Mein Diabetes macht ohne mich Urlaub – die Auswirkungen Italiens auf meinen Blutzucker

3 Minuten

Community-Beitrag
Mein Diabetes macht ohne mich Urlaub – die Auswirkungen Italiens auf meinen Blutzucker

Pizza, Pasta, Gelato sind eine wahre Herausforderung für jeden Insulinjunkie. Aber was ist, wenn der Diabetes sich einfach mal selbst eine Auszeit nimmt? Meine beruflichen Aufenthalte in Italien nutzt mein Zuckermonster, um mal ordentlich zu entspannen. Der Insulinbedarf sinkt, der Blutzucker steigt kaum an und auch Unterzuckerungen sind selten. Seit Jahren versuchen mein Diabetologe und ich, dieses Rätsel zu lösen. Hier unsere Ideen…

Meine ersten Tage in Italien

2007 war ich das erste Mal für mein Auslandssemester in Italien. Seit 2013 arbeite ich regelmäßig dort in Archiven und Bibliotheken, um für meine Doktorarbeit zu recherchieren. Ich bin immer ein bis zwei Monate in Florenz und kann jedes Mal denselben Effekt feststellen: Während ich arbeite, macht mein Diabetes Urlaub. In den ersten zehn Tagen schraube ich meine Basalrate beinahe täglich runter. Den Effekt kann ich auch an wärmeren Tagen in Deutschland beobachten, da das Insulin dann bei mir besser wirkt. Normalerweise gibt mir meine Pumpe über den Tag verteilt 28 Einheiten. Meine italienische Basalrate liegt bei 23 Einheiten. Als Erstes muss ich immer meinen morgendlichen BE-Faktor von 1,5 auf 1 korrigieren. Die anderen Faktoren benötigen etwa zwei Wochen toskanische Sonne, bis auch diese um 0,5 gesenkt werden müssen. Nach etwa einer Woche liegt mein Morgenblutzucker nüchtern bei entspannten 80-100 mg/dl (4,4-5,5 mmol/l).

Böses italienisches Essen?

In Deutschland meide ich Weißmehlprodukte wie Pizza und Pasta. Es geht immer schief. In Italien würde ich verhungern, wenn ich dort versuchen würde, diesen Lebensmitteln aus dem Weg zu gehen. Nun ja, und dem wundervollen, italienischen Eis möchte ich auch gar nicht ausweichen. Diese kulinarischen Köstlichkeiten bleiben auch weiterhin eine Herausforderung, aber dennoch ist irgendetwas anders. Viele kennen die Experimente um die Bolusgabe für Pizza. Die italienische Pizza ist meist mit frischem Mozzarella und einem sehr dünnen Boden gemacht. Das ist der wohl deutlichste Unterschied zur deutschen Pizza mit Gouda, der schnell mal einen doppelt so hohen Fettgehalt hat wie die italienische weiße Käsekugel. Zusätzlich wird viel Wert auf frische Produkte aus der Region gelegt, die eine hohe Qualität haben – keine Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, zusätzliche versteckte Kohlenhydrate oder unnötiger Zucker. Da darf der Diabetes sich entspannt zurücklehnen und der aufgeteilte Bolus kann sich mit der Pizza beschäftigen.

Warum macht mein Diabetes Urlaub?

Der Käse allein macht nicht den Unterschied und ich esse ja nicht nur die ganze Zeit Pizza. Arbeite ich in der Nationalbibliothek in Florenz, gönne ich mir jeden Mittag ein Panino auf der nächsten Piazza und runde das Essen mit einem Cappuccino und einem Gelato ab. Und genau da liegt der erste entscheidende Unterschied: Möchte man nicht ein schlechtes, überteuertes Panino essen, das immer den Touristen angedreht wird, muss man in die versteckten Läden in die Seitenstraßen. Mein Lieblingsladen ist rund einen Kilometer von meinem Arbeitsort entfernt. In den historischen Stadtzentren gibt es entweder nur schlechte Busverbindungen oder es würde durch die vielen Staus länger dauern, als zu Fuß zu gehen. So komme ich täglich auf 10.000 bis 13.000 Schritte. Hier in Deutschland muss ich extra eine Stunde Walken gehen, um das zu schaffen.

Andere Länder, andere Sitten

Der veränderte Lebensrhythmus ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, der zur Verbesserung der Blutzuckerwerte führt. Wer hätte hier schon Zeit, erst einmal 2 km für ein belegtes Brötchen zu laufen? Das wäre undenkbar. Auch muss ich nicht um 8 Uhr im Büro sein, sondern kann länger schlafen und gemütlich um 10 Uhr mit der Arbeit in der Bibliothek beginnen – was offenbar meiner inneren Uhr entspricht. Keine Fristen sitzen mir im Nacken und auch kein Leistungsdruck. Die italienischen Mitarbeiter führen selbst ein entschleunigtes Arbeitsleben, was man gar nicht glaubt, wenn man den Trubel auf den Straßen sieht. Wenn etwas nicht sofort fertig ist, dann ist das eben so und dann wird es am nächsten Tag eben beendet. Dies zeigt mal wieder, wie nicht nur Bewegung, sondern auch Stress auf den Diabetes Einfluss haben können.

Italien auf Rezept?

„Wenn ich könnte, würde ich Ihnen einen Daueraufenthalt in Italien auf Rezept ausstellen!“, scherzte mein Diabetologe nach dem letzten längeren Aufenthalt. Vor ihm lagen meine Werte aus der Zeit und ein HbA1c von 5,6. Er sagte, dass er das bei vielen Patienten beobachten kann, die längere Zeit aus ihrem stressigen Berufsleben und Alltag aussteigen. In den Daten war nur eine einzige Spitze über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) zu finden – da hatte ich Eis mit flüssigem Nougat gegessen und den Italieneffekt doch zu hoch eingeschätzt. Aber so gut, wie das Eis geschmeckt hat, hat sich das definitiv gelohnt.

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert