Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

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Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben | Foto: Dirk Michael Deckbar
Foto: Dirk Michael Deckbar
Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

© privat
Im Interview: Lea Raak

Lea Raak lebt in Kiel und ist 30 Jahre alt. In ihrer Jugend wurde ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert und sie zeigte schon früh Flagge in Sachen Aufklärung, Vernetzung und Engagement: 2014 hat sie angefangen, über ihr Leben mit Diabetes zu bloggen, später wurde sie sehr engagiertes Mitglied der Diabetes-Community Blood Sugar Lounge (#BSLounge), die mittlerweile in den Diabetes-Anker integriert wurde.

In den Jahren 2020 bis 2022 war Lea Raak deutsche Vertreterin des Jugendbotschafter-Programms Young Leaders in Diabetes der Internationalen Diabetes-Föderation (IDF). Hauptberuflich arbeitet an einer Hochschule zu Barrierefreiheit und Inklusionsthemen und setzt sich somit auch hier für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen ein. Im vergangenen Jahr hat sie für ihr aktuelles ehrenamtliches Engagement für den Verein „Blickwinkel Diabetes“ den Thomas-Fuchsberger-Preis erhalten (im Bild oben sieht man sie bei der Preisverleihung).

Diabetes-Anker (DA): Lea, Du bist ja inzwischen eine bekannte Größe in der Diabetes-Community. Was hat sich dadurch in deiner Einstellung zum Diabetes verändert?
Lea Raak: Ich hatte ja schon lange eine ganz gute Einstellung gegenüber der Erkrankung generell oder auch eine große Akzeptanz. Aber ich glaube auch, dass sich das vielleicht noch mal verändert hat und ich natürlich gucken muss, was ich zum Beispiel teile von mir, also auch, wenn ich schlechte Phasen habe usw., weil es einerseits natürlich dann immer Leute kommentieren wollen, auch wenn man eigentlich gar keine Ratschläge sucht, und auf der anderen Seite, weil ich natürlich nicht möchte, dass ich aus Versehen Leute dazu verlocke, bestimmte Dinge zu tun, die ich vielleicht tue, die für MEIN Management funktionieren, aber für das anderer vielleicht nicht – weißt du, diese individuelle Ebene.

Mir ist da ganz wichtig – und das habe ich früher nicht so viel gemacht –, immer wieder zu sagen, dass Diabetes ja eine sehr individuelle Erkrankung ist und da eben geguckt werden muss, was zu einem selber passt und zum Lebensumfeld und das eben immer mit Ärzt*innen abgesprochen werden muss und so weiter. Ich glaube, das hat sich schon verändert, also, dass mir das einfach noch mal bewusster geworden ist.

DA: Also könnte man sagen, dass einfach dadurch, dass du in der Öffentlichkeit so präsent bist, du auch viel strukturierter noch an das rangehst, was du an Informationen an andere weitergibst?
Raak:
Ja, auf jeden Fall. Ich lese mir auch immer alles dreimal durch, einfach weil es mir so wichtig ist, dass daraus nicht aus Versehen Fehlinformationen entstehen können. Und tatsächlich hatte ich es eben auch schon mal, dass ich eine Zeitlang meine Werte außerhalb des Zielbereichs gepostet habe. Und dann hat sich eine Person eingeschaltet hat, die zu mir meinte, vielleicht sollte ich mich eher auf meinen Diabetes konzentrieren, als Aufklärungsarbeit zu machen. Solche Kommentare gibt es dann eben auch, die natürlich eher ein bisschen unmotivierend sind.

DA: Wie hast du da reagiert?
Raak: Ich habe gesagt, dass ich ja nur einen ganz kleinen Fitzel aus meinem ganzen Alltag teile und auch nur einen ganz kleinen Fokus mal auf einen Blutzucker lege und dass ja die Person gar nicht weiß, wie meine Lebensrealität ist und warum der Blutzucker da aus dem Zielbereich geschossen ist. Ich finde es generell schwierig, wenn man die Blutzuckerwerte oder Glukosewerte von anderen Menschen so kommentiert.


„Ich fand vor allem das erste Jahr eine große Herausforderung.“


DA: Guckst du für das, was du postest, noch medizinische Dinge in Lehrbüchern oder so nach?
Raak: Das mache ich heute selten, aber ich mache es schon. Vor allem nutze ich ein Buch über Psychodiabetologie als E-Book. Und da schaue ich manchmal nach. Oder ich gucke mir Studien an und gebe sie bei Bedarf mit an. Ich finde es generell auch spannend, medizinische Studien zu lesen. Generell auf Diabetes bezogen versuche ich, dieses Wissenschaftliche ein bisschen alltagstauglicher zu machen.

