Jucken, Brennen, Nässen: die kranke Haut

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Jucken, Brennen, Nässen: die kranke Haut

Die Haut ist das größte Organ des menschlichen Körpers. Wie andere Organe kann auch sie erkranken – in unterschiedlicher Weise. Bei Menschen mit Diabetes gibt es einige Erkrankungen oder Veränderungen, die typischerweise auftreten.

Der Fall
Susanne M., 42 Jahre alt und seit 6 Jahren Typ-1-Diabetes, hatte mehrere Jahre ihre intensivierte Insulintherapie (ICT) sehr konsequent durchgeführt und ihre Blutzuckerwerte sorgfältig dokumentiert. Das häufige Stechen für einen Blutstropfen machte ihr anfangs nicht sehr viel aus, wurde jedoch mit der Zeit immer weniger angenehm und auch lästiger. Von anderen Typ-1-Diabetikern hatte sie in der Selbsthilfegruppe den Vorteil der neuen Gewebeglukose-Sensoren kennengelernt – nie wieder stechen?! Nachdem sie die neuen Sensoren erhalten hatte, wurden ihre Zuckerwerte immer besser – toll. Jedoch stellte sich an den Liegestellen der Sensoren jedes Mal ein Juckreiz mit Rötung ein, der schließlich unerträglich wurde – eine allergische Reaktion an der Haut! Sie dachte schon daran, ganz damit aufzuhören.Sie probierte verschiedene Desinfektionsmittel und Pflaster aus und fand tatsächlich ein Spray und Pflaster, das keinen Juckreiz mehr verursachte. Gut, dass sie nicht so schnell aufgegeben hatte!

Die ehemalige Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Prof. Dr. Monika Kellerer, bringt es auf den Punkt: “Diabetes und Haut stehen in enger Wechselbeziehung.”Zwischen 30 und 70 Prozent aller Menschen mit Diabetes weisen dermatologische Symptome und Erkrankungen auf, heißt es in der Meldung der DDG. Dabei ist laut Prof. Dr. Claudia Pföhler von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum des Saarlandes noch nicht endgültig geklärt, wie sich beide Erkrankungen gegenseitig beeinflussen. Vermutlich begünstigen Entzündungs-Prozesse, Ablagerungen von zuckerhaltigen Substanzen in der Haut und die geschwächte Immunabwehr Pilz- und bakterielle Infektionen.

Letztlich scheint eine unbefriedigende Glukose-Stoffwechsellage mit erhöhten Blutzuckerwerten eine der Hauptursachen zu sein. Veränderungen der Haut können aber auch eins der ersten Symptome eines bisher noch nicht bekannten Diabetes sein – deshalb sollte man bei derartigen Veränderungen immer auch den Blutzucker messen lassen.

Neuerdings finden sich auch vermehrt Veränderungen der Haut, die in Zusammenhang mit dem Einsatz von Insulinpumpen und insbesondere auch Glukose-Sensoren sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern stehen. Die Haut kommt z. B. bei Kindern und Jugendlichen schon sehr früh mit Pflastern und Klebstoffen in Kontakt, mit denen die Sensoren und Kanülen der Katheter fixiert werden – besonders an den Oberarmen, am Gesäß, am Bauch und an den Oberschenkeln.

Wodurch das Risiko für Erkrankungen der Haut steigt

Die Haut von Menschen mit Diabetes kann, wenn die Glukosewerte lange Zeit sehr hoch sind, sehr trocken sein. Ursache ist, dass wegen der hohen Werte vermehrt Flüssigkeit über den Urin ausgeschieden wird. Wird diese Flüssigkeit nicht ersetzt, trocknet u. a. die Haut aus.

Zusätzlich kann, gerade bei längerer Diabetesdauer, eine Erkrankung der Nerven (diabetische Neuropathie) auftreten. Die Neuropathie kann u. a. dazu führen, dass die in der Haut vorhandenen Schweiß- und Talgdrüsen immer weniger Feuchtigkeit und Fett produzieren. Die Haut wird rissig, trocknet vermehrt aus und juckt. So verliert sie auch ihre Schutz-Funktion gegen Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze. Sind dann noch die Glukosewerte hoch, reagiert das Immunsystem nicht mehr adäquat – Bakterien und Pilze haben leichtes Spiel.

