich ist, sich die HbA1c-Werte in großen Registerstudien aber nur wenig verändert haben. Neue Diabetes-Technologien ermöglichen eine fast automatisierte Glukosekontrolle, diese funktioniert aber anscheinend nicht automatisch.

Der Begriff Technologie-Paradox bringt daher auch zum Ausdruck, dass trotz (oder gerade wegen) des technischen Fortschritts und der Automatisierung der Faktor Mensch immer bedeutsamer wird. Besonders eindrucksvoll kann dies an den Erfahrungen des ersten kommerziell in den USA erhältlichen Hybrid-­Closed-Loop-Systems (automatisierte Steuerung der Basalrate) gezeigt werden.

Nach einem Jahr nutzte nur noch ca. die Hälfte der ursprünglichen Nutzer die automatisierte Basalinsulindosierung, wie eine Studie von Rayhan A. Lal zeigt, die 2019 in der Zeitschrift Diabetes Care veröffentlicht wurde. Diese Tatsache bringt schön zum Ausdruck, dass die Technik so gestaltet sein muss, dass die Menschen auch bereit und in der Lage sind, sie zu nutzen. Der „Faktor Mensch“ ist also ganz entscheidend für die Effektivität von Diabetes-Technologien. Dabei spielt die Scheu vor der Technik, oder anders ausgedrückt die Akzeptanz von Dia­betes-Technologien, eine entscheidende Rolle.

Akzeptanz von Diabetes-Technologien

Eine große Scheu vor der Technik geht sehr häufig mit einer niedrigen Akzeptanz einher, das heißt mit einer geringen Bereitschaft, die Technologie „anzunehmen“. Dies kann sich sowohl durch eine komplette Nicht-Nutzung zeigen als auch durch eine mangelnde Nutzung im Alltag, wodurch nicht das vollständige Potenzial ausgeschöpft wird.

Für die Akzeptanz von Technologien sind drei Faktoren ganz entscheidend:

1. wahrgenommener Nutzen

Der Nutzen einer Technologie ergibt sich nicht automatisch aus der Summe der Möglichkeiten. Oder nutzen Sie tatsächlich alle Möglichkeiten Ihres Smartphones? Der wahrgenommene Nutzen ist vielmehr davon abhängig, was man sich durch die Nutzung im persönlichen Alltag verspricht. Dabei steht häufig ein Aspekt bzw. ein Haupt-Vorteil im Vordergrund.

Für viele Menschen mit Diabetes ist der Haupt-Vorteil eines CGM-Systems, dass damit die ständigen Blutzuckermessungen wegfallen. Der Fokus auf diesen einen Vorteil kann dazu führen, dass andere Aspekte (z. B. Trendpfeile, Alarme) im Alltag nicht genutzt werden. Bei der Beurteilung der Effektivität von Diabetes-Technologien ist daher auch ganz entscheidend, welche Aspekte einer Technologie den wahrgenommenen Nutzen beeinflusst haben bzw. noch beeinflussen.

Wichtig ist auch: Der wahrgenommene Nutzen muss nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben. So lässt sich sehr häufig beobachten, dass Insulinpumpen anfänglich eine hohe Akzeptanz genießen, weil erwartet wird, dass dadurch der Diabetes von allein gesteuert wird. Für die langfristige Akzeptanz ist es aber ganz entscheidend, ob sich dieser wahrgenommene Nutzen auch im Alltag bewahrheitet. Realistische Ansprüche und Erwartungen sind daher von entscheidender Bedeutung.

2. wahrgenommene Barrieren

Eine Scheu vor der Technik besteht häufig dann, wenn die wahrgenommenen Barrieren den wahrgenommenen Nutzen überwiegen. Gerade bei Diabetes-Technologien, die häufig direkt auf den Körper geklebt werden, ist ein beeinträchtigtes Körperbild eine oft genannte Barriere. Damit einhergehend ist es für manche Menschen mit Diabetes auch unangenehm, an ein „technisches Gerät angeschlossen“ und von diesem abhängig zu sein.

Die Dia­be­tes-­Therapie verlangt ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Selbstmanagement. Gerade bei Insulinpumpen und AID-Systemen, die das Selbstmanagement sehr beeinflussen, wird oft ein Verlust an Kontrolle befürchtet, die Diabetes-Therapie nicht mehr „selbst in der Hand zu haben“. Das Vertrauen in die Technik, in die Genauigkeit und Zuverlässigkeit ist dabei ein wichtiger Faktor. Genauso wie der wahrgenommene Nutzen werden diese Barrieren ganz entscheidend durch Erwartungen beeinflusst – realistische Erwartungen sind daher auch hier entscheidend.