DA: Als du vor 13 Jahren Diabetes bekamst, ging es dir ziemlich schlecht, weil die Diagnose erst sehr spät gestellt wurde. Was für Gedanken hast du dir damals über dein weiteres Leben gemacht?
Raak:
Damals wusste ich natürlich am Anfang gar nicht, was das ist. Und dann, als ich wusste, dass es Diabetes ist, also im Prinzip etwas, womit ich (über)leben kann, war ich im ersten Augenblick erst mal erleichtert. Aber dann kamen natürlich die Fragen: Kann ich meinen Alltag ganz genau so weiterführen? Wie ist das mit dem Essen und Spritzen? Ich fand vor allem das erste Jahr eine große Herausforderung, auch gerade, wenn man mal essen gegangen ist. Ich hatte immer meine Waage dabei, um das Essen ganz genau abzuwiegen. Ich war auch relativ lange in der Honeymoon-Phase und das war am Anfang so, dass mein Blutzucker immer sehr stark geschwankt ist, weil ich noch ein bisschen Restinsulin produziert habe, und das war sehr unberechenbar. Das hat mir auch ein bisschen Angst gemacht damals.

DA: Du hattest also schon Sorgen, wie dein Leben weitergehen wird?
Raak:
Auf jeden Fall, ja.

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DA: Wann hat sich das gedreht? Oder hat sich das nie wirklich gedreht?
Raak:
Doch! Ich muss sagen, ich mache mir jetzt relativ wenig Sorgen über die Zukunft, auf jeden Fall, was Diabetes angeht, weil ich immer denke, ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt. Das ist generell mein Lebensmotto. Aber damals war ich wahrscheinlich schon ein bisschen ängstlicher, einfach, weil ich ja nicht wusste, was auf mich zukommt.

Und jetzt? Ja, wann hat sich das geändert? Ich glaube, vor allem nachdem ich mehr im Austausch mit der Diabetes-Community war. So drei bis vier Jahre nach der Diagnose, als auch die Honeymoon-Phase zu Ende war und es dann auch die ersten Sensoren gab, die man sich zwar noch selber kaufen musste, aber wo ich auch meine Blutzuckerkurven oder Glukosekurven besser gesehen habe, ich glaube, da hat sich schon noch mal einiges verändert. Die Akzeptanz war auch einfach mehr da. Und ich wusste besser, wie sich bestimmte Dinge auf meinen Diabetes auswirken, als vorher.

DA: Im Prinzip die größere Transparenz gegenüber dem Diabetes, die hat dir geholfen?
Raak:
Genau, ja, auf jeden Fall.

DA: Du hast gesagt, du bist am Anfang mit Waage essen gegangen. Gab es da lustige Situationen?
Raak:
Ich weiß, einmal, das war, glaube ich, tatsächlich mein erster Restaurantbesuch, mit meiner Tante und meiner Mutter, da habe ich eine große Kartoffel gehabt, und ich hatte die Waage zwar dabei, habe mich aber nicht getraut. Dann habe ich den Koch gefragt, ob er mir die Kartoffel noch mal abwiegen kann. Er ist dann mit meinem Teller zurück in die Küche gegangen, hat es mir abgewogen und mir dann gesagt. Mir war das ein bisschen peinlich, aber im Endeffekt hat der Koch auch total nett reagiert. Dann habe ich das auch öfter gemacht, aber innerhalb des ersten Jahres hat das aufgehört, weil ich gelernt habe, alles mit dem Auge zu schätzen.


„Meine Familie und meine Freund*innen haben mich immer unterstützt und auch gerade nach der Diagnose, wo es mir auch psychisch noch schlecht ging.“


DA: Hast du dann erklärt, warum du es machst, oder hast du es einfach erbeten?
Raak:
Nein, ich habe schon gesagt, ich habe frisch diagnostiziert Typ-1-Diabetes und ich muss die Kohlenhydratmenge berechnen und so weiter. Dann war das Verständnis auch da.

DA: Sehr gut! Was und wer hat dir besonders geholfen, mit dem Diabetes ein aktives Leben zu führen?
Raak:
Meine Familie und meine Freund*innen, weil die mich einfach immer unterstützt haben und auch gerade nach der Diagnose, wo es mir auch psychisch noch schlecht ging. Immer, wenn ich was Neues ausprobiert habe, waren sie eigentlich immer mit dabei, sei es die erste Fahrradtour mit Diabetes oder schwimmen gehen mit Diabetes. Sie haben mich immer unterstützt, sodass ich das auch nicht alleine machen musste. Dann hat man ja auch weniger Angst und traut sich mehr Dinge zu.

