Konzertabenteuer mit Diabetes

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Konzertabenteuer mit Diabetes

Am 9. Juni 2024 habe ich mir einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und es geschafft, bei einem Konzert einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Zusammen mit meiner Schwester und meinen Freunden war ich beim Mannheimer Zeltfestival auf dem Konzert der Giant Rooks.

Wir haben an diesem Abend unvergessliche Erinnerungen gesammelt. Doch bis es soweit war, mussten erst einmal Stunden an Vorbereitungen und Planung vergehen, damit auch ja alles glatt läuft. Ich hatte ehrlich gesagt ziemlich großen Respekt vor der ganzen Sache, da ich so etwas noch nie gemacht habe und es durchaus Potential für Schwierigkeiten gegeben hätte. Ich kann aber schon einmal vorab mit Stolz sagen, dass alles reibungslos gelaufen ist. Dafür habe ich versucht, alles Wichtige zu bedenken.

Ich packe meine Konzerttasche und nehme mit …

Angefangen mit der Tasche. Meiner Meinung nach ist eine der nervigsten Dinge am Diabetes, dass man so gut wie nie mit einer kleinen Tasche aus dem Haus kann. Während meine Freunde mit Bauchtaschen oder Umhängetaschen in Miniaturgröße das Konzert betraten, wusste ich von Anfang an, dass mir das nicht ausreichen würde. Wir haben insgesamt vier Stunden am Stück unsere Plätze in der ersten Reihe verteidigt, für die ich mich ausstatten musste.

Durch andere Konzerte und Eishockeyspiele kannte ich die Diskussionen bereits, die bei der Security auftreten, wenn man mit einem Rucksack aufschlägt, der größer als ein DIN-A4-Blatt ist. Also bin ich auf die Suche gegangen nach einem Rucksack, der genau diese Größe hat und bin letztlich bei einer Art Seesack gelandet. Da ich schon einiges erlebt habe, machte ich sogar ein Beweisfoto, dass der Rucksack auf den Millimeter genau auf ein Blatt Papier passte. Um es der Security noch ein Stück leichter zu machen, bestellte ich den Rucksack in durchsichtigem Material.

Gefüllt wurde er mit dem Nötigsten:

  • Blutzuckermessgerät (für den Fall, dass wegen der vielen Menschen und deren Gerätschaften der Funk von meinem Sensor ausfallen würde),
  • Wimpernkleber (für die zusätzliche Befestigung des Sensors),
  • zwei unterschiedliche Juice-Packs (wichtig: wiederverschließbar!),
  • eine leere zerdrückte Flasche (für den Fall, dass die Security mir den Saft abnimmt – dann hätte ich mir bei einem Stand noch eine Sprite kaufen und sie in die Flasche umfüllen können , damit ich nicht die ganze Zeit einen Becher an der Backe habe),
  • Traubenzucker (bei DM habe ich Traubenzucker gefunden, bei denen ein Stück zwei Gramm Zucker hat, also ideal, um einen leichten Sinkflug abzufangen)
  • und einen Ersatzkatheter.

Einen zweiten Ersatzkatheter zusammen mit einem neuen Reservoir und frischem Insulin habe ich im Auto gelagert. Das Insulin natürlich in einer Kühltasche. Doppelt gemoppelt hält besser.

Kreative Sensorbefestigung: vom medizinischen Gerät zum Schmuckstück

Der zweite wichtige Punkt auf meiner Liste war der Sensor. Jeder Mensch mit Diabetes mit Sensor am Arm, der schon einmal in einem Club oder einer dichtgedrängten Menschenmasse war, weiß, wie unangenehm es sich anfühlt, wenn ständig jemand am Sensor hängenbleibt. Eine ganz wichtige Vorbereitung war also, zusätzliches Tape aufzukleben. Glücklicherweise fiel mir die Wahl, welches Tape es werden soll, nicht sehr schwer, da ich noch vier Van-Gogh-Gemälde als Dexcom-Tape besaß. Nachdem meine Schwester mir „Mandelblüte“ von Vincent van Gogh auf den Oberarm geklebt hat, habe ich mich vor Freude gar nicht mehr eingekriegt.

Ich hatte nie ein Problem damit, meinen Dexcom-Sensor offen zu tragen, doch an diesem Wochenende war es kein medizinisches Gerät – es war ein Schmuckstück! Da an meiner Haut leider so gut wie nichts klebt, hat mir meine Schwester vor Beginn des Konzerts, als wir bereits vorne in der ersten Reihe standen, noch einmal dick Wimpernkleber nachgelegt (dieser hält wenigstens; die Rückstände vermutlich sogar noch bis zu meiner Hochzeit). Wir wurden dafür ziemlich lustig beäugt.

Damit waren alle vorher zu treffenden Vorkehrungen erledigt und der Rest blieb dem Tag des Konzertes überlassen.

Lieber etwas zu hoch als zu tief: Unterzuckerung unbedingt vermeiden

Die acht Stunden, die wir vor Einlass des Konzertes, teilweise in praller Sonne, teilweise in windigem Schatten verbrachten, stellten die größte Herausforderung dar. Im ersten Moment denkt man vielleicht: „Was soll’s, dann läuft mal ein Tag nicht so gut, besser zu hoch als zu tief“. Grundsätzlich würde ich dem zustimmen, doch leider wird ab einem Blutzuckerwert über 180 mg/dl der Zucker über den Urin ausgeschieden. Was wiederum bedeutet, dass man ständig auf die Toilette muss. Mein eigentlicher Plan war also, den Tag zwischen 160 mg/dl und 190 mg/dl herum zu eiern. Naja, Pläne sind ja im Grunde auch nur dazu da, um umgeworfen zu werden, oder? Bei einem Tag, der zum größten Teil aus Herumsitzen und Essen besteht, hätte ich mir denken können, dass das schwierig wird.

