Hoher Druck in den Gefäßen

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Hoher Druck in den Gefäßen

Ein hoher Blutdruck tritt oft in Zusammenhang mit Diabetes auf. Damit er nicht zu schweren Folgeerkrankungen führt, muss er wie der Diabetes rechtzeitig und konsequent behandelt werden. Hier erfahren Sie alles Wissenswerte zum Bluthochdruck.

Der Fall
Peter M., 38 Jahre alt, 98 Kilogramm schwer, hat Typ-2-Diabetes und wurde noch von der Straße weg ins in der Nähe liegende Krankenhaus gebracht. Was war geschehen? Wie so oft war Peter zu spät aufgestanden. Er war nach dem kurzen Frühstück ins Auto gehetzt, um pünktlich bei seiner 30 Kilometer entfernten Arbeitsstelle zu sein. Nachdem er eine Enge in der Brust verspürt und fast das Lenkrad verrissen hatte, hatte er am Rand der Straße angehalten und, als keine Besserung der Beschwerden eingetreten war, den Notarzt gerufen. Dieser hatte, obwohl schon 15 Minuten bis zu seinem Eintreffen vergangen waren, einen Blutdruck von 210/110 mmHg festgestellt.Im Krankenhaus konnte man glücklicherweise einen Herzinfarkt ausschließen. Die Diagnose lautete: Bluthochdruck-Krise mit Herzbeschwerden. Man gab ihm dort den Rat, in Zukunft früher aufzustehen, Stress zu vermeiden und den Blutdruck besser einzustellen.

Der Bluthochdruck – die “arterielle Hypertonie” – ist aktuell die häufigste chronische Erkrankung, die so schwerwiegende Komplikationen wie Herzinfarkt, Demenz, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz verursachen kann. Obwohl der Bluthochdruck gut behandelt werden kann, haben viele Betroffene zu hohe Blutdruckwerte. Dabei kann laut Prof. Dr. Felix Mahfoud vom Universitätsklinikum des Saarlands durch Senken des systolischen Blutdrucks (oberer Wert) um 10 mmHg das Risiko extrem gesenkt werden:

  • für einen Schlaganfall um 27 Prozent,
  • für Herzschwäche um 28 Prozent,
  • für weitere schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 20 Prozent.

Nach den Europäischen Leitlinien zur Behandlung des Bluthochdrucks von 2018 sollen Patienten von Anfang an zielgerichteter und intensiver behandelt werden. Die Zielwerte für den Blutdruck wurden in den Leitlinien nach aktueller Studienlage angepasst: Der Zielblutdruck sollte

  • systolisch (oberer Wert) zwischen 120 und 130 mmHg,
  • diastolisch (unterer Wert) zwischen 70 und 80 mmHg liegen.

Entsprechend diesen Leitlinien sollte die Behandlung des Bluthochdrucks von Anfang an mit einer Kombination aus zwei Wirkstoffen erfolgen, um keine Zeit zu verlieren, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Laut einer Untersuchung des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) zwischen 2018 und 2020 wurden erschreckend viele Menschen in Deutschland nicht ausreichend entsprechend den Leitlinien behandelt.

Warum ist der Blutdruck zu hoch?

Man unterscheidet die “essenzielle Hypertonie” (primärer Bluthochdruck) und die “sekundäre Hypertonie”.

Die essenzielle Hypertonie, die bei etwa 90 Prozent aller Menschen mit Bluthochdruck vorliegt, ist meist Ursache unseres Wohlstands, also des Übergewichts, z. B. durch Fehlernährung, und mangelnder Bewegung.

Die sekundäre Hypertonie, die bei etwa 10 Prozent der Betroffenen festzustellen ist, wird ausgelöst durch andere Grunderkrankungen oder auch Medikamente. Diese können z. B. sein:

  • Erkrankungen der Schilddrüse (Unter- und Überfunktion, Hypo- und Hyperthyreose) und der Nebennieren (Morbus Cushing, Hyperaldosteronismus),
  • Erkrankungen der Nieren, z. B. Entzündungen,
  • Verengungen der Arterien der Nieren (Nierenarterien-Stenose), also der Gefäße, die sauerstoffreiches Blut in die Nieren bringen,
  • Atem-Aussetzer während des Schlafs (obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom),
  • Medikamente wie Kortison, hormonelle Verhütungsmittel (“Pille”), Rheuma-Medikamente (z. B. nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Ibuprofen),
  • Lakritz in größeren Mengen und bei regelmäßigem Verzehr, Süßholztee.

Bei Menschen über 50 Jahre findet sich häufig eine isolierte systolische Hypertonie. Bei ihr ist nur der obere Blutdruckwert erhöht, die Werte liegen über 140 mmHg. Der untere Blutdruckwert ist mit unter 90 mmHg normal. Zustande kommt diese isolierte systolische Hypertonie durch die zunehmende Steifigkeit der Hauptschlagader (Aorta) mit steigendem Alter. Diese Form, die deshalb bei älteren Menschen häufiger auftritt, bedarf einer optimalen Einstellung.

