Milch und Milchprodukte

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Milch und Milchprodukte

Ein Löffel cremiger Joghurt, Kaffee mit herrlichem Milchschaum, ein süßes Dessert zum Abschluss eines leckeren Essens: Milch und Milchprodukte sind aus dem Alltag kaum wegzudenken. Für jeden Geschmack ist etwas dabei: von säuerlich mild bis ultracremig und sehr fettreich. Die richtige Wahl und Mischung machen’s.

Essen Sie täglich ein Milchprodukt? Eine gesunde und gute Möglichkeit, den Körper optimal mit dem Knochenmineral Kalzium zu versorgen. Der lebenswichtige Mineralstoff ist mengenmäßig der bedeutsamste im menschlichen Körper. Kalzium baut Knochen und Zähne auf und hält sie stabil.

Doch wie viel Kalzium braucht der Mensch täglich? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat die Werte gerade geprüft – auf Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Am meisten Kalzium brauchen Jugendliche in ihrer stärksten Wachstumsphase zwischen 13 und 18 Jahren. Empfohlen werden hier 1 200 mg täglich. Für Erwachsene gilt der unveränderte Wert von 1000 mg am Tag.

Geändert ist die empfohlene Menge für Säuglinge im Alter von vier bis unter zwölf Monaten: Sie beträgt jetzt 330 statt zuvor 400 mg. Für Kinder von vier bis unter sieben Jahren gibt es jetzt 750 statt 700 mg. Bereits ein Viertel Liter fettarme Milch und zwei Scheiben Emmentaler Käse liefern mehr als 1 000 mg Kalzium.

Anrechnungspflichtige Kohlenhydrate

Ganz gleich, ob Sie lieber ein Glas kalte Buttermilch, Molke, einen Joghurt oder etwas Milch im Kaffee mögen – der enthaltene Milchzucker (Laktose) beeinflusst den Blutzucker. Milchzucker ist vorhanden, auch wenn Buttermilch oder Kefir nicht unbedingt süß schmecken. Bei Pudding oder Fruchtjoghurt gesellt sich dazu der zum Süßen verwendete Zucker. Je nach Sorte enthält das Getränk oder der Joghurt Zucker (Saccharose).

Welche und wie viel Kohlenhydrate aus Milchzucker und Co im Produkt enthalten sind, erklären Zutatenliste und Nährwertanalyse. In der Zutatenliste finden Sie alle Bestandteile nach ihrer Menge in absteigender Folge aufgelistet. Die Nährwertanalyse gibt Ihnen eine klare Auskunft über die enthaltenen Kohlenhydrate.

Sind im 150-g-Becher z. B. 8 g Kohlenhydrate in 100 g enthalten, liefert der ganze Becher 12 g anrechnungspflichtige Kohlenhydrate (150 g multipliziert mit 8, Ergebnis dividiert durch 100 = 12 g Kohlenhydrate). So können Sie jedes Milchprodukt im Hinblick auf seine Kohlenhydratmenge berechnen.

Sind fettarme Produkte kohlenhydratärmer? Es spielt für den Kohlenhydratgehalt keine Rolle, ob Milch und Co fettarm oder vollfett sind. Trotzdem sind fettarme Produkte sinnvoller: Sie sind kalorien- und cholesterinärmer. Mit fettarmer Milch lässt sich zum Beispiel besser und einfacher Milchschaum für Latte Macchiato bereiten als mit Vollmilch. Auch zum Kochen und Backen haben sich fettarme Produkte bewährt.

Laktosefrei unbedingt nötig?

