Pollen & Gräser & Blüten: Hatschi!

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Pollen & Gräser & Blüten: Hatschi!

Jetzt fliegen sie wieder, die Pollen von Gräsern, Sträuchern, Bäumen, Blumen, und das treibt vielen die Tränen in die Augen, der Hals kratzt und die Nase läuft. Auch auf die Verträglichkeit von Lebensmitteln können sich Heuschnupfen und Co auswirken. Wir haben einen Allergologen gefragt, was jetzt geht und was nicht.

13 Millionen Pollen-Allergiker in Deutschland

Schätzungen zufolge werden etwa 13 Millionen Menschen hierzulande von Pollen gepiesackt. Aber nicht jeder, der unter Heuschnupfen leidet, hat automatisch ein Problem, wenn diese Pollen beispielsweise auch in verschiedenen Nahrungsmitteln oder kosmetischen Produkten vorkommen.

Ein anderes Problem sind Kreuzallergien. Inhalationsallergene – also solche, die beispielsweise mit Pollen, Tierhaaren oder Hausstaubmilben eingeatmet werden – und zahlreiche Nahrungsmittelallergene bestehen aus aneinandergereihten Aminosäuren. Der Teil des Moleküls, der die Allergie auslöst, wird Epitop genannt.

Wie Kreuzallergien entstehen

Zu einer Kreuzallergie kommt es, wenn das Epitop, das für die Inhalationsallergie verantwortlich ist, auch in einem bestimmten Lebensmittel enthalten ist: Dann kann ein Mensch, der eine Inhalationsallergie hat, auch auf bestimmte Nahrungsmittel allergisch reagieren. So hat ein Haselstrauchpollen-Allergiker meist auch eine mehr oder minder ausgeprägte Unverträglichkeit gegen Haselnüsse.

Nahrungsmittelallergien zeigen sich häufig, wenn auch eine Allergie gegen Baum-, Gras-, Getreide-, Kräuter und Blumenpollen besteht. Bei Allergien gegen Hausstaub, Vogelfedern, Rind- und Katzenepithel wie auch Latex treten Kreuzallergien eher selten auf.

Falscher Weg: kompletter Obst- und Gemüseverzicht

Wer an Heuschnupfen leidet und aus übertriebener Vorsicht sämtliche Früchte, Gemüse, Nüsse, Kräuter und Gewürze weitgehend von seinem Speiseplan streicht, läuft Gefahr, dass er sich zu einseitig ernährt – und das ist eindeutig der falsche Weg. Sinnvoll ist es, ein Verträglichkeitstagebuch zu führen. Hier sollte notiert werden, wie auf Obst, Gemüse, Nüsse, Gewürze etc. reagiert wird. Das hilft Betroffenen dabei, eine individuelle Lebensmittelauswahl zu treffen.

Oft treten allergische Reaktionen verstärkt in der jeweiligen Pollenhochsaison auf. Wann welche Pollen besonders aktiv sind, erklären Pollenflugkalender und Pollenvorhersagen. Sie finden sich im Internet, z. B. unter www.dwd.de, www.pollenflug.de, www.pollenstiftung.de und unter der Servicenummer 0 90 01/11 54 80 00 (0,62 €/Min.).

Auf diese Vorhersagen können Allergiker ihr Handeln abstimmen. Praktisch heißt das z. B. für Freiluftsportler mit jeweiliger Allergie, entweder nach dem oder im Regen draußen aktiv zu sein, denn dann ist die Pollenkonzentration in der Luft deutlich niedriger als bei warmem und windigem Wetter. Alternative: insbesondere in dieser Zeit zu Hause oder im Fitnessstudio trainieren.

Besser gekocht als roh

Für alle, die eine Kreuzallergie gegen bestimmte Lebensmittel entwickelt haben, gilt: Viele Allergene werden durch Kochen, Backen, Braten oder Dünsten besser verträglich. So sind gekochtes Obst und Gemüse “allergiefreundlicher”, gut vertragen wird beispielsweise Apfelmus oder Pflaumenkompott. Gleiches gilt für Marmelade, eingekochtes Obst, Kuchenfüllungen und Fruchtmus.