DA: Du hast jetzt nur, ich sag mal, medizinische Laien als Unterstützung erwähnt. Wie war das mit Ärztinnen und Ärzten und Diabetesteams?
Raak:
Ich habe tatsächlich schon auch immer gute Diabetolog*innen gehabt. Am Anfang war ich ja noch in der Kinder- und Jugendstation, weil ich mit 17 Jahren Diabetes bekommen habe. Da durfte ich auch bleiben, bis ich 20 war und dann zum Studieren weggezogen bin. Die haben mich am Anfang natürlich auch gut unterstützt.

DA: Wo war das?
Raak:
Das war in Lübeck, im UKSH, also Uniklinikum. Das Team war gut aufgestellt. Sie hatten auch eine Diabetespsychologin mit dabei und Ernährungsberatung und so weiter. Da habe ich mich immer sehr wohl gefühlt, aber mit denen habe ich eher das Theoretische abgesprochen, das Praktische folgt ja dann eher auf eigene Faust. Da konnten sie mich dann nicht so gut begleiten. Aber das hat auch gut geklappt.

DA: War das das Team von Simone von Sengbusch?
Raak:
Ja, genau. Da war ich in den besten Händen. Simone hatte mich zwar nicht an sich behandelt, aber sie hatte immer Tipps, wenn man gefragt hat. Aber das war das Team.


„Anfangs habe ich mit Pen gespritzt und bin nach drei Jahren auf die Omnipod-Pumpe umgestiegen.“


DA: Heute bist du wahrscheinlich bei einem niedergelassenen Diabetologen oder einer niedergelassenen Diabetologin?
Raak:
Genau, bei einem Diabetologen, Dr. Nolte aus dem Diabetologikum in Kiel. Da bin ich jetzt auch schon, ich glaube 8, 9 Jahre, auf jeden Fall schon ziemlich lange und ich bin auch sehr, sehr, sehr zufrieden. Also ich empfehle diese Praxis auch immer weiter, also speziell Dr. Nolte. Der bezieht mich einfach in allem ein. Er sieht mich als Expertin für meinen Körper. Das ist mir auch wichtig, dass wir da gemeinsam schauen. Er unterstützt auch immer alles, was ich so mache. Und wenn ich mal medizinische Fragen habe, dann würde ich auch ihm als Erstes schreiben.

DA: Welche Therapiearten hast du seit deiner Diagnose durchgeführt?
Raak:
Anfangs habe ich mit Pen gespritzt und bin nach drei Jahren auf die Omnipod-Pumpe umgestiegen. Und die hatte ich auch durchgehend, im August war Jubiläum – zehn Jahre Omnipod. Aber tatsächlich habe ich zwischendurch, weil es mir zu lange gedauert hat, bis die Omnipod 5 rauskam, auch einen DIY-Loop benutzt. Bei einer Schlauchpumpe war ich tatsächlich noch nie.

DA: Das heißt, du bist jetzt weiter beim Omnipod?
Raak:
Genau, jetzt bin ich beim Omnipod 5.

DA: Mit welchem Sensor in Kombi?
Raak:
Mit dem Dexcom G6.

DA: Okay, und dann der Control-IQ oben drauf?
Raak:
Genau.

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DA: Also die modernste Form. Seit wann nutzt du das AID-System?
Raak:
Ich durfte das vorab testen und das war vor einem Jahr, also im August. Fest bekommen habe ich es im November 2023.

DA: Wo liegst du mit deiner Time in Range im Durchschnitt?
Raak:
Das ist unterschiedlich. Tatsächlich hat das auch damit zu tun, ob ich gerade einen Schub habe von einer meiner anderen Erkrankungen oder nicht. Wenn ich den nicht habe, kann ich mich mehr bewegen und etwas Sport machen und so weiter. Dann bin ich so zwischen 85 und 95 Prozent Time in Range tatsächlich, aber auch mit viel Arbeit dahinter – das darf man ja nicht unerwähnt lassen. Aber wenn ich einen Schub habe – das hat mit Diabetes an sich nichts zu tun – dann sind meine Muskeln schwach, dann bin ich ganz erschöpft, dann kann ich das Bett manchmal nicht verlassen. Und dann ist die Insulinsensitivität natürlich auch nicht so da. Dann würde ich sagen, bin ich auch mal eher so im Bereich von 65 bis 70 Prozent, was ja trotzdem noch super ist, aber natürlich schon ein starker Abfall von den gewohnten Werten.