Seit ein paar Jahren hat die Industrie einen neuen ertragreichen Verkaufszweig für sich entdeckt: laktosefreie Lebensmittel. Was mit Milch begann, erstreckt sich heute auf ein riesiges Sortiment, inklusive Nuss-Nougat-Creme oder Milchersatz. Die Verkaufszahlen geben Anbietern recht: Allein im Jahr 2012 legte der Absatz um 20 Prozent zu. Haben auf einmal so viele Menschen eine Milchzuckerunverträglichkeit? Wohl kaum.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat herausgefunden, dass rund 80 Prozent der Käufer dieser Lebensmittel gar keine Milchzuckerunverträglichkeit haben. Es scheint ein Lifestyle-Trend zu sein, ähnlich wie bei glutenfreien Lebensmitteln. Für diese Kunden klingt “Frei von Laktose” ziemlich gesund. Sie greifen zu – mit dem beruhigenden Gefühl, ihrem Körper etwas Gutes zu tun.

Ursprünglich waren die Spezialprodukte für Menschen gedacht, die eine Milchzuckerunverträglichkeit haben. Betroffene klagen über Blähungen, Völlegefühl, Darmkrämpfe oder Durchfälle. In Deutschland sind etwa 15 bis 30 Prozent mit unterschiedlicher Ausprägung betroffen. Hier sind diese Lebensmittel sinnvoll – insbesondere laktosefreie Milch.

Auf der nächsten Seite berichtet Prof. Dr. Reinhard Zick im Interview weiteres Wissenswertes zum Thema Milchprodukte.

Prof. Reinhard Zick zu Milchprodukten:

„Der Mensch isst 100 000 Kilo im Leben!“

Im Hinblick auf Joghurt, Quark und Co wird immer wieder kontrovers diskutiert, ob sie dem Körper tatsächlich guttun. Sie tun es, erklärt Prof. Reinhard Zick, Gastroenterologe aus Lingen. Der erfahrene Mediziner klärt auf über Mythen aus dem Milchland.

Diabetes-Journal (DJ): Milch und Milchprodukte werden von manchen Experten verteufelt – warum?

Prof. Dr. med. Reinhard Zick: Verteufeln ist im Grunde genommen bei diesen Lebensmitteln nicht angebracht. Verzichten darauf oder dies austauschen müssen Menschen mit Laktoseintoleranz. Ein weiterer Aspekt ist der, ob Kühe tatsächlich auch auf der Weide stehen und genug gesundes Futter bekommen. Je nach Fütterung kann sich die Zusammensetzung, beispielsweise der Omega-Fettsäuren, verändern. Nur leider steht auf der Packung nicht, ob Kühe im Stall oder überwiegend auf der Wiese grasen. Bioprodukte können hier hilfreich sein. Ich persönlich wähle irische Butter. Dort gibt es so viel Weideland, und ich war selbst schon dort und weiß, dass die Tiere überwiegend draußen stehen und grasen. Perfekt ist natürlich auch ein Hofladen, wo der Kunde nachfragen kann, wie die Tiere gehalten werden, die ihre Milch zur Verarbeitung von Quark, Joghurt, Butter und Co geben.

DJ: Stimmt es, dass der menschliche Körper nicht in der Lage ist, Milch und Co zu verdauen?

Zick: Also, wenn wir das nicht könnten, würden wir nicht leben. Ganz einfach betrachtet ist der menschliche Körper darauf ausgerichtet zu säugen. Und was bekommt er als Erstes: Milch. Natürlich können sich im Lauf des Lebens Unverträglichkeiten wie eine Laktoseintoleranz oder eine Milcheiweißallergie entwickeln. In der Regel sind sie ja nicht von Anfang an da. Oft entwickelt sich die Milchzuckerunverträglichkeit im Lauf des Lebens. Und evolutionsbedingt ist der Mensch darauf ausgerichtet, zunächst Milch und dann Wasser zu trinken. Also, ein bisschen ist schon was dran, dass der Mensch nicht täglich Unmengen an Milch und Milchprodukten konsumieren sollte. Hier empfehle ich, statt auf Quantität auf Qualität zu setzen. Es gibt leider nach wie vor Menschen, die ihren täglichen Flüssigkeitsbedarf mit mindestens einem Liter Milch stillen. Das ist eindeutig zu viel des Guten.

