Sandra Starke stürmt auch mit Diabetes den Fußballplatz

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© Abbott 2023
Sandra Starke stürmt auch mit Diabetes den Fußballplatz

Sandra Starke ist 29 Jahre alt und Fußball-Nationalspielerin. In der Frauen-Bundesliga stürmt sie für den Deutschen Meister VfL Wolfsburg. Seit 2018 hat sie Typ-1-Diabetes. Wir sprachen mit ihr über die Diagnose und die Auswirkungen im Profisport.

Diabetes-Journal: Sie waren zum Zeitpunkt der Diabetes-Diagnose bereits Profisportlerin. Das war vermutlich zunächst ein Schock?
Sandra Starke:
Ja, ich war schon lange im Profigeschäft und natürlich war das ein Riesenschock. Damit rechnet man nicht. Das war alles Neuland für mich.

DJ: Hat sich die Diagnose vorher angedeutet oder kam das aus heiterem Himmel?
Starke:
Es hat sich schon ein bisschen angedeutet. Ich hatte davor eine Grippe und habe körperlich extrem abgebaut. Dann hatte ich auch einige typische Diabetes-Symptome, sehr viel Durst zum Beispiel. Außerdem hatte ich Probleme mit dem Sehen und ich habe immer weiter abgenommen. Ich dachte aber zunächst, das käme alles von der Grippe. Irgendwann merkte ich dann, dass mit meinem Körper etwas einfach nicht stimmt, und ich wurde auch von meinen Trainern aufgefordert, ich möge doch bitte mal zum Arzt gehen. Bei der Kontrolle kam es dann heraus.

DJ: Wie genau ist die Diagnose abgelaufen?
Starke:
Ich habe Blut und Urin abgegeben und bin zur Arbeit gefahren. Dann wurde ich sehr schnell auf dem Handy angerufen. Das Ergebnis war eindeutig. Mein Blutzucker lag bei über 800 mg/dl (über 44,4 mmol/l; Anm. d. Red.), das HbA1c bei etwa 14 Prozent. Ich hatte mich schon etwas länger mit den Symptomen herumgeschleppt. Zunächst war ich etwa eine Woche stationär im Krankenhaus. Danach ging es mit der Einstellung ambulant mit den Team-Ärzten des SC Freiburg weiter. Im Nachhinein habe ich auch mein körperliches Befinden besser verstanden.

DJ: Als Profisportlerin ist das sicherlich eine besondere Herausforderung. Wie haben Sie sich herangetastet und wer hat Ihnen dabei geholfen?
Starke:
Ich glaube, es ist für jeden Betroffenen am Anfang eine große Herausforderung. Zunächst wusste ich nicht, was die Diagnose für meine Profikarriere bedeutet. Das war eine harte Zeit. Zum Glück hat mir Ulrike Thurm sehr geholfen – vor allem beim Wiedereinstieg in den Fußball. Sie hat mir Mut gemacht und gesagt: “Du schaffst das! Es geht! Wir haben hier einige andere Sportler, die das auch schaffen!” Das hat mich sehr bestärkt und ich habe mir gedacht, das werde ich auch hinkriegen! Außerdem ist heutzutage natürlich die Technik sehr hilfreich. Ich nutze zum Beispiel den Sensor FreeStyle Libre von Abbott. Die CGM-Systeme vereinfachen schon einiges.

DJ: Wie sieht heute Ihr Alltag an einem Spieltag aus?
Starke:
In der Regel esse ich vier Stunden vor dem Spiel etwas. Für mich sind Haferflocken gut. Da weiß ich, dass mein Blutzucker nicht so stark schwankt. Es ist mir wichtig, dass ich mich aufs Spiel konzentrieren kann und dass ich nicht ständig damit beschäftigt bin, meine Blutzuckerwerte zu überwachen. Ich kontrolliere meine Werte vor dem Spiel und dann wieder in der Halbzeitpause. Normalerweise spritze ich dann auch etwas Insulin und esse nochmal eine Banane. Am schönsten ist es für mich, nach dem Spiel einen Teller Nudeln zu essen, ohne etwas zu spritzen, weil ich so ausgepowert bin. Dann fühle ich mich einfach glücklich. Das ist für mich eine Art Belohnung.