Aber ich muss auch sagen, ich bin, und das war ich auch schon immer, sehr, sehr diszipliniert, also, dass ich zum Beispiel meistens nicht esse, wenn der Blutzucker über 180 mg/dl (10,0 mmol/l; Anm. d. Red.) ist, und sowas. Das müssen alle für sich selber wissen, aber ich versuche, da schon dann sehr penibel zu sein. Aber natürlich esse ich trotzdem ganz normal alle möglichen Kohlenhydrate und schränke mich da nicht ein.


„Vernetzung über die sozialen Medien hat mir von Anfang an schon viel geholfen.“


DA: Genau das wollte ich nämlich fragen jetzt: Wenn du sagst, du isst nicht, wenn die Werte über 180 mg/dl (10,0 mmol/l) sind, musstest du dir dann schon irgendwie mal was richtig versagen oder auf einer Feier oder so dann sagen: „Oh, leckere Sachen, aber ich esse jetzt nichts.“?
Raak:
Ich denke schon, dass das vorkam. Ich war jetzt zum Beispiel am Wochenende bei einer Veranstaltung eines Museums, da gab es Kuchen und mein Blutzucker war leider bei 270 mg/dl (15 mmol/l; Anm. d. Red.). Dann habe ich keinen Kuchen gegessen – also ja, manchmal kommt das schon vor. Das ist halt auch so was, das ich nicht unbedingt immer teile bei Social Media. Für mich passt das mit meinem Essverhalten, aber das Essverhalten mit Diabetes ist generell immer ein sehr schwieriges Thema. Und da folgen ja auch gerade viele jüngere Leute und das teile ich eben nicht unbedingt, damit die Leute sich da nicht was abgucken, was ihnen nicht guttut.

DA: Wenn du erst heute Diabetes bekämst, wie würdest du dir heute den Start in das Leben damit wünschen?
Raak:
Ich glaube, dass es heutzutage schon mal einfacher ist, weil es die Sensoren gibt, und das hätte ich mir damals eben auch schon gewünscht. Ich musste natürlich auch nicht besonders lange darauf warten. Das ist was, wo ich denke, dass es mir den Start schon vereinfacht hätte. Und generell natürlich auch, dass es diese Community gibt, dass es jetzt den Diabetes-Anker gibt, das Diabetes-Journal gab es natürlich damals auch schon. Aber auch noch mal diese Vernetzung über die sozialen Medien, ich glaube, das hat mir von Anfang an schon viel geholfen. Da bin ich aber auch erst später drauf gestoßen. Ich habe das Gefühl, dass das jetzt eher gängiger ist, dass man sich denkt: „Oh, ich bin bei Instagram. Dann gucke ich doch mal, was Leute über Diabetes posten.“ Ich glaube, das hätte ich schon gut gefunden.

DA: Wie hattest du den Weg in die Community dann gefunden nach den drei bis vier
Jahren? Das hast du noch gar nicht erwähnt.
Raak:
Tatsächlich über diese riesige Facebook-Gruppe, die es damals gab, „Diabetes Typ 1“ hieß die, glaube ich, einfach. Ich weiß auch gar nicht mehr genau, wie ich darauf gekommen bin. Es kann sogar sein, dass mein Diabetesteam das damals empfohlen hat. Und dann bin ich auch beim Camp D, das muss 2014 gewesen sein, mitgefahren. Da habe ich erst so richtig diesen Anschluss mitbekommen.

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DA: Also über das virtuelle ins reale Community-Leben gekommen, sozusagen…
Raak:
Genau. Und erst beim Camp D ist mir so richtig klar geworden: Das haben doch wirklich ganz schön viele Leute. Und die Leben auch alle irgendwie damit. Damals hatte ich auch noch mehr Angst vor Unterzuckerungen, Hypo-Angst habe ich das immer genannt. Das hat mir auch ganz viel weitergeholfen, dass da ganz viele Leute waren, die dann einfach sagten: „Ich bin gerade bei 50 (mg/dl; 2,8 mmol/l; Anm. d. Red.)“ oder so und die dann noch so fröhlich rumsprangen. Das hat mir so ein bisschen die Scheu genommen, glaube ich.