Eine Studie der Universität Bern, publiziert im Jahr 2019, zeigte allerdings, dass ein systolischer Blutdruck unter 130 mmHg eher die Gefahr mit sich bringt, dass ältere Menschen Einbußen der geistigen Leistung erleiden. Der Zusammenhang zwischen niedrigem systolischem Blutdruck und stärkerem geistigem Abbau war dabei bei “gebrechlichen” Menschen am größten. Niedriger ist also nicht immer besser – dies zeigten auch schon frühere Studien wie ACCORD (“Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes”).

Ein erhöhter Blutdruck belastet aber auf Dauer insbesondere die linke Herzhälfte, sowohl den Vorhof wie auch die Kammer. Über Jahre kann dies zu funktionellen und schließlich auch zu strukturellen Veränderungen im Herzen führen. Diese können der Grund für eine sich entwickelnde Herzinsuffizienz sein. Wird der hohe Blutdruck in dieser Phase der Erkrankung nicht konsequent gesenkt, kann sich durch Anpassen des Herzens an den erhöhten Druck langsam eine linksventrikuläre Hypertrophie (Verdickung der Wand der linken Herzkammer) entwickeln. Diese ist medikamentös oft nur noch schwer zu beeinflussen. Zu beachten ist hier auch: Unter körperlicher Belastung steigt durch die dabei notwendige Zunahme der Herzleistung auch der Blutdruck.

So wird der Bluthochdruck festgestellt

Damit der Bluthochdruck behandelt werden kann, muss er zunächst einmal festgestellt werden. Die Diagnose der arteriellen Hypertonie orientiert sich auch heute noch vor allem am Blutdruck, der in der Arztpraxis gemessen wird: Nach fünf Minuten Ruhe wird der Blutdruck dreimal im Abstand von ein bis zwei Minuten gemessen, woraus ein Mittelwert als Diagnose-Kriterium gebildet wird. Bei einem Blutdruck von 140/90 mmHg und höher spricht man von einer Hypertonie. Eine Hypertonie Grad 1 liegt vor bei Werten von 140 – 159/90 – 99 mmHg. Ab Hypertonie Grad 2 mit 160 – 179/100 – 109 mmHg und einer Hypertonie Grad 3 mit Werten von 180/110 mmHg und darüber wird sofort mit Medikamenten behandelt. Dies gilt auch für Patienten mit einer Hypertonie Grad 1 und einem hohen bzw. sehr hohen kardiovaskulären Risiko.

Bluthochdruck: vermeidbare bzw. beeinflussbare Ursachen und Einflussfaktoren (Auswahl):
  • Mangel an Bewegung
  • Rauchen
  • Übergewicht bzw. extremes Übergewicht (Adipositas)
  • erhöhter Alkoholkonsum
  • Stress (vor allem negativer Stress, Disstress)
  • erhöhte LDL-Cholesterin-Werte
  • dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte
  • zu hoher Kochsalz-Konsum

Eine Hypertonie lässt sich auch mit einer 24-Stunden-Blutdruckmessung diagnostizieren. Normal sind die Werte, wenn sie folgende Werte unterschreiten: 24-Stunden-Mittelwert 130/80 mmHg, tags 135/85 mmHg und nachts 120/70 mmHg.

Bei Diabetes gibt es Besonderheiten

In einer internationalen Studie hatten 90 Prozent der Menschen mit Diabetes auch eine Hypertonie. Lediglich bei 51 Prozent lag trotz Therapie der Blutdruck über 140/85 mmHg. Nur etwa 20 Prozent erreichten den Zielblutdruck von unter 130/80 mmHg.

Oft besteht bei Menschen mit Diabetes eine isolierte systolische Hypertonie wegen der zunehmenden Gefäßsteifigkeit. Zudem haben sie häufiger einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus (zirkadianen Rhythmus) beim Blutdruck, der mit einem oft unzureichenden Sinken des Blutdrucks in der Nacht einhergeht – manchmal bei völlig normalen Werten am Tag. Bezeichnet wird Letzteres als maskierte nächtliche Hypertonie. Deshalb sind auch ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessungen bei unklaren klinischen Befunden sinnvoll.

Normalerweise sinkt der Blutdruck eines Menschen in der Nacht um etwa 10 bis 20 Prozent unter den Wert am Tag, was man als “Normal Dipping” bezeichnet, aus dem Englischen dip (sinken). Menschen, bei denen der Blutdruck nachts um weniger als 10 Prozent sinkt, bezeichnet man als “Non-Dipper”, Menschen, bei denen nachts der Blutdruck sogar ansteigt, als “Inverted Dipper”.

Blutdruck bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Menschen mit Typ-1-Diabetes haben zum Zeitpunkt ihrer Diagnose des Diabetes meist einen normalen Blutdruck. Ein Bluthochdruck entwickelt sich oft erst, wenn eine Nephropathie auftritt.

