Selbsthilfegruppe: Wer haftet bei falscher Beratung?

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Selbsthilfegruppe: Wer haftet bei falscher Beratung?

Rechtsanwalt Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Rechteck Antworten auf Rechtsfragen rund um das Thema Diabetes.

Ich leite seit vielen Jahren eine Selbsthilfegruppe. Wir führen regelmäßig Vortragsveranstaltungen rund um das Thema Diabetes durch, dazu geben wir Auskunft zu Fragen hinsichtlich Schwerbehinderung und Rente. Jetzt habe ich aber gehört, dass es hier möglicherweise ein Haftungsrisiko geben könnte. Ich dachte immer, eine Auskunft sei unverbindlich und daher auch ohne entsprechendes Haftungsrisiko. Was müssen wir beachten, um mögliche Risiken zu vermeiden oder zu verringern?

Claudia T. aus M.

Die Antwort von Oliver Ebert:

Sie müssen sich hier nicht allzu viele Gedanken machen; allerdings kann ich auch keine vollständige Entwarnung geben. Für Auskünfte im privaten Umfeld besteht gemäß § 675 Abs. 2 BGB regelmäßig keine Haftung. Das Gesetz stellt klar, dass „wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, […] zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet“ ist.

Es gibt aber Ausnahmen: Wer für die Beratungsleistung ein Entgelt verlangt, der haftet grundsätzlich immer. Auch darf die Beratung an sich nicht gegen bestehende Gesetze und Bestimmungen verstoßen. Beispielsweise dürfen Laien keine Beratungstätigkeiten vornehmen, die durch Gesetz ausschließlich Ärzten oder Anwälten vorbehalten sind. Wer Diagnosen stellt oder gar medizinische „Behandlungen“ durchführt, ohne Arzt zu sein, der ist recht schnell in einer Haftung. Problematisch sind daher insbesondere vermeintlich gut gemeinte „Ratschläge“, eine vom Arzt verordnete Medikamentendosis, Insulinmenge oder den vorhandenen Spritzplan eigenmächtig abzuändern.

Wer über ein besonderes Sachwissen oder eine besondere Vertrauensposition verfügt, den können ebenfalls erhöhte Sorgfalts- und Aufklärungspflichten treffen. Die Betroffenen bringen demjenigen nämlich ein erhöhtes Maß an Vertrauen entgegen und werden die erhaltenen Ratschläge möglicherweise ohne weitere Rückfrage mit einem Arzt oder Anwalt befolgen. Hier müsste auf jeden Fall klargestellt werden, dass im Zweifel zuvor immer noch ein Arzt bzw. Anwalt gefragt werden sollte.

Vorsichtig sollte man daher – insbesondere bei öffentlichen Beratungen – auch sein mit „Tipps“ zu konkreten juristischen Fragestellungen: Abgesehen davon, dass eine Rechtsberatung grundsätzlich nur im privaten Umfeld zulässig ist, ergeben sich hier nicht selten erhebliche Haftungsrisiken. Wenn ein Betroffener z. B. wissen will, wie lange er Zeit hat, um Widerspruch gegen einen ablehnenden Behinderungsbescheid einzulegen oder Klage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zu erheben, sollte man sehr zurückhaltend sein:

Würde z. B. im Rahmen der Sozialberatung Ihrer Selbsthilfegruppe eine falsche – oder unvollständige – Auskunft gegeben und käme es dann zur Fristversäumung, so wäre eine Haftung nicht unrealistisch. Betroffene könnten vorbringen, man habe darauf vertraut, dass die erhaltenen Auskünfte richtig seien – es sei schließlich ein Unterschied, ob man sich einen „Rechtstipp“ von einem Freund oder Bekannten hole oder die Auskunft von vermeintlich fachkundigen Beratern erhält.

Ein weiteres Haftungsfeld ergibt sich, wenn durch die Auskunft mittelbar die Interessen Dritter berührt werden. Dies kann z. B. passieren, wenn im Rahmen einer Auskunft von einem bestimmten Arzt oder Produkt abgeraten wird. Hier ist sehr schnell die Grenze einer (noch zulässigen) Meinungsäußerung überschritten, vor allem wenn unwahre bzw. nicht beweisbare und potenziell geschäfts- bzw. absatzschädigende Behauptungen erhoben werden.

Wenn Sie z. B. mit einem Blutzuckermessgerät nicht zufrieden sind, dürfen Sie selbstverständlich andere über Ihre Meinung und die Gründe informieren. Unzulässig wäre aber z. B. zu behaupten, dass das Gerät „ungenau“ bzw. „nicht richtig“ messe, wenn Sie keinen sicheren Beweis haben. Hierzu wäre nämlich erforderlich, dass die fehlerhafte Messqualität durch ein sachgerecht und wissenschaftlich erstelltes Gutachten nachgewiesen werden kann – eine lediglich „gefühlte“ Ungenauigkeit oder der Vergleich mit anderen Messgeräten würde nicht ausreichen.

Generell gilt aber, dass für Auskünfte in der Selbsthilfegruppe sicherlich keine allzu großen Risiken bestehen und Sie daher auch grundsätzlich im Rahmen einer angebotenen Sozialberatung entsprechende Informationen geben dürfen.

Vorsichtig sollten Sie vor allem dann sein, wenn die Auskünfte über allgemeine Anfragen hinausgehen und sich allzu konkret auf eine individuelle Situation des Fragestellers beziehen. Hier sollte man genau prüfen, ob Sie berechtigt und im Zweifel auch hinreichend kompetent sind, dem Informationsbedürfnis in der tatsächlich gebotenen Weise gerecht zu werden. In jedem Fall empfiehlt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass Ihr Ratschlag die Konsultation eines Arztes oder Anwalts nicht ersetzen kann und soll.


von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart oder
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (2) Seite 48-49

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