Glutenfrei: Was macht der Blutzucker?

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Glutenfrei: Was macht der Blutzucker?

Es gibt immer mehr glutenfreie Produkte – das ist gut für Menschen mit Zöliakie. Aber was ist in diesen Lebensmitteln genau drin? Wirken sie sich anders auf den Blutzucker aus als glutenhaltige Produkte? Tatsächlich gibt es einige Unterschiede; wer Diabetes hat und auch Zöliakie, der sollte sie kennen.

Manche Menschen mit Diabetes und Zöliakie berichten, dass glutenfreie Lebensmittel ihren Blutzucker anders beeinflussen als die glutenhaltigen Varianten. Man müsse “total aufpassen und eigentlich immer die Kohlenhydrate berechnen”.

Glutenfreie Ernährung: Insulinmenge muss angepasst werden

Bei Typ-1-Diabetes ist die Ernährung ein Bestandteil der Therapie. Das Ziel ist, den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen zu lassen, deshalb werden ballaststoffreiche Mahlzeiten mit z. B. Vollkornbrot empfohlen. Menschen, die Typ-1-Diabetes und Zöliakie haben, müssen außerdem darauf achten, dass die verzehrten Lebensmittel glutenfrei sind.

Erfreulicherweise hat das Angebot an glutenfreien Lebensmitteln in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Teilweise wird den industriell hergestellten glutenfreien Lebensmitteln jedoch ein höherer Fett-, aber auch Salzanteil nachgesagt. Ebenso sollen sie weniger Ballaststoffe enthalten und einen höheren glykämischen Index haben, d. h. der Blutzucker soll durch sie schneller ansteigen, als man von den glutenhaltigen Lebensmitteln gewohnt ist.

Glutenfreie Produkte werden in der Regel schneller vom Körper aufgenommen (resorbiert). Zudem erholt (regeneriert) sich bei Menschen mit Zöliakie die Dünndarmschleimhaut durch die glutenfreie Ernährung, so dass die Kohlenhydrate wieder besser aufgenommen werden. Nach der Diagnose Zöliakie müssen Betroffene die Berechnung der Kohlenhydrate und die nötige Insulinmenge an die neue Situation anpassen (siehe Liste ab S. 27).

Was steckt wirklich drin in glutenfreien Produkten?

Für Deutschland gibt es bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen dazu, wie sich die Zusammensetzung glutenfreier von der glutenhaltiger Produkte unterscheidet. Generell habe sich der Ballaststoffgehalt glutenfreier Produkte in den letzten Jahren verbessert – sei also gestiegen.

Glutenfreie Lebensmittel

zu Beginn neu zu berechnen:

  • Brot- und Backwaren
  • Grieß, Flocken, Mehle, Stärke
  • Nudeln
  • Kuchen, Gebäcke

unveränderte Berechnung:

  • Kartoffeln
  • Frischobst
  • Joghurt, Milch
  • Fruchtsaft
  • Obstkonserven
  • Zucker, Konfitüren, Honig

Einige Hersteller setzen z. B. Broten Ballaststoffe zu; das ist für die Blutzuckerkontrolle bei Diabetes besonders wichtig. In den Tabellen auf den folgenden Seiten werden beispielhaft ausgewählte Lebensmittel verglichen. Die Tabellen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; die Angaben beziehen sich auf die jeweiligen Herstellerangaben und können ggf. im Laufe der Zeit abweichen.

Das ist wichtig für Menschen mit Diabetes und Zöliakie

Die Gesamtmenge an Kohlenhydraten in glutenfreien Produkten scheint oft vergleichbar mit den entsprechenden glutenhaltigen Varianten zu sein – allerdings gibt es Unterschiede im Fett-, Eiweiß- und Ballaststoffgehalt. Zudem enthalten glutenfreie Produkte oft mehr Salz und gesättigte Fettsäuren. Da Kohlenhydrate in Verbindung mit Fett und Eiweiß langsamer resorbiert werden, führt ein höherer Anteil an Fett zu einem langsameren Anstieg des Blutzuckers.

Dagegen ist ein geringer Anteil an Eiweiß oder Ballaststoffen mit einem rascheren Blutzuckeranstieg verbunden. Auch für Menschen mit langjähriger Zöliakie und unerklärlichen Blutzuckerschwankungen lohnt es sich, immer wieder einmal einen Blick auf die Zutatenlisten der glutenfreien Lebensmittel zu werfen, da sich die Zusammensetzung der Produkte im Laufe der Jahre ändern kann.

Empfehlenswert sind glutenfreie Lebensmittel, die einen niedrigen glykämischen Index haben, also den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen. Ballaststoffreiche glutenfreie Lebensmittel (z. B. Müsli, Mehle, Brote), aber auch belegte Brote sowie vollständige Mahlzeiten mit Dessert sind besser für den Blutzuckerspiegel als überwiegend kohlenhydrathaltige Lebensmittel. Einige Unternehmen informieren bereits über BE/KE auf der Zutatenliste.


Studienteilnehmer gesucht

Da es bisher keine verlässlichen Daten zum Ernährungsverhalten von Menschen mit Diabetes und Zöliakie gibt, wird derzeit an der Universität Ulm eine Studie durchgeführt, mit der das Ess- und Trinkverhalten von Menschen mit Diabetes digital erfasst wird. Dafür werden auch doppelt Betroffene mit Typ-1-Diabetes plus Zöliakie gesucht! Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes oft auf kohlenhydrathaltige Lebensmittel verzichten und dafür mehr Lebensmittel mit hohem Fett- und Eiweißgehalt verzehren. In der aktuellen Studie geht es um diese Fragen:

  • Trägt die Zöliakie zu einem weiteren Verzicht von Kohlenhydraten bei?
  • Führen glutenfreie Lebensmittel aufgrund einer veränderten Zusammensetzung zu einer erhöhten Fettaufnahme und einer verminderten Ballaststoffaufnahme?
  • Werden die Empfehlungen für die tägliche Nährstoffaufnahme bei Typ-1-Diabetes erreicht?

In der Studie fotografieren die Teilnehmer mit ihrem Handy das, was sie essen und trinken, anstatt alle Speisen und Getränke mühsam von Hand zu dokumentieren.

Kontakt zur Studienleitung:
Nutris-Phone Studie, Dr. Nicole Prinz, Prof. Dr. Reinhard W. Holl Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 41, 89081 Ulm, E-Mail: nicole.prinz@uni-ulm.de
, Homepage: buster.zibmt.uni-ulm.de

Alle, die dazu beitragen möchten, dass es für Betroffene künftig bessere, mehr auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Angebote gibt, sind herzlich eingeladen, teilzunehmen. Für weitere Informationen über die Studie (z. B. Patientenflyer) bzw. zur Studienteilnahme wenden Sie sich bitte per E-Mail an die Studienleitung in Ulm: nutrisphone@uni-ulm.de (oder nebenstehende Adresse). Das Projekt wird von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft unterstützt.

Schwerpunkt: Typ-1-Diabetes plus Zöliakie

von Dr. biol. hum. Nicole Prinz
Diplom-Ernährungswissenschaftlerin,
Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie,
Albert-Einstein-Allee 41, 89081 Ulm,
E-Mail: nicole.prinz@uni-ulm.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (3) Seite 26-29

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