DJ: Wie bewerten Sie die Aussage, dass Milch und Milchprodukte im Körper verschleimen?

Zick: Eine ganz uralte Erkenntnis des griechischen Mediziners Galen, der sich auf Hippokrates begründeten Viersäftelehre mit der Verschleimung beschäftigt. Geraten die vier Säfte im Körper ins Ungleichgewicht, kommt es zur Krankheit. Dieser Ansatz ist jedoch nur noch medizinhistorisch wertvoll, weiter nichts. Zu Mozarts Zeiten gab es Schleimtheorien, und die Menschen wurden mit Blutegeln geschröpft. Heute ist in der Medizin bekannt, dass diese Behandlungen unsinnig sind. Medizinhistorisch wertvoll, weiter nichts.

DJ: Stimmt es, dass der Dünndarm fühlbar auf eine Unverträglichkeit von Milchprodukten reagiert?

Zick: Im Schnitt isst der Mensch im Lauf seines Lebens 100 000 Kilo Produkte. Dabei nimmt der Körper eine Fülle von Allergenen auf – wesentlich mehr als beispielsweise über die Luft oder die Haut. Da hat der Dünndarm, ein hochkompetentes Immunsystem, im Lauf des Lebens einiges zu tun. Der Dünndarm ist also per se darauf vorbereitet, eventuell allergisch zu reagieren. Und da jeder Mensch ein Individuum ist, sieht es im Körperinneren nicht anders aus: Bei dem einen entsteht eine Unverträglichkeit oder Allergie und beim anderen nicht. Im Grunde genommen ist der dünndarm das größte Immunsystem des Körpers.

DJ: Was halten Sie von der Empfehlung auf Milchiges zu verzichten, weil dann Abnehmen besser funktioniert?

Zick: Diese Empfehlung gibt es beispielsweise bei bestimmten Diätkonzepten, hat sich aber nicht als wiksam durchgesetzt.

DJ: Wann ist der Verzicht auf Milch und Co sinnvoll?

Zick: Das ist lediglich sinnvoll bei einer medizinisch eindeutig diagnostizierten Allergie oder einer Laktoseintoleranz. Häufig werfen Laien Gluten und Laktose in einen Topf, doch da gibt es deutliche Unterschiede. Bei einer Glutenunverträglichkeit reagiert der Köper mit Magen-Darm-Beschwerden, wenn Weizen, Roggen, Hafer, Gerste und daraus hergestellte Produkte gegessen werden. Sie würden bei einer Laktoseintoleranz keine Beschwerden hervorrufen.

DJ: Schadet der Genuss von Milch und Joghurt Menschen mit Diabetes?

Zick: Natürlich nicht! Diabetiker können Milchprodukte essen. Ihr Milchzuckergehalt hat jedoch Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel, auch wenn es sich um ungesüßte und fettarme Produkte handelt. Was heute nicht mehr empfohlen wird, sind die großen Quarkmengen. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die meisten Menschen hierzulande tagtäglich sehr viel Eiweiß durch Fleisch, Wurst, Milch und Co essen. Das kann bei Diabetikern – in Kombination mit einer allgemein schlechten Stoffwechseleinstellung – zur Schädigung der Nieren führen.

Früher gab es zudem Anwendungen mit Quarkwickeln. Dabei wurde Quark in ein Leintuch gefüllt, auf den Bauch Richtung Leber gelegt, in der Hoffnung, die Leber zu heilen. Allein schon, von Heilung zu sprechen, entbehrt jeder Wirksamkeit. Praktisch wäre ein fettarmes Milchprodukt und die übliche Menge Milch im Kaffee täglich ausreichend. Denn Milchprodukte sind nach wie vor die besten, natürlichen Kalzium-Lieferanten, zur Aufrechterhaltung der Knochenmasse bis ins hohe Alter.

Mit Professor Zick sprach Kirsten Metternich.


von Kirsten Metternich

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0,
Fax: (0 61 31) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (9) Seite 66-69

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