Vorsicht ist geboten bei Smoothies, hier lohnt der Selbsttest. Bei Äpfeln sind ältere Sorten wie Boskoop, Gloster, Goldparmäne oder Gravensteiner oft besser verträglich als neuere Sorten wie Cox Orange, Granny Smith, Jonagold oder Golden Delicious.

Karotten: Kochen bringt nichts

Ähnlich sieht es beim Gemüse aus. Die meisten Gemüsesorten verlieren ihr Allergenpotential in der Regel, wenn sie gegart werden. “Ausnahme sind Karotten”, erklärt der Münchener Hautarzt und Allergologe Dr. Christoph Liebich. “Ihre Struktur bleibt auch nach dem Kochen unverändert. Wer hier allergisch reagiert, sollte Karotten besser weglassen.”

Kritisch sieht es auch bei Nüssen, Senf, Soja, Sellerie und einigen Gewürzen aus. Ihre Hauptallergene sind hitzestabil und sollten individuell ausgetestet werden. Im Hinblick auf Sojaprodukte werden erfahrungsgemäß fermentierte Erzeugnisse wie Misopaste, ein Bestandteil asiatischer Suppen, besser bis gut vertragen.

Interview mit Dr. Christoph Liebich

Wie sieht es bei Heuschnupfen und Co im Hinblick auf Kreuzallergien mit Obst, Gemüse oder Kräutern aus? Wir haben beim Münchener Allergologen und Dermatologen Dr. Christoph Liebich nachgefragt, worauf es in der heißen Phase ankommt und was Allergiegeplagte beachten sollten.

Diabetes-Journal: Herr Dr. Liebich, wie viel Prozent der Heuschnupfenpatienten haben gleichzeitig eine Kreuzallergie?

Dr. Liebich: Im Schnitt zwischen fünf und zehn Prozent der Pollenallergiker haben oder entwickeln im Lauf ihrer Allergiekarriere gleichzeitig eine Kreuzallergie.

Diabetes-Journal: Wann treten die Symptome auf?

Dr. Liebich: Oft treten sie in der jeweiligen Pollenflughochzeit verstärkt auf. Aber die Kreuzallergie kann auch völlig losgelöst vom Pollenhochflug sein. So kann jemand ganzjährig beispielsweise keine frischen Äpfel oder ähnliches essen. Bei Äpfeln und Birnen nutzt es dann auch nichts, sie kleinzuschneiden und kurz an der Luft stehenzulassen. Ihre allergene Struktur wird dadurch nicht zerstört.

Diabetes-Journal: Können sich Beschwerden bei Nichtbeachtung verschlimmern?

Dr. Liebich: Ganz klar ja. Vom banalen Augentränen reicht die Palette weiter zu Bauchkrämpfen bis hin zum schweren allergischen Schock. Bei Nichtbeachtung können sich die Beschwerden dann sogar weiter verschlimmern.

Diabetes-Journal: Können Kreuzallergien wieder verschwinden?

Dr. Liebich: Allergien verschwinden leider nicht. Die Gedächtniszellen des Körpers merken sich die Allergie. Es kann sein, dass für einen bestimmten Zeitraum das jeweilige Lebensmittel wieder vertragen wird. Doch die Allergie kommt leider wieder.

Diabetes-Journal: Was ist bei diesen Allergien sonst noch wichtig?

Dr. Liebich: Entspannungsmethoden können Körper und Geist helfen, beschwerdefreie Phasen zu verlängern. Ferner ist ein Allergiepass wichtig, er sollte immer dabei sein, ähnlich wie der Gesundheits-Pass Diabetes. Zusätzlich empfehle ich Allergikern, ein Notfallset dabeizuhaben. Es besteht aus einem Antihistaminikum und einem Steroid, beides als Tropfen. Ferner ein Epinephrin-Inhalator und eine entsprechende Spritze.

Diabetes-Journal: Herr Dr. Liebich, wir danken Ihnen für das Gespräch.


von Kirsten Metternich

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2012; 61 (3) Seite 66-69

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