So kann es auch zu immer wiederkehrenden bakteriellen Infektionen an der gesamten Haut kommen. Sie können sich in Form von Furunkeln (Eiterknötchen) zeigen. Solche Infektionen der Haut können aber ebenfalls erste Anzeichen für einen Diabetes sein.

Häufig und langfristig erhöhte Zuckerwerte können auch die Blutgefäße schädigen. Eine schlechtere Blutversorgung führt zu einem Nährstoff- und Sauerstoffmangel, was die Haut anfälliger für Infektionen macht und außerdem die Wundheilung beeinträchtigt. So kann es zum Diabetischen Fußsyndrom kommen.

Veränderungen der Haut bei Diabetes

Eine der häufigsten Veränderungen der Haut bei Diabetes ist die diabetische Dermopathie. Sie zeigt sich durch bräunliche, Narben ähnliche, entzündliche Flecken meist an den vorderen Schienbeinen. Diese Veränderungen sind oft erstes Zeichen eines bisher nicht erkannten Diabetes. “Die Flecken verschwinden, sobald der Diabetes eingestellt ist”, beruhigt Dermatologin Pföhler.

Die diabetische Dermopathie ist nicht zu verwechseln mit der Necrobiosis lipoidica. Dabei treten rötlich-braune Flecken mit scharf begrenzten Rändern am Schienbein auf, die schwierig zu behandeln sind. Betroffen sind etwa 0,5 bis 1 Prozent aller Menschen mit Diabetes.

Die Pseudoacanthosis nigricans ist gekennzeichnet durch unscharf begrenzte grau-bräunliche, samtartige Stellen. Diese treten oft zuerst im Nacken auf, später auch unter den Achseln, in Gelenkbeugen und in der Leistenregion.

Durch ein diabetisches Sklerödem kommt es zu einer Verdickung der Haut. Das kann zu schmerzhaften Einschränkungen der Funktionen von Händen, Füßen und Schultern führen. Folgende Erkrankungen an den Händen gehören dazu:

  • schnellender Finger,
  • Dupuytren-Kontraktur (Sehnen der Hohlhand betroffen),
  • Karpaltunnel-Syndrom (durch die Verdickung wird der Nervus medianus eingeklemmt),
  • Versteifungen von Fingern und Gelenken.

Wenn Störungen des Fettstoffwechsels vorliegen, können Xanthome auftreten. Diese werden auch als Gelbknoten bezeichnet und sind orange-gelblich schimmernde Knoten in der Haut, in denen Fette eingelagert sind.

Bei der Weißflecken-Krankheit (Vitiligo) liegt ein auf einzelne Stellen begrenzter Verlust der Pigmente der Haut vor. Erkennbar ist die Vitiligo an scharf begrenzten, weißen Flecken. Wenn sie bei Menschen mit Diabetes auftritt, sind vor allem Frauen mit Typ-1-Diabetes betroffen.

Bakterien und Pilze

Infektionen der Haut kommen bei Diabetikern sehr häufig vor und stehen in direktem Zusammenhang mit der Güte der Situation des Glukose-Stoffwechsels. Bei guten Glukosewerten kommen Infektionen der Haut nicht häufiger vor als bei Menschen ohne Diabetes. Je höher aber die Glukosewerte über längere Zeit sind – was sich auch durch einen hohen HbA1c- Wert zeigt –, desto höher ist auch das Risiko für Infektionen, vor allem durch Bakterien und Pilze.

Infektionen der Haut durch Bakterien:
  • Wundrose (Erysipel): scharf abgegrenzte, rote Stellen, die sich schnell ausbreiten können; häufig begleitet von Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und regional geschwollenen Lymphknoten. Durch das Kratzen wegen des Juckreizes dabei kann es auch zu einer Blutvergiftung (Sepsis) kommen
  • Zwergflechte (Erythrasma): scharf begrenzte, rot-braune, schuppige Stellen mit vermehrter Schweißbildung unter den Achseln, in der Leiste, der Analgegend und unter der weiblichen Brust
Infektionen der Haut durch Pilze:
  • Candidose(verursacht durch den Hefepilz Candida): tritt typischerweise in Hautfalten und im Genitalbereich auf (bei Frauen als Vulvovaginitis, bei Männern als Balanitis) und äußert sich oft juckend, nässend oder brennend; auch am Nagelfalz der Füße möglich
  • Tinea (verursacht durch Fadenpilze):kann an Haut, Haaren und Nägeln auftreten, auch am Fuß und in den Zwischenräumen der Zehen; Ringe auf der Haut mit weißen Rändern sind typisch, am Nagel führen sie zum Nagelpilz

