Risikoversicherung: Geht das mit Diabetes?

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Risikoversicherung: Geht das mit Diabetes?

Wer Diabetes oder eine andere chronische Krankheit hat, der stößt meist auf große Probleme, eine Risikoversicherung abzuschließen. Vor allem eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder Lebensversicherung sind oftmals nur schwer bzw. nur zu wenig attraktiven Konditionen zu bekommen. Und wer beim Versicherungsantrag Fehler macht, kann im Ernstfall schnell leer ausgehen.

Für viele Diabetiker ist es heute schwierig geworden, eine Risikoversicherung (Lebensversicherung, private Krankenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Dread-­Disease-Versicherung) zu erhalten. Allerdings: Unmöglich ist es nicht, es kommt auf den Einzelfall an.

Problem: die Gesundheitsprüfung

Schwierigkeiten ergeben sich durch die Gesundheitsprüfung, die vor Versicherungsabschluss erfolgt. Man muss dort vollständige und umfassende Angaben über seine Erkrankungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen machen. Auch die Diabetes-Erkrankung muss angegeben werden. Macht man unwahre oder unvollständige Angaben, dann kann die Versicherung den Vertrag wegen Täuschung anfechten und muss im Leistungsfall nicht bezahlen!

„Das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen rechtfertigt grundsätzlich die Annahme einer Täuschung. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände, auch Untersuchungen, stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Schweigen daher auf Arglist schließen lässt. […]“ (beispielsweise OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 – 12 U 140/12, Volltext unter www.diabetes-und-recht.de)

Gesetzestexte
§ 123 Abs. 1 BGB – Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung:
Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

§ 22 VVG – Arglistige Täuschung:
Das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, bleibt unberührt.

§ 19 VVG – Anzeigepflicht (Auszug):
(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet. […]

Das Problem: Es müssen alle relevanten gesundheitlichen Vorkommnisse mitgeteilt werden. Aber kann man sich im Zweifel wirklich immer noch daran erinnern, dass man vor vielen Jahren vielleicht einmal wegen Brustschmerzen beim Arzt war und der deswegen zur Abklärung ein EKG gemacht hat? Die Tatsache, dass man wegen Herzschmerzen zu einer Untersuchung war, könnte aber möglicherweise versicherungs- bzw. risikorelevant sein.

Um sicherzugehen, dass man nichts vergisst, sollte man vorab bei seiner Krankenkasse bzw. Krankenversicherung eine Selbstauskunft einholen. Wichtig: Prüfen Sie die Selbstauskunft genau, ob die dort enthaltenen Daten auch wirklich stimmen! Denn manchmal sind bei der Krankenkasse auch falsche Daten gespeichert (Eingabefehler etc.).

Auch kommt es leider manchmal vor, dass Behandlungsleistungen mit der Kasse abgerechnet wurden, die tatsächlich nie erbracht wurden. In einem etwaigen Streit mit der Versicherung müssten Sie dann erst einmal beweisen, dass Sie die bei der Krankenkasse dokumentierte Behandlung nicht arglistig verschwiegen haben, sondern diese tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dies könnte vor allem mit zeitlichem Abstand sehr schwierig werden.

Risikobewertung durch Versicherung

Die Versicherung entscheidet dann je nach individueller Risikoabschätzung, ob sich der Abschluss eines Vertrages für das Unternehmen „lohnt“: Bei Diabetikern – zumal mit bereits vorhandenen Folgeerkrankungen – führt diese Risikobewertung oft dazu, dass das Versicherungsrisiko als zu hoch eingeschätzt wird und daher kein Versicherungsvertrag angeboten wird.

Allerdings kann man auch nicht pauschal sagen, dass es für Menschen mit Diabetes unmöglich sei, eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen. Tatsächlich hängt es immer vom Einzelfall ab. Mir sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen eine Versicherung möglich war. Allerdings müssen meist immer Risikozuschläge, also ein erhöhter Beitrag, einkalkuliert werden.

Dieselbe Versicherung: Der eine wird versichert, der andere nicht!

Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass dasselbe Unternehmen mit dem einen Diabetiker einen Vertrag abschließt, während einem anderen Diabetiker keine Versicherungsmöglichkeit angeboten wird. Rechtlich machen kann man gegen eine Ablehnung allerdings kaum etwas. Die Versicherungsunternehmen sind nämlich nicht verpflichtet, einen Vertrag abzuschließen. Sie können selbst entscheiden, wen sie zu welchen Konditionen versichern wollen.

Mögliche Alternative: Dread-Disease-Versicherung

Im Fall einer Ablehnung könnte eine Dread-Disease-Versicherung vielleicht eine Alternative sein; damit können zumindest einzelne schwere Risiken abgesichert werden. Eine solche Absicherung für den Fall einer Querschnittslähmung oder Lähmung wäre möglicherweise erreichbar, da die Diabetes-Erkrankung hierfür keine Risikoerhöhung darstellt.

Allerdings gilt umgekehrt: Wenn der Betreffende aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung nicht einmal einen Berufsunfähigkeitsschutz erhält, dann dürften deren konkrete „schlimmsten“ Risiken wie Erblindung, Herzinfarkt, Schlaganfall samt Folgeerscheinungen, Niereninsuffizienz, Amputationen oder Impotenz meist ebenfalls nicht versicherbar sein.

Tipps zur Antragstellung

Neben den Gesundheitsfragen muss man bei der Antragstellung oftmals angeben, ob man bereits von einem anderen Unternehmen abgelehnt wurde bzw. dort einen Antrag gestellt hat. Da man auch diese Frage wahrheitsgemäß beantworten muss, führt dies zu folgendem Problem: Wer bereits von einem Versicherer abgelehnt wurde, den wird auch ein anderes Unternehmen kaum versichern wollen.

Auch wenn keine solche Frage gestellt wird: Bei einer Ablehnung eines Antrags erfolgt in der Regel eine Meldung an die HIS-Wagnisdatei, auf die alle Versicherer Zugriff haben (www.informa-­irfp.de). Wer dann einen Antrag bei einer anderen Versicherung stellt, wird womöglich automatisch abgelehnt.

Man sollte bei der Antragstellung daher unbedingt wie folgt vorgehen: Suchen Sie einen unabhängigen Versicherungsmakler, der Sie kompetent berät und für Sie nach Angeboten sucht. Dieser kann für Sie auch eine anonyme Anfrage bei verschiedenen Anbietern stellen, so dass die Chancen eingeschätzt werden können, ohne dass Ihre Daten in die Wagnisdatei gelangen.

Wenn Sie dann Angebote mehrerer Gesellschaften haben: Stellen Sie parallel Anträge bei allen in Frage kommenden Versicherungen. So können Sie wah­heitsgemäß in jedem Antrag angeben, dass Sie zuvor noch keine andere Versicherung abgelehnt hat und in der Ver­gan­gen­heit auch kein anderer Antrag gestellt worden ist. Auch wenn dann mehrere Versicherungen zum Abschluss bereit wären, haben Sie kein Risiko: Als Privatperson können Sie innerhalb von 14 Tagen schriftlich ohne Kosten von einem Versicherungsvertrag zurücktreten.


von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (6) Seite 54-56

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