Praxistipps für Sport mit AID-Systemen

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Praxistipps für Sport mit AID-Systemen

Kindern und Jugendlichen, die mit Typ-1-Diabetes leben, wird besonders empfohlen, sich so oft und vielfältig wie möglich zu bewegen sowie regelmäßig Sport zu treiben. Basierend auf den Empfehlungen der World Health Organization (WHO) sollten sie sich täglich mindestens 60 Minuten bei mittlerer bis hoher Intensität bewegen. Besonders wichtig ist dabei, darauf zu achten, Unterzuckerungen, aber auch Überzucker sowie Schwankungen der Blutzuckerwerte zu vermeiden.

Von der Wissenschaft in die Praxis übersetzt heißt das: Während des Sports sollte der Blutzucker zwischen 126 und 180 mg/dl (7,0 und 10,0 mmol/l) liegen und möglichst stabil bleiben. Besonders bei Insulinpen- und der traditionellen Insulinpumpen-Therapie ohne AID stellte das Sporttreiben bei normnahen Blutzuckerwerten eine Achillesferse im Diabetes-Management dar. AID-Systeme sollten dies heute erleichtern.

Warum „sollten“? Aktuell gibt es keine einheitlichen Empfehlungen für AID-Systeme, physische Aktivität und Sport, die das Risiko von Dysglykämie verringern könnten. Dies hat sich eine Gruppe von 27 Autoren und Autorinnen zum Anlass genommen und erarbeitet deshalb aktuell die erste internationale Leitlinie zu AID und Sport (2024 EASD ISPAD Positionspapier), um Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes bereits jetzt einen "glykämischen" Vorteil zu verschaffen. Wann sollte der Aktivitäts- bzw. Ease-off-Modus zum Einsatz kommen? Wie viele Kohlenhydrate sollte man wann zu sich nehmen? Und wann sollte man eingreifen?

Was kann man tun bei spontanem Sport?

Wie Kinder und Jugendliche, die ohne Diabetes leben, wollen auch die Youngster mit Typ-1-Diabetes spontan Sport treiben können. Dies stellt jedoch für alle AID-Systeme ein gewisses Problem dar, was primär auf die zu lange Wirkdauer von Kurzzeitinsulinen zurückzuführen ist. Dennoch ist auch spontanes Sporttreiben möglich, wenn man folgenden Empfehlungen folgt:

Warum und wann sollte der Aktivitätsmodus gestartet werden?

In verschiedenen klinischen Studien wurde gezeigt, dass der Aktivitätsmodus für AID-Systeme 90 bis 120 Minuten vor dem Sport gestartet werden sollte, um vor allem das Risiko von Unterzuckerungen zu reduzieren. Für AID-Systeme, die eine automatisierte Bolus-Korrekturfunktion haben, sollte der Aktivitätsmodus bei Sport nahezu immer gestartet werden, da dadurch in der Regel die Insulinabgabe bei Hyperglykämie ausschließlich über einen kontinuierlichen Anstieg der Basalrate gesteuert wird.

In der Regel wird im Aktivitätsmodus ein Zielwert von 150 mg/dl (8,3 mmol/l) angepeilt (bei manchen Systemen ein Zielbereich), was sich aber bei dem mylife-CamAPS-FX-System leicht unterscheidet. Hier sollte zusätzlich zur Option "Ease-off" überlegt werden, ob der Glukose-Zielbereich erhöht wird (z. B. auf 150 mg/dl bzw. 8,3 mmol/l in Kombination mit dem Start des Ease-off-Modus). Das ist vor allem sinnvoll, wenn über eine sehr lange Dauer und mit hoher Intensität Sport betrieben wird (Bergwandern, Skifahren etc.).

Ähnliches gilt auch für das Diabeloop-System DBLG1 (erhöhter Zielwert plus Aktivitätsmodus), wo man zugleich die Option hat, einen Mittelweg zu wählen (ZEN-Modus), welcher den Glukose-Zielbereich nicht so stark hebt wie der reguläre Aktivitätsmodus.

Unabhängig vom AID-System sollte eine Maxime verfolgt werden: Eine Erhöhung des Glukose-Zielbereichs (Aktivitätsmodus) sollte nur für physische Aktivitäten und Sport gewählt werden, wenn man aus Erfahrung weiß bzw. annimmt, dass der Blutzuckerwert beim Sport abfallen wird. Wenn es Sportarten gibt, bei welchen der Sensor-Glukosewert immer ansteigt (z. B. intervallartige Sportarten wie Tennis, Fußball oder Ähnliches), sollte eher auf einem regulären oder für manche Systeme leicht erhöhten Glukose-Zielbereich Sport betrieben werden.

Warum und wann sollte der Aktivitätsmodus nicht gestartet werden?

Grundsätzlich macht ein AID-System während des Sports das Gleiche, was man früher selbst bei der traditionellen Insulinpumpen-Therapie machen musste: Die Basalrate wird reduziert und für manche AID-Systeme wird die automatisierte Bolusfunktion abgeschaltet. Wenn man früher mit einer Insulinpumpe Sport betrieben hat und es wurde festgestellt, dass bei einer spezifischen Sporteinheit der Zuckerwert immer ansteigt, hat man einfach die Basalrate in geringerem Maß reduziert oder sogar die reguläre Basalrate laufen lassen.

Dies gilt auch für AID-Systeme: Steigt der Blutzuckerwert während des Sport massiv an, sollte der Aktivitätsmodus nicht gestartet oder nach Möglichkeit der Glukose-Zielwert nur leicht gehoben werden (siehe Abbildung 1).

© Othmar Moser | Abb. 1: Darstellung der Glukose-Reaktion und des Insulin- und Kohlenhydratbedarfs in Abhängigkeit zur Intensität und Dauer der Belastung.

Wann und wie viele Kohlenhydrate sollten zugeführt werden?

Grundsätzlich ist in der Theorie davon auszugehen, dass ein AID-System einen gewählten Zielbereich im Aktivitätsmodus erreichen und halten wird. In der Praxis wurde aber gezeigt, dass zusätzlich Kohlenhydrate beim Sport benötigt werden, die von verschiedenen Faktoren wie der Intensität, der Dauer und dem Modus der Belastung sowie IOB beeinflusst werden (siehe Abbildung 1). Aus diesem Grund sollten früh genug kleine Mengen an schnellwirkenden Kohlenhydraten zugeführt werden, bei einem zuvor festgelegten Cut-off-Wert. Die Menge an Kohlenhydraten, die während des Sports zugeführt werden, sollte bei schnell abfallenden Zuckerwerten (gerader Trendpfeil nach unten) höher sein als bei stabilen Werten.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass AID-Systeme bei Sport funktionieren, vor allem, wenn dieser geplant ist. Vor dem Sport sollte überlegt werden, ob zu erwarten ist, dass während der Bewegung die Glukose-Konzentration ansteigt oder eher abfällt. Es sollten immer schnellwirkende Kohlenhydrate mitgeführt werden und wenn diese gegeben werden, sollte das z. B. bereits ab 126 mg/dl (7,0 mmol/l) passieren, aber dafür in kleineren Mengen, basierend auf den Glukose-Trendpfeilen.

Lese-Tipp

Autor:

© Universität Bayreuth
Prof. Dr. Othmar Moser
Exercise Physiology & Metabolism (Sportmedizin)
Bayreuther Zentrum für Sportwissenschaft – BaySpo, Universität Bayreuth


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