Hilfsmittel,Tipps, Apps bei Sehbehinderung

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Hilfsmittel,Tipps, Apps bei Sehbehinderung

Die Sehfähigkeit unserer Augen nimmt meist schleichend ab. Da dies kaum wahrgenommen wird, sollten Sie ca. alle 2 Jahre Ihre Augen beim Arzt kontrollieren lassen. Auch wenn Sie keine Beschwerden haben. Und wenn doch starke Einbußen den Alltag und das Sehen erschweren, gibt es nützliche moderne Hilfen sowie Listen von Spezialisten für Menschen mit Sehbehinderungen.

Augenkomplikationen bei Menschen mit Diabetes sind nicht selten und betreffen die gesamte Netzhaut sowie die Makula (Stelle des schärfsten Sehens). „Die Symptomlosigkeit der Erkrankung verpflichtet zu Screening-Untersuchungen, deren Intervalle bei Menschen mit unkompliziertem Verlauf und geringerem Risiko verlängert werden können“, heißt es im Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2020.
Sehbehinderung bei Menschen mit Diabetes: Bedeutung und Auswirkungen

In Deutschland gilt eine Person als blind, wenn die Sehkraft auf dem besseren Auge trotz Brillenkorrektur unter 2 Prozent fällt. 2 Prozent Sehkraft bedeuten einfach gesagt, dass die Person einen Gegenstand, den ein Normalsichtiger aus 100 m Entfernung erkennt, erst aus 2 m Entfernung identifizieren kann.

Tipps zum „Selbst-Seh-Check“


  • Blicken Sie regelmäßig (alle 4 Wochen) aus dem Fenster und fixieren Sie dabei immer denselben Punkt (Baum, Haus, Schild etc.) in der Ferne. Halten Sie im Wechsel ein Auge zu und überprüfen Sie Ihr „Scharfsehen“. D. h. überlegen Sie, ob Sie diesen Fixpunkt noch genauso scharf erkennen wie vor vier Wochen.
  • Achten Sie auf plötzliche Flecken (wie Rußspuren) oder Blitze, die vor Ihren Augen auftreten und beim Schließen der Augenlider nicht verschwinden.
  • Überprüfen Sie, ob sich etwas beim Lesen verändert hat. Haben Sie z. B. Schwierigkeiten, die Tageszeitung zu lesen?

Gerade zu Beginn der Erkrankung merkt man selbst nichts davon, nur der Augenarzt kann ein Problem erkennen. Für Betroffene kommt die Diagnose häufig überraschend und unvorbereitet. Oft geht sie einher mit der Angst vor Erblindung. Durch regelmäßige augenärztliche Screenings sowie frühe und moderne Therapien geht die Anzahl der Erblindungen zurück. Trotzdem kann durch höheres Lebensalter, Bluthochdruck und degenerative Veränderungen an der Makula das Sehvermögen abnehmen, was zu einer Beeinträchtigung im Alltag führt.

Eine abnehmende Sehfähigkeit eines Auges passiert meist sehr schleichend und wird nicht oder kaum wahrgenommen. Der Sehverlust wird oftmals vom anderen Auge ausgeglichen und nur durch Zufall von den Betroffenen entdeckt. Eine typische Rückmeldung von Patienten ist: „Als ich eine Mücke im Auge hatte, habe ich beim Zukneifen bemerkt, dass ich auf dem anderen Auge nichts mehr sehe.“ Umso wichtiger ist es, auch als Nichtbrillenträger mindestens alle 2 Jahre eine augenärztliche Untersuchung durchführen zu lassen – bei diabetesbedingten Veränderungen auch in kürzeren Intervallen.

Probleme frühzeitig erkennen

Die Auswirkungen von Sehbeeinträchtigungen durch Augenerkrankungen können sehr unterschiedlich sein und sind nicht mit Kurz- oder Weitsichtigkeit zu verwechseln. Das räumliche Sehen kann eingeschränkt sein, auch Scharfsehen und Kontrast­erkennung können verändert sein. Bei anhaltenden Veränderungen vereinbaren Sie einen Termin beim Augenarzt. Die Augenuntersuchung sollte bei weitgestellter Pupille (in Mydriasis) erfolgen.

Was tun, wenn die Sehkraft nachlässt?

Wichtig zu wissen ist, dass „gutes Sehen“ oft tagesformabhängig ist: Je angestrengter mein Auge war, z. B. bedingt durch langes Auto­fahren, Computertätigkeit, Lesen etc., umso schwerer fällt es, beim Sehtest genau zu fokussieren, umso ist schlechter manchmal das Ergebnis.

Nicht alle Augenveränderungen lassen sich immer durch eine Brille korrigieren: Oftmals werden zusätzlich Hilfsmittel wie Lupen oder Lesegeräte benötigt. Menschen mit Sehbehinderung haben einen Anspruch auf Hilfsmittel. Die Erstattung der Leistung unterscheidet sich je nach Krankenkasse.

