Manchmal bekomme ich Panik – Wieso meine Krankheit mir Angst macht!

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Manchmal bekomme ich Panik – Wieso meine Krankheit mir Angst macht!

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Manchmal macht mir meine Krankheit Angst. Keine Zukunftsangst – nein, mehr so Situations-bedingte Angst. Ich bekomme jetzt aber keine Panik Attacken oder so und fange auch nicht an, wie eine „Wilde“ durch meine Wohnung zu laufen. Keine Sorge. Es sind eben die Kleinigkeiten, die wirklich heimtückischen Sachen, die so der Diabetes mit sich bringt, die manchmal eine gewisse Unruhe in mir erzeugen.

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Vielleicht findet sich ja der eine oder andere wieder bei den Sachen, die mir manchmal einen kleinen großen Schreck einjagen. 😉 Durch was diese „leichte“ Panik in mir auftritt und wie ich versuche, sie zu „bekämpfen“, das zähle ich euch jetzt einmal auf:

a.) Zu hohe Blutzucker Werte, über einen langen Zeitraum = evtl. Ketone = „lebendiger Zombie“

Ich musste es zum Glück erst einmal während meiner Diabetes Laufbahn erleben, wie es ist, Ketone zu haben und sich auch dementsprechend zu fühlen. Wobei man sich auch wirklich schrecklich fühlen kann, wenn man (zum Glück) keine Ketone aufweist. So etwas passiert natürlich häufig bei zu hohen Blutzucker Werten, die wir alle mal haben/haben werden, egal wie zielstrebig wir auch sind. Das kann ja auch schon durch eine verstopfte Nadel, Krankheit… usw. verursacht werden.

Und wenn dann leider mal wieder so ein Tag ist, wo einen der Blutzucker schon seit Stunden vom „Alltag“ abhält, dann „mutiere“ ich manchmal zum Zombie. Das ist natürlich spaßig ausgedrückt, aber ich komme mir dann so vor. 😉 Wenn meine Blutzucker Werte extrem hoch sind, dann merke ich das auch irgendwann. Erst kann ich mich nicht mehr konzentrieren, dann bekomme ich Kopfschmerzen, dann werde ich ganz schwach und schläfrig und wenn es ganz heftig ist, wird mir schlecht. Oh ja, so richtig schlecht. Spätestens dann sollte man auf die Idee kommen, mal den Blutzucker zu checken.

Eine Magen Darm Grippe kann zwar auch schnell kommen, aber die hohen Blutzucker Werte sind meist genauso gemein. Natürlich versuche ich dann zu trinken, zu trinken und nochmals zu trinken. Doch ganz ehrlich, jeder, der dieses Szenario schon einmal durchgemacht hat, weiß, dass man einfach gar nichts machen möchte. Man möchte in Ruhe gelassen werden und will nur noch schlafen. Das geht dann aber nicht, wegen der Werte, und man muss trinken.

Aber dann ist einem so schlecht und von der Liege-Position aufzustehen, ist sowieso eine ganz doofe Idee. Der Körper ist so damit beschäftigt, die Blutzucker Werte gut auszugleichen, sodass es passieren kann, dass sich alles anfängt zu drehen, wenn man aufsteht. Das Ende vom Lied, man vegetiert nur noch so vor sich hin wie ein Zombie, braucht gefühlte 100 Minuten, um auch nur ein Glas Wasser zu trinken (und es möglichst in sich zu behalten). Man hofft nur noch, dass endlich dieses Insulin, das Wasser oder sonst etwas wirkt und die Blutzucker Werte sich wieder absenken.

Wenn ich dazu auch noch alleine bin, bekomme ich manchmal ein wenig Panik

Das wäre also Situation eins, bei der mir im Nachhinein meist immer erst auffällt, wie hilflos man doch ist und wie sehr die Blutzucker Werte eine Person unter Kontrolle haben. Man wird innerhalb von Stunden von dem glücklichen, energievollen Bündel Mensch zum evtl. jammernden, energielosen Zombie. Der nur noch eins will: raus aus dieser Situation.

Da bekomme ich manchmal ein wenig Panik, wenn ich alleine bin. Sei es alleine in der WG, alleine auf einer langen Zugfahrt oder sonst noch irgendwo, eben alleine. Wenn man alleine ist, weiß man, dass man sich keinen Fehler erlauben darf, man darf nicht einfach einschlafen und man muss sich selbst das Wasser aus der Küche holen. Da ist dann leider niemand, der einem gute Worte zuspricht, um einen in einer Art und Weise abzulenken. Man muss da alleine durch und das am besten mit Kontrolle.

Man schafft das, natürlich – keine Frage, doch, ja, genau diese Situation kann mir eine leichte Panik verschaffen, weil der ganze Druck auf einem selbst lastet. Als wäre dein Körper nicht schon beschäftigt genug damit, die Situation „zu bereinigen“, muss man sich auch noch selbst darauf konzentrieren, immer schön das Wasser zu trinken und regelmäßig zu messen. Einen klaren Kopf behalten und sich regelmäßig eine Erinnerung stellen, die ans Trinken und Messen erinnert, hilft enorm.