Schon gegen 13 Uhr hatte ich meine 220 mg/dl erreicht. Sehr viel besser sollte es in den nächsten Stunden auch nicht mehr werden. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir uns ausschließlich von Quinoa-Salat, Chips, Prinzenrolle und Pommes ernährt haben. Ein bisschen Spaß muss ja auch sein. Mein Zucker war nicht allzu leicht einzuschätzen. Manchmal kratzte er an der gelben Linie der 180 mg/dl, dann stieg er wiederum ohne erkennbaren Grund. Aber mir ging es dabei gut, also beschwerte ich mich nicht. Als es an den Einlass ging, wollte ich auch nicht mehr groß korrigieren, da ich einen Sturzflug beim Konzert um alles in der Welt vermeiden wollte.

Shout-out an die zuvorkommenden Security-Leute des Mannheimer Zeltfestivals!

Der Security-Mann, der den Inhalt meines Rucksacks musterte, war unglaublich nett. Er wollte einen Blick in den Extra-Beutel mit meinem Messgerät werfen. Ich holte schon zu Erklärung des Inhaltes aus: „Ich bin Diabetiker und …“. Da winkte er bereits breit lächelnd ab und sagte: „Das ist gar kein Problem, wir müssen nur überall einmal reinschauen.“ Ich muss sagen, diese Kontrolle war eine meiner unkompliziertesten. Gegen alle meiner Befürchtungen wurden mir weder meine Saftpackungen noch die leere Flasche abgenommen.

Im Konzertzelt angekommen, wurde es nur noch netter. An der Absperrung zur Bühne stellte ich fest, dass mein Rucksack auf Dauer doch ziemlich schwer wurde, auch wenn sich nur das Nötigste darin befand. Hinter den Absperrungen befinden sich alle paar Meter eine Treppenstufe, damit die Security schneller über die Hürden kommt, falls sie in die Menge hüpfen müssen. Praktischerweise befand sich direkt vor meinem Platz so eine Treppenstufe, also stellte ich meinen Rucksack darauf ab. Keine zwei Minuten später kam ein Security-Mann und bat mich, die Tasche auf den Boden zu stellen. Ich tat dies natürlich, teilte ihm aber mit, dass ich Diabetes habe und eventuell während des Konzertes an die Tasche müsse. Er erwiderte daraufhin, dass das gar kein Problem sei, er würde die ganze Zeit hier herumlaufen, ich solle ihm einfach winken. Damit war ich sehr zufrieden.

Wenig später kam er wieder und sagte mir, es wäre vielleicht doch besser, ich würde meinen Rucksack auf der Stufe abstellen, damit ich nicht von ihm abhängig sei. Während der Wartezeit und dem Auftritt der Vorband kam er noch dreimal vorbei, um zu fragen, ob alles gut sei. Ein wirklich herzlicher Mensch. Viel Liebe geht raus an die Security-Leute des Mannheimer Zeltfestivals! Ich war sehr positiv überrascht, wie nett und hilfsbereit alle dort waren. Ich finde es super anstrengend und unangenehm, immer eine Extrawurst aushandeln zu müssen. Doch bei diesem Konzert hat es sich so mühelos angefühlt, als wäre es völlig normal.

Fabelhafte Konzerterfahrung: Die gute Vorbereitung hatte sich vollends gelohnt!

Nach weiteren zweieinhalb Stunden Wartezeit an unseren Plätzen war es endlich so weit! Die Giant Rooks kamen auf die Bühne und starteten mit ihrem Song „For You“. Was für mich gar nicht in den Kram gepasst hat, war der 280 mg/dl-Wert, der mich von meiner Pumpe aus kritisch beäugte. So viel zu meinem Plan. Naja, man muss ja flexibel bleiben. Der großen Freude geschuldet, habe ich mich glücklicherweise trotzdem beschwerdefrei gefühlt und konnte das Konzert von vorne bis hinten genießen. Ich entschloss mich, kein zusätzliches Insulin zu spritzen, da für die kommenden eineinhalb Stunden noch jede Menge Hopsen angesagt war. Ich kontrollierte häufiger als normal meine Werte, da ich einen rasanten Abfall oder starken Unterzucker unbedingt vermeiden wollte. Schließlich wollte ich dieses tolle Konzert genießen und mich nicht elend fühlen.

Netterweise sank mein Blutzucker sehr gemächlich und völlig entspannt. Zwischendurch verteilte ich an meine Freunde ein paar meiner Traubenzucker. Am Ende des Konzertes kam ich bei schönen 130 mg/dl heraus und hatte selbst keinen einzigen Tropfen oder Bissen meines Backups benötigt. Aber man steckt eben nicht drin. Gute Vorbereitung ist die halbe Miete, wie es in der Realität dann läuft, die andere Hälfte. Auf dem Weg nach Hause erreichte ich dann schließlich doch noch den Unterzucker, aber ich war ja gut ausgestattet. Das viele Tanzen während des Konzertes machte sich auch die gesamte Nacht bemerkbar, denn ich kam gar nicht mehr aus dem Unterzucker heraus.

Trotz der ganzen Arbeit, die ich hatte unternehmen müssen, damit dieser Tag so funktioniert hat, wie er es tat, war es eine fabelhafte Erfahrung und definitiv die Mühen wert gewesen.


Wie sind Deine Erfahrungen bezüglich Konzertabenteuern mit Diabetes? Schreibe sie gerne in die Kommentare! Weitere Berichte über Konzertbesuche mit Diabetes findest Du hier.

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