Eine Scheu vor der Technik kann auch abgebaut werden , indem das Verhältnis aus Barrieren und Nutzen erlebbar wird. Hilfreich ist es daher, für sich selbst bewusst zu beobachten, welche Vorteile sich im Alltag ergeben, aber auch darauf zu achten, wie negativ die Barrieren tatsächlich sind. Häufig wird man feststellen, dass man zwar große Befürchtungen vor möglichen Nachteilen hat, sich diese aber im Alltag gar nicht so zeigen bzw. man feststellt, dass man angesichts der Vorteile bereit ist, diese in Kauf zu nehmen. Ein individuelles Kosten-Nutzen-Verhältnis kann helfen, die eigene Scheu vor der Technik abzubauen.

3. Einfachheit der Bedienung

Der wahrgenommene Nutzen kann noch so groß, die wahrgenommenen Barrieren können noch so gering sein: Wenn sich die Technik nicht einfach im Alltag bedienen lässt, ist eine langfristige effektive Nutzung fast ausgeschlossen. Aber nicht immer ist hierfür die tatsächliche Bedienungsfreundlichkeit entscheidend. Oft genug spielen auch Erwartungen, die wir an uns selbst haben, ob wir uns für „technikaffin“ halten oder nicht, ob wir die Bedienung für kompliziert halten oder nicht, eine viel entscheidendere Rolle. Abhilfe schafft hier oft das angeleitete Ausprobieren mit dem Diabetes-Team, der Austausch mit anderen, ein Probetragen oder die technische Einweisung bzw. die Schulung mit dem System.

Verschiedene Möglichkeiten, Diabetes-Technologien zu nutzen

Diabetes-Technologien bieten häufig eine Vielzahl an Möglichkeiten, sie zu nutzen und einzusetzen. Es gibt nicht nur die „komplette Nutzung“ oder die „komplette Nicht-Nutzung“ – man muss sich daher nicht für „alles“ oder „nichts“ entscheiden und kann sich langsam an die neue Technologie herantasten.

Wenn eine Scheu vor der Technik besteht, sollte zunächst geklärt werden, worauf sich diese Scheu bezieht: auf die komplette Technik per se oder auf einzelne Aspekte? Auch hier kann es helfen, sich den eigenen wahrgenommenen Nutzen und die Barrieren zu verdeutlichen und für sich zu definieren, welche Art der Unterstützung durch die Diabetes-Technologie hilfreich ist und welche nicht.

In Abhängigkeit des wahrgenommenen Nutzens und der wahrgenommenen Barrieren können dann zunächst nur bestimmte Aspekte der Technologie genutzt werden, für die ein hoher Nutzen und wenige Barrieren zugeschrieben werden; in Einzelfällen kann auch überlegt werden, die Technologie z. B. nur in bestimmten Situationen oder zu bestimmten Zeiten zu nutzen (z. B. Nutzung eines CGM-Systems einmal im Quartal).

Beispiele:

  • Scheu vor Informationsflut bei CGM-Systemen: Hier könnte es reichen, z. B. am Anfang komplett den Komfort-Faktor und den Sicherheits-Faktor durch Alarme in den Vordergrund zu stellen. Das Nutzen von Trendpfeilen und die Analyse des Glukoseverlaufs können später noch erfolgen, wenn eine gewisse Vertrautheit mit dem System da ist und die wahrgenommenen Barrieren weniger werden.
  • Scheu vor Kontrollverlust bei AID-Systemen: Hier muss z. B. die automatisierte Steuerung der Basalrate nicht für den ganzen Tag aktiviert werden, sondern z. B. nur in Besprechungen oder Prüfungen, wo man sich auf etwas anderes als die Glukose konzentrieren möchte. Danach kann wieder selbst die Kontrolle übernommen werden.

Das ist das Schöne an Diabetes-Technologien: Durch die vielfältigen Möglichkeiten lassen sich diese meist flexibel auf den Alltag abstimmen. So lernt man die Vorteile nach und nach kennen, kann Barrieren abbauen und gewinnt langsam an Sicherheit und Vertrauen.

Wichtig: realistische Erwartungen

Realistische Erwartungen und Ansprüche sind für den persönlichen Umgang mit Diabetes-Technologien ganz entscheidend. Bereits vor der Entscheidung, eine Diabetes-Technologie zu nutzen, sollte man überprüfen, ob man ein realistisches Bild von der Technologie hat. So kann man sich vor enttäuschten Erwartungen schützen und die Scheu vor der Technik abbauen.

