Ödeme: zu viel Wasser im Körper

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Ödeme: zu viel Wasser im Körper

Geschwollene Beine, geschwollene Knöchel: Verantwortlich dafür kann eine Wasseransammlung (Ödem) sein. Ödeme sind oft ein Hinweis auf eine Erkrankung, die behandelt werden muss, oder sie zeigen sich als Reaktion auf bestimmte Medikamente.

Der Fall
Petra M. ist Typ-2-Diabetikerin, 74 Jahre alt und hat vor zwei Jahren nach drei Tagen Bettruhe wegen einer Wunde am Fuß eine Thrombose im rechten Bein entwickelt. Seitdem nimmt sie ein gerinnungshemmendes Medikament und trägt einen Unterschenkel-Stützstrumpf. Sie hat aber seitdem „immer“ ein Schwellungsgefühl im Bein und kann den rechten Fuß im Gelenk kaum bewegen.

Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich im Stehen ein Wulst oberhalb des rechten Knies, genau über dem Ende des Stützstrumpfes. Ursache ist, dass sich das Blut genau vor dem Stützstrumpf-Ende in einer dicken Vene staut – bedingt durch die Thrombose, die im Oberschenkel war – und die dabei zerstörten Venenklappen. Nach dem Ausziehen des Strumpfes verschwindet der Wulst sofort. Aber auch der ganze Unterschenkel ist durch Ödeme geschwollen!

Nach Verordnen eines Oberschenkel-Kompressionsstrumpfes für das rechte Bein sind die Beschwerden von Petra M. sofort weg, da das Venenblut im Stehen nicht mehr von innen nach außen fließen und so einen Stau verursachen kann.

Der Ring lässt sich nicht mehr abziehen, das Fußgelenk lässt sich nur schwer bewegen: Das könnten Ödeme sein.

Was ist ein Ödem?

Unter einem Ödem versteht man das Austreten von Flüssigkeiten aus dem Blutgefäßsystem in den Gewebezwischenraum (Zellzwischenraum, Interstitium). Im Alltag bezeichnet man oft sichtbare Schwellungen am Körper, speziell in der Unterhaut, als Ödem (z. B. am Bein, am Unterschenkel, am Knöchel).

Aber auch nicht von außen sichtbare Wasseransammlungen in bestimmten Organen sind Ödeme – z. B. als Lungenödem oder Hirnödem. Auch Wasseransammlungen, die sich in Form von Luftnot und Wasseransammlungen in den Beinen bei einer Herzinsuffizienz zeigen, gehören dazu!

Häufige Anzeichen eines peripheren Ödems (Wasseransammlung in den Unterschenkeln und Knöcheln, selten in den Armen oder Händen) sind:

  • Das Bein/der Arm fühlt sich schwer an.
  • Das Bein/der Arm sieht geschwollen aus.
  • Beim Druck mit dem Daumen auf den Bereich entstehen Dellen.
  • Kleidung und auch Schmuck sitzen plötzlich zu eng.
  • Die Haut über den betroffenen Gebieten ist manchmal überwärmt/angespannt.
  • Die Gelenke im betroffenen Bereich (z. B. am Fußgelenk) lassen sich schlechter bewegen.

Die Herzinsuffizienz mit ihren Wasseransammlungen zählt zu den gefährlichsten und teuersten Erkrankungen und ist verbunden mit regelmäßigen und häufigen Krankenhausaufenthalten und nicht selten auch mit einem raschen Tod (ca. 50 Prozent der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz versterben innerhalb von 5 Jahren). Typisch dafür ist oft auch eine rasche Gewichtszunahme. Die eigentliche Ursache des Ödems rechtzeitig zu erkennen, ist für den weiteren Verlauf einer Erkrankung oft von entscheidender Bedeutung.

Patienten mit einem postthrombotischen Syndrom (Zustand nach einer Venenthrombose) oder Zeichen einer chronischen Venenschwäche und begleitendem Ödem könnten durch eine rechtzeitige und konsequente Therapie vor der Entwicklung von Unterschenkelgeschwüren mit entsprechenden Komplikationen (z. B. einem Erysipel, einer Infektion der oberen Hautschichten und der Lymphwege) bis hin zur Amputation geschützt werden.

Die rasche und konsequente Behandlung einer Herzschwäche mit Ödemen an den Beinen bzw. Zeichen einer Lungenstauung mit Luftnot könnte vielen Menschen einen immer wiederkehrenden Krankenhausaufenthalt ersparen.

Wie entsteht ein Ödem? Warum sammelt sich Wasser im Gewebe an?

Der Blutdruck in den Arterien sorgt dafür, dass das Blut in die entlegensten Regionen des Körpers bis in die kleinsten Gefäße (Kapillaren) fließt. Dem Blutdruck entgegengerichtet ist ein Druck, der durch die großen Eiweißmoleküle im Blut selbst entsteht (kolloidosmotischer Druck). Dieser bewirkt, dass Flüssigkeit, die vorher aus den arteriellen Kapillaren in den Zellzwischenraum (Interstitium) abgepresst wurde, wieder zurück in die Kapillaren fließt. Etwas Gewebewasser (ca. 2 Liter pro Tag) bleibt im Interstitium zurück.

Für das Aufrechterhalten des Eiweißdrucks in den Arterien (kolloidosmotischer Druck) ist vor allem das Bluteiweiß Albumin verantwortlich. Durch Unterernährung oder Eiweißverlust über die Niere oder auch bei Tumorerkrankungen kommt es zu einem Abfall des Eiweißdrucks in den Blutgefäßen und so zum Entstehen von Ödemen, also Wasseransammlungen im Gewebe.

Mögliche Ursachen für Wasseransammlungen im Körper (Ödeme)


  1. Niereninsuffizienz/Eiweißverlust über die Niere (nephrotisches Syndrom)
  2. Herzinsuffizienz
  3. nach Venenthrombose mit Stauung in den Beinen (postthrombotisches Syndrom)
  4. Lebererkrankungen
  5. Entzündungen
  6. allergisches, entzündliches Ödem (z. B. Quincke-Ödem im Gesicht)
  7. durch Medikamente verursachte Ödeme:

    • Kalziumkanal-Hemmer (z. B. Amlodipin)
    • „Rheumamittel“; z. B. Voltaren, Ibuprofen
    • Glukokortikoide (Kortison, Kortisol), z. B. Decortin H, Solu-Decortin, Ultracorten
    • Anti-Baby-Pille, Hormone (z. B. Östrogene)
    • Antidepressiva

Wichtig zu wissen

Ödeme sind eine der häufigsten Diagnosen in der täglichen Praxis eines Arztes. Die Diagnose ist in der Regel rasch möglich – durch das Erheben der Krankengeschichte, eine gründliche körperliche Untersuchung und einige apparative Zusatzuntersuchungen (z. B. Röntgen der Lunge, Echokardiographie bei Herzinsuffizienz, Farbduplex-Sonographie bei Zustand nach Thrombose) sowie Laboruntersuchungen.

Eine konsequente Therapie (z. B. Entwässerungsmittel bei Herzinsuffizienz bzw. Kompressionsstrümpfe nach einer Thrombose) kann oft helfen, einen schlimmen Verlauf mit schweren Folgen zu verhindern, – und dies unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes.


Autor:

Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologe, Diabetologe und Sozialmediziner
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik
Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (3) Seite 30-32

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