DJ: Im Fußball ist vorab ja nicht immer klar, wie lange man auf dem Platz steht oder ob man womöglich eingewechselt wird. Wie stellen Sie sich auf diese Unwägbarkeiten ein?
Starke:
In Freiburg stand ich eigentlich immer in der Start-Elf. In Wolfsburg komme ich oft von der Bank. Das musste ich in der ersten Saison dort erst einmal lernen. Ich vertraue inzwischen jedoch auf mein Körpergefühl. Wenn ich mich körperlich anstrenge, steigen meine Blutzuckerwerte ohnehin meist an. Ich habe deshalb keine Bedenken, dass ich in eine Hypoglykämie abrutschen könnte. Am besten sind beim Sport Werte im Wohlfühlbereich – nicht zu niedrig und nicht zu hoch. Man muss sich aber von der Vorstellung lösen, dass man nur mit einem ganz bestimmten Wert ins Spiel gehen kann.

DJ: Hatten Sie beim Sport schon einmal Probleme mit dem Zucker?
Starke:
Es ist mir zum Glück noch nie passiert, dass ich im Spiel in eine Hypoglykämie abgerutscht bin. Im Training habe ich es bislang einmal erlebt. Es war aber auch nicht schlimm. Ich habe gemerkt, dass mir die Kraft ausgeht, und habe das zuerst gar nicht auf den Diabetes bezogen. Auf einmal ist mir dann eingefallen, dass es auch vom Blutzucker kommen könnte. Ich habe dann etwas gegessen und es ging mir danach schnell wieder besser. Es war auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung.

DJ: Wie reagieren die Mitspielerinnen, wenn sie von der Erkrankung erfahren? Ist Ihr Diabetes mitunter noch Thema in der Mannschaft?
Starke:
Als ich neu zum VfL Wolfsburg kam, haben einige Mitspielerinnen interessiert nachgefragt. Sie sehen ja den Sensor an meinem Arm. Einige kennen sich ein bisschen mit Diabetes und der Technik aus, andere nicht so sehr. Selbstverständlich wurde es auch in der medizinischen Abteilung thematisiert. Der Trainer und die Mitspielerinnen müssen das natürlich wissen, auch, weil ich meine Werte in der Halbzeitpause in der Kabine mit dem Handy ablese. Mittlerweile ist es aber kein Thema mehr in der Mannschaft.

DJ: Nutzen Sie einen Pen oder eine Pumpe?
Starke:
Ich nutze einen Pen. Ich kenne auch Profisportler, die eine Pumpe nutzen. Ich habe mich damit aber noch nicht beschäftigt. Bei mir funktioniert es gut mit dem Pen und ich befürchte, dass mich eine Pumpe beim Fußballspielen stören könnte. Man führt auf dem Spielfeld ja auch Zweikämpfe.

DJ: Unsere Leserinnen und Leser haben häufig selbst Diabetes. Was können Sie ihnen aus Erfahrung raten, wenn sie mit Sport anfangen wollen?
Starke:
Ich kann es wirklich jedem nur empfehlen, regelmäßig Sport zu treiben, da Sport auch beim Regulieren des Blutzuckers hilft. Es tut einfach gut, sich zu bewegen. Ich merke jedes Mal in der Sommer- und Winterpause, dass ich mehr Insulin brauche und mein Körper anders reagiert. Das ist ein Riesenunterschied. Auch deshalb freue ich mich immer, wenn das Mannschaftstraining wieder losgeht. Es vereinfacht das Ganze für mich. Man muss sich natürlich darauf einstellen – auch in Bezug auf die Insulindosis und den richtigen Zeitpunkt zum Spritzen, damit man durch den Sport nicht in eine Hypoglykämie gerät. Eine gewisse Routine ist dabei sicherlich nötig. Aber wenn man sich mal darauf eingestellt hat, hat Sport meiner Meinung nach nur Vorteile. Ich möchte auch anderen Leuten Mut machen, die vielleicht Angst vor Sport mit Diabetes haben. Es freut mich, wenn ich so vielleicht etwas Positives bewirken kann.

DJ: Wir drücken die Daumen, dass Ihr Weg erfolgreich weitergeht, und bedanken uns für das Gespräch!

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (3) Seite 42-44

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