 

b.) Die Achterbahnfahrt von hohen Blutzucker Werten zu → niedrigen Werten, innerhalb von Stunden

Passend zu der obigen Blutzucker Situation gibt es auch noch diese hier. Man hat einen hohen Blutzucker Wert, es geht einem aber soweit noch gut. Die Stunden vergehen, der Wert stagniert, er geht weder runter noch hoch, er bleibt da hängen, wo er ist. Man bolt artig seine vorgeschriebene Korrektur, nichts passiert. Man wird unruhig, kontrolliert Kanüle, Schläuche… findet aber keinen Fehler.

Doch plötzlich passiert dann etwas: Der Wert ist gesunken. Ja, auf einmal ist der Wert sogar fast perfekt und im grünen Bereich. Man freut sich sehr und stellt dann mit Schrecken fest: „Ups, zwischen dem letzten hohen Wert und diesem perfekten Blutzucker Wert hier liegen gerade mal 45 Minuten. Mist!“ Schnell rechnet man aus (oder liest es vom Messgerät ab), wie viel Insulin noch aktiv ist. → Oh Schreck, noch ganz schön viel, dann mal lieber anfangen mit der Gegenregulation = essen/trinken.

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Man isst und freut sich … noch, denn man denkt, man isst jetzt einfach so viel dagegen an, da kann der Wert nur gut bleiben und nicht weiter fallen. Vielleicht senkt man sogar noch die Basalrate für eine gewisse

Zeit ab. Man fühlt sich gut und glücklich, dass die Werte wieder da sind, wo sie sein sollen.

Weitere 30 Minuten vergehen, man hat vielleicht kalte Finger und misst noch einmal den Blutzucker Wert, damit er auch bloß nicht wieder hochgeht. Dann zeigt das Messgerät einen Wert an, der kurz vor einer Hypoglykämie ist. Mist! – Also trinkt oder isst man mehr, jetzt gezielt Sachen, die schnell gegen eine Hypo wirken.

15 Minuten später = Hypo. „Na, ganz toll… immer schön weiter essen/trinken“, denkt man sich. Doch so langsam macht das alles keinen Spaß mehr. Der Kuchen war zwar lecker und auch der Apfelsaft einsame Spitze, aber man ist voll, satt und will nicht mehr essen oder trinken. Das Hypo Gefühl nervt und außerdem hat man mit dem vollen Magen und dem schnellen Blutzucker Abfall irgendwie das Gefühl, man ist kaputt. Kaputt vom Essen und müde von der Blutzucker Achterbahn. Geschlagene 15 Minuten später ist die Hypo noch einmal weiter gefallen, zwar nur um wenige Stellen (z.B. von 54 mg/dl auf 50 mg/dl; 3,0 mmol/l auf 2,8 mmol/l), aber mittlerweile sind wir schon im kritischen Hypo Bereich angekommen, bei dem einem eine Hypo zu schaffen macht.

Ein Gefühl des „Kontrollverlusts“ macht sich kurz breit

Klar, Ende gut, alles gut, der Wert steigt auch wieder, wenn man rechtzeitig etwas unternimmt und dagegen anisst/-trinkt. Jedoch wird hier aus dieser Blutzucker Achterbahn Fahrt mal schnell eine Fahrt, die eine leichte Panik beschert. So schön und schnell die Abfahrt auch war, umso schwerer wird es dann, wenn man immer weiter nach unten „fährt“, wobei man schon längst keine Lust mehr darauf hat. Auch hier entsteht die „leichte“ Panik wieder, weil man so schnell einen gewissen „Kontrollverlust“ merkt. Erst zu hoch, dann perfekt und dann geht’s immer weiter bergab und man isst und trinkt und der Blutzuckerwert geht nicht dahin, wo man ihn haben will.

c.) Die „Dauer Hypoglykämie“

Das ist fast dieselbe Situation wie bei b.), jedoch lassen wir hier die Achterbahn Fahrt vorab weg und starten direkt mit den tiefen Blutzucker Werten, die man meist auch deutlich merkt (sei es durch zitternde, kalte Hände). Hier kann man natürlich genauso schnell in den „Panik Modus“ verfallen, wenn man nach den ersten drei Hypos merkt, da passiert einfach nix. Auch wenn die Hypo stagniert, das Gefühl ist super doof und man fühlt sich ein wenig veräppelt.

Auf dem Schrank neben einem stapeln sich schon das Traubenzucker Papier, die Bananen Schalen oder die leeren Trink Päckchen und es passiert einfach nichts. Von dem Ganzen Durcheinanderessen/- trinken wird die Stimmung nicht gerade besser, denn so wirklich gut schmecken tut das, was man in dem Moment (vielleicht) in sich hinein „stopft“ auch nicht. Doch auch hier ist „Augen zu und durch!“ angesagt.