Um von Anfang an realistische Erwartungen an neue Technologien zu haben, sollten Sie sich genau überlegen, was Sie erwarten:

  • Was ist der wichtigste Grund, weshalb ich mich dafür interessiere?
  • Was wird sich für mich in meinem Alltag mit dem Diabetes durch die neue Technologie ändern?
  • In welchem Bereich der Diabetestherapie kann mich die neue Technologie am besten unterstützen?
  • Gibt es ein spezifisches Problem bei meiner Diabetestherapie, das diese neue Technologie lösen kann?
  • Was will ich konkret erreichen?
  • Welche Vor- und Nachteile wird die neue Technologie mit sich bringen?
  • Habe ich alle nötigen Informationen, um die neue Technologie auch effektiv einsetzen zu können?
  • Wie kann ich mich vorab persönlich bei einem Nutzer über die neue Technologie informieren oder Erfahrungen von anderen Nutzern im Internet, in Chats, Blogs etc. nutzen?
  • Bin ich bereit, mich besonders zu Beginn intensiv mit der neuen Technologie zu beschäftigen?
  • Habe ich ein gutes Diabetes-Team, welches mich beim Umgang mit der neuen Technologie unterstützt?
  • Was denkt mein Partner/meine Partnerin, mein persönliches Umfeld?
  • Habe ich einen Plan B, wenn es erst einmal mit der neuen Technologie nicht so gut läuft wie gedacht?

Strukturierte Schulung

Ein sehr wirksames Mittel, die Scheu vor der Technik abzubauen, ist die Teilnahme an einer strukturierten Schulung. Die Schulung hat dabei mehrere positive Effekte auf den Umgang mit Diabetes-Technologien:

  • Die realistische Darstellung der Diabetes-Technologie in der Schulung und der Austausch mit anderen, die sich für die Technologie interessieren oder schon Erfahrungen gemacht haben, hilft, realistische Erwartungen aufzubauen und einzuschätzen, welcher Nutzen für den persönlichen Alltag erwartet werden kann.
  • In der Schulung können Barrieren und mögliche Nachteile durch das Nutzen einer Technologie ganz offen besprochen werden. Im Fokus steht dabei, wie mit diesen Barrieren umgegangen werden kann, welche Anpassungen getroffen werden können, damit sich die Diabetes-Technologie besser in den Alltag integrieren lässt. Auch hier helfen die Einstellungen und Erfahrungen von anderen Menschen mit Diabetes.
  • Der sichere Umgang und die Bedienung können am besten in einer Schulung erlernt und trainiert werden. Schulung ist aber mehr als die technische Einweisung in das Gerät. Die Schulung bietet eine sichere Atmosphäre, in der man unter Anleitung des Dia­betes-Teams die Technologie ausprobieren und in den Alltag integrieren kann. So kann die effektive Nutzung der Dia­be­tes-Technologie im persönlichen Alltag trainiert werden.
  • Schulung ist auch dazu da, den Durchblick bei all den vielen Informationen zu behalten. Gerade CGM-Systeme bieten eine Vielfalt an Informationen über den vergangenen, aktuellen und zukünftigen Glukosespiegel – das kann auch schon mal überfordernd sein. In der Schulung wird daher besprochen, wie diese Informationen sinnvoll für den Therapiealltag genutzt werden können. Dabei müssen nicht immer alle Informationen über den Glukoseverlauf gleichzeitig genutzt werden, sondern es reicht aus, in gewissen Situationen den Fokus auf einzelne Informationen zu legen – in der Schulung erfahren Sie, wie dies am besten funktioniert.

Mit den strukturierten Schulungsprogrammen Spektrum und flash für die kontinuierliche Glukosemessung bzw. für das Flash-Glukose-Monitoring (­FreeStyle Libre) und INPUT für die Insulinpumpentherapie stehen schon jetzt aktuelle Schulungsprogramme zu Diabetes-Technologien zur Verfügung. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Teilnahme an einer Technologie-spezifischen Schulung zu einem effektiveren Umgang mit der Technologie, weniger dia­be­tes­bezogenen Belastungen und einer besseren glykämischen Kontrolle führte.

Zum Abschluss: Lernen von der Automobilindustrie

Oft wird bei der Diskussion um AID-Systeme zur automatisierten Steuerung des Glukosespiegels der Vergleich zum selbstfahrenden Auto bzw. autonomen Fahren gezogen. Auch hier gibt es eine gewisse Scheu vor der Technik – die sicher auch berechtigt ist. In einer Untersuchung eines deutschen Automobilherstellers wurden fünf Nutzertypen für das autonome Fahren gefunden (Quelle: Audi AG, www.audi.com), die sich anhand der Emotionen „Neugier – Optimismus – Misstrauen – Ängstlichkeit“ unterscheiden.