Weitere Infos


  • Es gibt einen Zusammenschluss von Optikern, die sich auf die Beratung von Sehbehinderten spezialisiert haben. Sie finden die Mitglieder unter: www.low-vision-kreis.de
  • Welche Möglichkeiten gibt es, die mir meinen Alltag erleichtern – zu Hause, am Arbeitsplatz oder beim Hobby? Hierzu mehr unter: www.lvideutschland.de

Welche Hilfsmittel gibt es überhaupt? Was kommt für mich in Frage – Lupe, Lupenbrille oder Lesebildschirm? Wer kann mich beraten? Die meisten Betroffenen gehen einfach zum Optiker. Aber Hilfsmittel ist nicht gleich Hilfsmittel – und für den Bereich Sehbehinderung gibt es spezielle „LowVison“-Experten (siehe Kasten oben). Ambulanzen der Augenkliniken und Berufsförderungswerke bieten zusätzliche Hilfen an.

Lichtquelle und Lichtfarbe

Wichtig ist, dass Sie diese Hilfsmittel auch unter verschiedenen Bedingungen ausprobieren können, z. B. bei verschiedenen Lichtverhältnissen. Je älter wir werden, umso mehr Licht (Lichtquelle) benötigen wir beim Lesen. Als Vergleich: Ein Kind kann beim Lichtschein von einer Kerze lesen, Erwachsene benötigen 15 Kerzen. Gutes Licht schafft mehr Kontrast.

Wichtig bei der Auswahl des richtigen Lichts von Lampen und beleuchteten Lupen ist die Bestimmung der individuellen Lichtfarbe. Der Laie unterscheidet Licht in warm und kalt, doch die Anforderungen bei Sehbinderungen sind vielschichtiger. Je nach Sehkraft und Blendungsfähigkeit sollte die Lichtfarbe individuell getestet werden, damit z. B. das Lesen weniger anstrengend ist.

Digitale Alltagshilfen

Durch die Aktivierung der VoiceOver-Funktion bei IOS-Smartphones können über die Sprachfunktion Apps in verschiedenen Bereichen Hilfen für den Alltag bieten. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Apps mit Vorlesefunktionen, Farberkennung, Navigation, Spielen etc.
Aufgrund der Vielseitigkeit wird hier eine Innovation von Microsoft besonders vorgestellt: Die kostenlose App Seeing AI. Über die Nutzungsmöglichkeit von künstlicher Intelligenz können die Umgebung, Menschen, Texte und Objekte in der Nähe beschrieben werden. Die App ist für die Verwendung mit VoiceOver optimiert. Sie können damit Folgendes erkennen:

  • Kurztext: liest Text vor, sobald er vor der Kamera erscheint.
  • Dokumente: stellt Audioanleitungen zum Erfassen einer gedruckten Seite bereit und erkennt den Text zusammen mit seiner Originalformatierung.
  • Produkte: scannt Barcodes und verwendet Audiosignale, um Sie zu leiten. Sie hören den Namen und Paketinformationen, falls verfügbar (funktioniert ab iPhone 6).
  • Personen: speichert die Gesichter von Personen, damit Sie sie erkennen und ihr Alter, ihr Geschlecht und ihre Gefühle einschätzen können.
  • Szenen (frühe Vorschau): Sie hören eine allgemeine Beschreibung der erfassten Szene.
  • Währung: erkennt Banknoten (iOS 11 erforderlich).
  • Farbe: identifiziert Farben.
  • Licht: generiert einen akustischen Ton, der der Helligkeit in der Umgebung entspricht.
  • Bilder in anderen Apps: tippen Sie einfach auf „Freigeben“ und „Mit Seeing AI erkennen“, um Bilder aus E-Mails, Fotos, Twitter und mehr zu beschreiben.
  • Funktionalität zum Durchsuchen von Fotos: beschreibt Fotos auf Ihrem Smart­phone.

Am wichtigsten ist es, Probleme mit den Augen sehr früh zu erkennen. Und wenn die Sehfähigkeit abnimmt, ist es wiederum wichtig, sich frühzeitig professionelle Beratung einzuholen, die einen über die Angebote von Hilfsmitteln informiert. Nur mit dieser Unterstützung haben Menschen mit Sehbehinderungen die Möglichkeit, ihre Selbstständigkeit, Mobilität, Privatsphäre und damit langmöglich ihre Unabhängigkeit zu erhalten.

Schwerpunkt „Auf die Augen aufpassen“

von Kathrin Boehm
Diabetesberaterin DDG, Diabetes Akademie Bad Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Str. 12, 97980 Bad Mergentheim,
Tel.: 07931/594165, E-Mail: boehm@diabetes-zentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (3) Seite 20-22

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