DA: Es gibt ja immer noch viele Mythen und Vorurteile im Zusammenhang mit Diabetes, egal ob jetzt Typ 1, Typ 2, Typ 3. Glaubst du, wir alle zusammen werden es irgendwann schaffen, diese Mythen und Vorurteile aus den Köpfen der Menschen verschwinden zu lassen?
Raak:
Ich hoffe doch sehr. Ich finde auch, innerhalb der Community ist es auch noch mal wichtig, eben diesen Zusammenhalt noch mal immer stärker darzustellen, dass wir uns eben nicht abgrenzen sollten von Typ 2 oder Typ 3 oder wie auch immer, sondern dass wir das, wenn, nur alle zusammen schaffen. Ich denke und ich habe auch das Gefühl, dass in diesen letzten 13 Jahren, wo ich Diabetes hatte, mehr und mehr Menschen Diabetes kennen und auch den Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 – aber da dann immer wieder in dieses Fettnäpfchen treten und mir sagen: „Ja, du hast ja den schlimmen Diabetes.“

Ich hoffe, dass es irgendwann nicht mehr so gegeneinander ausgespielt wird. Ich bin ganz hoffnungsvoll und positiv, dass wir das schon noch schaffen. Vielleicht nicht alle Vorteile, aber diese gängigen mit „das hast du doch nur von zu viel Zucker“ und so weiter. Ich hoffe, da sind wir bald ein bisschen weiter.


„Mir ist ganz wichtig, dass auch noch viel mehr zum Thema Diabetes und Psyche gemacht wird.“


DA: Was erwartest du von der Diabetes-Welt, egal, ob das jetzt Menschen aus der
Community sind, der Therapie oder der Forschung, für die Zukunft?
Raak:
Mir ist ganz wichtig, dass auch noch viel mehr zum Thema Diabetes und Psyche gemacht wird. Teilweise ist einfach nicht die Zeit da, für die Diabetesteams, um ihre Patientinnen entsprechend zu behandeln. Da würde ich mir von der Gesundheitsversorgung generell wünschen, dass da mehr Zeit wäre, um auch über solche Themen zu sprechen, weil sich natürlich auch die Psyche und, wie das Leben gerade so spielt, sich ja immens auswirkt auf die Blutzuckerwerte.

Und ich würde mir da noch mehr wünschen – und auch, dass die Wissenschaft noch mehr versucht, all das Wissen, das sie so generieren, mehr in der Diabeteswelt zu teilen, so dass alle das verstehen. Da gibt es natürlich sehr tolle Projekte, aber ich finde, diese Bildung, die Menschen mit Diabetes über ihre Erkrankungen genießen können, das könnte auch noch mehr sein. Aber ich weiß auch nicht, wie man das gut umsetzt. Das ist natürlich auch schwierig, aber wenn ich bei „Wünsch dir was“ wäre, dann würde ich mir das wünschen.

DA: Du hast eben schon gesagt, wie man es wirklich umsetzen könnte, ist schwierig. Du würdest also sagen, dass die Schulung als solche nicht ausreichend ist, um all das Wissen, das sinnvoll ist für Menschen mit Diabetes, rüberzubringen? Also, da fehlt einfach noch was, oder?
Raak:
Ja, ich finde, gerade zur Psyche fehlt was. Aber viele haben ja die Schulung direkt nach der Diagnose – und dann, dass es noch mal eine spezielle Schulung gäbe vielleicht nur zur Psyche. Ich weiß, dass es das teilweise auch gibt, aber ich habe auch das Gefühl, dass die Versorgung in den Praxen und Krankenhäusern usw. teilweise sehr unterschiedlich ist. Wenn ich so erzähle, was ich bei der Diagnose alles mitbekommen habe, in der Schulung und so weiter, und dann andere erzählen, sind das manchmal echt große Unterschiede. Ich würde mir auch da wünschen, dass diese Versorgungslücken sich auch noch bessern könnten.

DA: Sodass also eine stärkere Vereinheitlichung des vermittelten Wissens stattfinden kann?
Raak:
Genau, das fände ich gut. Denn in dieser Facebook-Gruppe schreiben zum Beispiel manchmal Leute, die noch nie von Ketonen oder sowas gehört haben, was ich als Grundwissen sehen würde und was die einfach nicht mitbekommen haben. Es gibt ja schon die Qualitätssiegel für Diabetolog*innen und so weiter, aber es scheint ja trotzdem noch ein Problem zu sein. Wie ich das jetzt beheben würde, wüsste ich auch nicht. Vielleicht müsste eine Person dazu forschen und in ganz Deutschland Menschen mit Diabetes befragen und dann einen Zensus aufstellen.

DA: Vielen Dank, Lea, für das Gespräch!



Interview: Dr. Katrin Kraatz, Diabetes-Anker-Chefredakteurin

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