Diese lassen sich ganz gut auf Diabetes-Technologien übertragen*:

  • misstrauische Selbstfahrer: Misstrauen und Ängstlichkeit sind besonders hoch ausgeprägt, Neugier und Optimismus sind praktisch nicht vorhanden – die Scheu vor der Technik ist besonders hoch. Für die Dia­betes-Therapie könnte dies bedeuten, dass die Steuerung des Glukosespiegels komplett eigenständig und ohne technische Unterstützung erfolgen soll. Ein Abbau der Scheu ist eher unwahrscheinlich und benötigt viel Zeit und Nachweise über Sicherheit und Zuverlässigkeit der Technologie.
  • sicherheitsorientierte Zögerer: Auch hier überwiegen Misstrauen und Ängstlichkeit, aber die Neugier ist stärker ausgeprägt als beim „misstrauischen Selbstfahrer“. Für die Diabetes-Therapie könnte dies bedeuten, dass ein bisschen Technik bei der Unterstützung der Diabetes-Therapie okay ist, solange deren Sicherheit und Zuverlässigkeit nachgewiesen ist. Ein vollständiges Abtreten der Kontrolle kommt aber auch hier nicht in Frage.
  • aufgeschlossene Co-Piloten: Generell besteht bei dieser Nutzergruppe eine positive
    Einstellung zur Technologie, aber Misstrauen und Ängstlichkeit sind noch vorhanden. Für die Diabetes-Therapie könnte dies bedeuten, dass unter bestimmten Umständen die Kontrolle über die Glukosesteuerung abgegeben werden kann. Es ist aber auch wichtig, zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle wieder übernehmen zu können. Diese Nutzergruppe würde wahrscheinlich nicht von Scheu, sondern von „gesundem Respekt“ gegenüber der Technik sprechen.
  • statusorientierte Trendsetter: Neugier und Optimismus sowie Misstrauen und Ängstlichkeit sind überdurchschnittlich ausgeprägt. Für die Diabetes-Therapie könnte dies eine hohe Bereitschaft für das Nutzen neuer Technologien bedeuten, um damit auch die Weiterentwicklung und Verbesserung der Sicherheit voranzutreiben. Die weite Verbreitung der Technologie durch die eigene Nutzung wird angestrebt, und diese Nutzergruppe sieht es als positiv und beruhigend an, wenn mehr Menschen um sie herum die Technologie nutzen.
  • technikaffine Passagiere: Misstrauen und Ängstlichkeit sind kaum vorhanden, Neugier und Optimismus dagegen sehr. Für die Diabetes-Therapie könnte dies bedeuten, dass keine Scheu vor Diabetes-Technologie besteht und Innovationen jederzeit willkommen sind und gar nicht früh genug kommen können. Ein Kontrollverlust durch die Technologie wird nicht befürchtet. Hier könnte eher die Herausforderung bestehen, die Eigenverantwortlichkeit und das Diabetes-Selbstmanagement aufrechtzuerhalten.

* Diese Kategorien wurden nicht in einer wissenschaftlichen Studie an Menschen mit Diabetes untersucht – die Auflistung stellt eine Näherung bzw. Interpretation an die Ergebnisse der Befragung zum autonomen Fahren dar,

Fazit

Eine Scheu vor der Technik existiert – übrigens unabhängig von Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Aber eine gewisse Scheu vor der Technik ist auch gut und führt dazu, dass immer weiter an der Zuverlässigkeit, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit von Diabetes-Technologien gearbeitet wird. Scheu vor der Technik sollte jedoch nicht in Angst umschlagen – zu vielversprechend sind die Vorteile und zu groß sind die Möglichkeiten, die Technik in den persönlichen Alltag zu integrieren, sodass die Technologien Sie bestmöglich unterstützen können.

Bei den vielen Versprechungen von neuen Diabetes-Technologien ist es aber dennoch wichtig, sich ein realistisches Bild zu machen, welche Vorteile tatsächlich relevant für den eigenen Alltag sind und welche Nachteile sich ergeben könnten. Der Besuch einer strukturierten Schulung kann hier enorm weiterhelfen!

Das Technologie-Paradox zeigt: Bei all der Automatisierung und Technologisierung ist der oft entscheidende Faktor immer noch der Mensch. Bei all den neuen Entwicklungen in der Diabetologie wird sich daher an einem Grundsatz erst einmal so schnell nichts ändern: Der wichtigste Faktor in der Diabetes-Therapie sind Sie selbst! Sie tragen also eine große Verantwortung, haben aber auch die große Chance, dass Sie durch Ihr eigenes Handeln ganz entscheidend Ihre Diabetes-Therapie und den Verlauf des Diabetes positiv beeinflussen können.

Schwerpunkt „Was neue Technik ermöglicht“

Autor: Dr. Dominic Ehrmann
Diplom-Psychologe
Forschungsinstitut Diabetes Akademie Mergentheim (FIDAM)
Johann-Hammer-Str. 24, 97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (10) Seite 22-28

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