Menschen mit Typ-2-Diabetes haben in mehr als 70 Prozent der Fälle zum Zeitpunkt der Diagnose des Diabetes bereits einen Bluthochdruck. Entwickelt hat er sich oft über Jahre oder Jahrzehnte im Rahmen eines Metabolischen Syndroms, zu dem zusätzlich Übergewicht und eine Störung des Fettstoffwechsels gehören. Man findet bei Patienten mit Diabetes doppelt so häufig einen hohen Blutdruck wie in der Gesamtbevölkerung.

Große Studien zeigen, dass bei Menschen mit Diabetes ein Blutdruck von systolisch 120 – 130 mmHg und diastolisch von 70 – 80 mmHg anzustreben ist. Niedrigere Werte zeigten keine besseren Ergebnisse, eher erhöhte sich das Risiko für Folgeschäden.

Bluthochdruck ohne Medikamente behandeln

Ein westlicher Ernährungsstil ist für die arterielle Hypertonie ein treibender Faktor. Deshalb kann ein Lebensstil mit gesunder Ernährung und einer Reduktion des Gewichts ein genetisches Risiko für einen Bluthochdruck zum Teil ausgleichen. Die Abnahme von einem Kilogramm Gewicht senkt den systolischen Blutdruck um etwa 1 mmHg. Und Übergewicht ist ein großes Problem: In Deutschland haben etwa 50 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer Übergewicht oder extremes Übergewicht (Adipositas).

Essen, Trinken, Salzen

Eine Beschränkung des Salz-Konsums scheint wegen des allgemein hohen Verbrauchs an Kochsalz, vor allem durch Fertigprodukte, in der Bevölkerung aufgrund der Studienlage sinnvoll – besonders bei Patienten mit einer Nierenschwäche. Mehr Ballaststoffe können wohl helfen, einer Hypertonie vorzubeugen, ebenso eine mediterrane Diät bzw. eine Ernährung, die reich ist u. a. an Gemüse, Vollkornprodukten, pflanzlichen Fetten und Fisch. Die mediterrane Diät besteht primär aus pflanzlichen Lebensmitteln und ist reich an

  • Gemüse,
  • Obst,
  • Vollkornprodukten,
  • Ballaststoffen

und enthält wenig

  • gesättigte Fette,
  • Zucker,
  • raffiniertes Getreide,
  • stark gesalzene Lebensmittel.

Die mediterrane Ernährung wird in den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Society of Hypertension (ESH) zur arteriellen Hypertonie empfohlen. Gut bei Bluthochdruck scheinen auch folgende Nahrungsmittel zu sein: kakaoreiche, dunkle Schokolade, grüner und schwarzer Tee, Rote-Bete-Saft, Kaffee und Sesam.

Mit Medikamenten den Blutdruck senken

Die medikamentöse Therapie sollte relativ früh einsetzen, um strukturelle Organveränderungen zu verhindern. Nach den Leitlinien soll mit der Kombination von zwei Wirkstoffen begonnen werden. Zur Verfügung stehen Medikamente aus fünf Substanz-Klassen, die entsprechend vorhandener Begleit- oder Vorerkrankungen ausgewählt und kombiniert eingesetzt werden. Dies entscheidet der Arzt in der Regel gemeinsam mit den Betroffenen abhängig von vorliegenden Erkrankungen.

Die fünf Substanz-Klassen (ABCD-Schema) sind:

  • ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorblocker (nicht zu kombinieren, nur entweder/oder),
  • Betablocker,
  • Calzium-Antagonisten,
  • Diuretika.

Sinnvolle und/oder erprobte Kombinationen können als Fix-Kombination, also zwei oder mehr Substanzen in einer Tablette, die Zuverlässigkeit der Einnahme erhöhen. In der Regel werden ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker mit anderen Medikamenten gegen Bluthochdruck kombiniert.

Da viele Menschen mit einer arteriellen Hypertonie weitere Erkrankungen haben und deshalb oft zusätzlich andere Medikamente einnehmen müssen (z. B. Diabetes-Medikamente, Medikamente gegen Asthma/chronisch obstruktive Lungen-Erkrankung (COPD), Medikamente wegen Störungen des Fettstoffwechsels), muss immer berücksichtigt werden, ob die Medikamente zusammenpassen oder sich gegenseitig ausschließen. Das Nebenwirkungsprofil muss von Anfang an beachtet werden.

Zusammenfassung
Die Behandlung des Bluthochdrucks ist in Deutschland immer noch unzureichend, obwohl es für die Sinnhaftigkeit einer rechtzeitigen, konsequenten Therapie sehr viele Daten gibt. Menschen mit Diabetes sind diesbezüglich besonders gefährdet, speziell deren Nieren. Bei ihnen ist eine konsequente, zielgerichtete Therapie so früh wie möglich besonders effektiv bezüglich des Verhinderns der oft schwerwiegenden Komplikationen.

Autor:
© privat
Dr. Gerhard-W. Schmeisl

Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin
PrivAS Privatambulanz (Schulung)
E-Mail: dr.gerhardw@schmeisl.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (6) Seite 26-31

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