Am besten man sucht sich etwas, auf das man noch einigermaßen Lust hat, damit man sich nicht so quälen muss, und lässt das Papier/die Verpackung(en) so lange neben sich liegen, bis die Werte wieder im Normalbereich sind. Damit man im Nachhinein nachrechnen kann, wie viele BE/KE denn jetzt überhaupt in einem verschwunden sind, um möglicherweise die Blutzucker Werte besser kontrollieren zu können.

d.) Nachts alleine, irgendwo im Nirgendwo

Diese Situation soll nicht meine nächtlichen „Ich bin in den falschen Bus gestiegen und weiß jetzt gar nicht, wo ich ankomme-Geschichte“ erzählen, nein, es geht ja schließlich um den Diabetes und nicht meinen Koordinierungs- und Orientierungssinn. ☺

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Mit der Situation ist mehr gemeint, ich übernachte evtl. nach einer Party (auf der ich niemanden so wirklich kannte), mein Blutzucker ist zwar gut, aber er könnte über Nacht noch fallen. Und man liegt da so und macht sich Gedanken, was jetzt mit dem Wert passiert. Alle um einen herum schlafen vielleicht schon, oder man ist in einem Hostel ganz alleine, mit sieben anderen Personen, die alle von nirgendwo stammen. Vielleicht sprechen manche noch nicht mal deine Sprache.

Dann fängt man an, sich Gedanken zu machen. Wobei eigentlich alles so perfekt sein könnte, weil der Blutzucker Wert ja gut ist und es einem prima geht. Aber ich bin, was diese Situation angeht, immer ein kleiner „Panikmacher“. Ich bin auch bei der besten Vorbereitung mit Saft und Snacks am Bett, mit Spitzen Wert und sogar gesenkter Basalrate (→ sodass es nur gut gehen kann) trotzdem noch irgendwie nervös.

Um mich herum kenne ich vielleicht niemanden, oder ich schlafe irgendwo alleine, niemand weiß, was ich habe (ihr erzählt ja nicht jeden Rezeptionisten, dass ihr in Zimmer 127 Diabetes habt :D). Da liegt man dann also, vorbei ist der Schlaf, vorbei ist die innerliche Ruhe und Freude. Panik macht sich breit und man fragt sich: „Was wäre wenn? Was ist, wenn dieses und jenes passiert? Und was ist, wenn es heute nicht gut geht?“

Beim Nachdanken wird man nicht unbedingt gewillter zu schlafen, geschweige denn müder

Wirklich, dieses ganze darüber Nachdenken ist eigentlich nicht schlecht, doch man wird davon nicht unbedingt gewillter zu schlafen, geschweige denn müder. Diese ganzen Fragen, welche im Kopf herum schwirren, sind genauso schwer wegzudenken, wie wenn man sich kurz vor dem Einschlafen fragt, „wie man denn eigentlich genau einschläft“ (mein Tipp: macht das bloß niemals vor dem Schlafen, euch eine Antwort für diese Frage auszudenken. ;-)). Im Endeffekt handelt man super, man überlegt und versucht, sich erstklassig vorzubereiten, doch die Schlafzeit wird davon nicht länger.

Mein Tipp: Wecker über Nacht stellen und noch einmal zur Kontrolle messen. So könnt ihr sicherer sein, dass der Wert nicht unkontrolliert fällt. Anderer Tipp, teilt Familie oder Freunden mit, wo ihr seid (Hostel Name, Aufenthaltsort) und bittet sie, euch am Morgen einmal anzuklingeln. Sodass sie wissen, es geht einem gut, wenn man an das klingelnde Telefon geht. Zur Not kann im Hotel, Hostel… oder bei WG Mitbewohnern angerufen werden, falls man keine Rückmeldung bekommt. Hilfe ist immer besser, als alleine dazustehen. Und seien wir mal ehrlich, Familie und Freunde wollen ja eigentlich immer helfen und finden es bestimmt gut, wenn man sie einfach über die aktuelle Situation informiert.

„Pseudo-Zombie“, Angsthase oder kleinen Panik-Macher

So, das war’s → man, da habe ich euch aber wieder einen ganz schönen Roman geschrieben. Ich hoffe ja, dass ich nicht der einzige Diabetiker auf dieser Welt bin, der manchmal zum „Pseudo-Zombie“, Angsthase oder kleinen Panik-Macher mutiert. Wenn es einem oder euch da draußen genauso oder ähnlich geht, dann schreibt mir das gerne. Ich freue mich auf eure Kommentare und auf eure Situationen, in denen ihr manchmal Angst/eine „leichte“ Panik bekommt, weil der Diabetes wieder irgendetwas mit euch angestellt hat.

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