Veränderungen der Haut im Rahmen der Therapie

Medikamente zur Behandlung des Diabetes können selbst gelegentlich Reaktionen an der Haut auslösen. Vermutet man ein Medikament oder dessen Gabe (Injektions-Technik bei Insulin) als Auslöser, kann ein Auslass-Versuch – nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin – zum Klären der Diagnose hilfreich sein. Folgende Reaktionen der Haut lassen sich durch Diabetes-Medikamente beobachten (Beispiele):

  • Insuline können an der Einstichstelle zu Veränderungen des Unterhautfettgewebes führen, vor allem, wenn immer in die gleiche Stelle gespritzt wird. Durch Wechseln der Spritzstellen, kürzere Kanülen und auch durch neuere Insuline treten diese Veränderungen seltener auf.
  • Sulfonylharnstoffe (z. B. Amaryl, Glimepirid) können dazu führen, dass Alkohol schlechter vertragen wird – mit der Folge einer Gesichtsrötung (Flush), Kopfschmerzen, Herz-Rhythmus-Störungen und Atemnot. Selten können sie auch allergische Reaktionen verursachen.
  • DPP-4-Hemmer können ebenfalls selten allergische Reaktionen an der Haut auslösen, aber auch phototoxische Reaktionen, die durch Wirkung der Sonne im Zusammenspiel mit den DPP-4-Hemmern entstehen.
  • SGLT-2-Hemmer können ebenfalls Hautveränderungen wie Exanthem, Quaddelsucht und Ekzeme auslösen.
  • Unter Metformin kommt es sehr selten auch zu Nesselsucht und Rötungen mit Juckreiz – andererseits wird Metformin sogar zur Behandlung von manchen Erkrankungen der Haut mit eingesetzt, z. B. bei Akne.
  • Auch GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Liraglutid und Dulaglutid und Gliptine können manche Erkrankungen der Haut eher verbessern. Das gilt z. B. für die Schuppenflechte (Psoriasis).

Welche Therapien gibt es?

Langfristig hilft eine möglichst gute Situation des Glukose-Stoffwechsels, erkennbar z. B. am individuell mit dem behandelnden Arzt vereinbarten HbA1c-Zielwert. Gut ist eine rechtzeitige Diagnose, die nur bei regelmäßiger Untersuchung der Haut bzw. bei Beschwerden erfolgen kann. Eine konsequente lokale Behandlung der Haut bzw. der Wunde ist erforderlich, ggf. ist auch ein Austausch von Medikamenten notwendig.

Eine Trockenheit der Haut sollte man mit täglich benutzten Pflegemitteln und seltenerem Waschen angehen. Cremes mit Harnstoff oder Ölbäder können insbesondere bei Juckreiz helfen.

Schwerwiegendere, vor allem nicht rasch abheilende Veränderungen sollten unbedingt einem Hautarzt gezeigt werden – manchmal müssen neben der lokalen Behandlung auch Antibiotika in Form von Tabletten eingesetzt werden.

Zusammenfassung
Veränderungen der Haut sind bei Menschen mit Diabetes häufig und manchmal sehr belastend – nicht selten auch gefährlich durch eine generalisierte Infektion. Besonders nach Kratzen können sich weitere Bakterien ansiedeln (Superinfektion). Auch neue Produkte aus dem Bereich der Diabetes-Technologie (z. B. Glukose-Sensoren, Insulinpumpen) bringen eine zusätzliche, oft lebenslange Belastung der Haut mit sich – wie die Insulin-Injektion selbst. Eine gute Situation des Glukose-Stoffwechsels ist die effektivste Methode, schweren Veränderungen der Haut vorzubeugen. Nicht selten wird ein Diabetes erst nach dem Auftreten von entsprechenden Veränderungen entdeckt – eigentlich sollte ein Diabetes nicht erst dann erkannt werden. Ein Hautarzt und/oder ein erfahrener Hausarzt/Diabetologe sollten rasch bei Beschwerden aufgesucht werden.

Autor:
© privat
Dr. Gerhard-W. Schmeisl

Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin
PrivAS Privatambulanz (Schulung)
E-Mail: dr.gerhardw@schmeisl.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (8) Seite 30-34

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