Streifzug durch die Geschichte der Diabetestherapie

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Streifzug durch die Geschichte der Diabetestherapie

Das Diabetesmuseum München beherbergt die vermutlich umfassendste Sammlung von Diabetesutensilien aller Art. Allerdings heißt das nicht, dass man sich in seinen Räumen verirren oder die Füße wundlaufen könnte. Denn die Exponate des Museums sind im Obergeschoss des Reihenhauses von Werner und Petra Neumann untergebracht, in den ehemaligen beiden Kinderzimmern ihrer Töchter Corinna und Anja. Wer sich im Diabetesmuseum umsehen möchte, muss einen Termin mit den beiden vereinbaren, denn regelmäßige Öffnungszeiten gibt es nicht.

„Ich wollte schon immer etwas sammeln“

Christoph und ich nutzten einen Zwischenstopp in München für einen Besuch im Diabetesmuseum, als wir im Juni auf dem Weg in den Urlaub am Gardasee waren. Schon nach meinem ersten Telefonat mit Werner Neumann sagte ich zu meinem Mann Christoph: „Ich glaube, der Typ ist ein Unikum, das wird bestimmt ein spannender Nachmittag.“

Und ich sollte recht behalten. In Werners und Petras vier Wänden angekommen, lotsten uns die beiden zunächst in ihr Wohnzimmer. Bei Kaffee und Kuchen erzählte Werner, wie er auf den Gedanken gekommen ist, ein Diabetesmuseum aufzubauen. „Ich wollte schon immer etwas sammeln“, sagte er. Doch Mineralien und Kronkorken verloren irgendwann ihren Reiz.

Zwei Kinderzimmer, bis unter die Decke voll mit Exponaten

Da seine heute 25-jährige Tochter Anja seit 1994 Typ-1-Diabetes hat, kam ihm die Idee, alles rund um den Diabetes zu sammeln. Und mit „alles“ ist wirklich ALLES gemeint. Als wir uns von der Kaffeetafel erhoben und ins obere Stockwerk in die Ausstellungsräume gingen, betraten wir zwei kleine Räume, deren Wände vom Boden bis zur Decke mit Regalen, Vitrinen, Kommoden und Schaukästen vollgestellt sind.

Die Neumannsche Sammlung umfasst historische Insulinampullen aus verschiedenen Ländern, Briefmarken und Telefonkarten mit Diabetes-Motiven, Insulin-Bezugsscheine aus der Zeit um den Zweiten Weltkrieg, Bücher, Blutzuckermessgeräte, Insulinpumpen, Stofftiere und andere Werbematerialien der Diabetesindustrie, Verpackungen von Diabetiker-Lebensmitteln und diverse historische Geräte zur Urin- oder Blutzuckerbestimmung.

Historische Apparate zur Harnzuckerbestimmung

„Das älteste technische Exponat ist ein Colorimeter zur Harnzuckerbestimmung von ungefähr 1850“, erzählte Werner. Es ist ein ziemlich großer Apparat, den man nur ungern den ganzen Tag mit sich herumschleppen würde. Ohnehin erforderte eine Harnzuckerbestimmung im 19. Jahrhundert größere Mengen Sammelurin, der mit diversen Chemikalien eingekocht werden musste und dann einige Stunden später den ungefähren Zuckerwert lieferte – unvorstellbar aus heutiger Sicht, in der wir uns längst an handtaschentaugliche Blutzuckermessgeräte und kontinuierliche Glukosemessung in Echtzeit gewöhnt haben.

Insulinflascherl, plastiniertes Pankreas und Schokoladenpapiere…

Seine Sammelstücke ersteigert Werner überwiegend auf Ebay. „So ein seltenes historisches Insulinflascherl kann dann auch mal 200 Euro kosten“, verriet er uns. Auch andere Exponate waren nicht ganz billig, so hat auch ein plastiniertes Pankreas, das ihm der Macher der Ausstellung „Körperwelten“ Gunther von Hagens vermacht hat, etliche hundert Euro gekostet.

Andere Exponate sind billiger zu kriegen, zum Beispiel Schokoladenpapiere – sprich: das Papier, in dem eine „Diabetiker-Schokolade“ verpackt wurde, als noch Lebensmittel verkauft wurden, die aufgrund anderer Zuckerzusammensetzungen als „diabetikerfreundlich“ gekennzeichnet waren. 

„Auf Ebay sind ja viele Sammler unterwegs“, erzählte Werner, „und oft werden Schokoladenpapiere oder Briefmarken nur im Set versteigert. Mich interessieren aber nur die Schokoladenpapiere und Briefmarken, die etwas mit Diabetes zu tun haben.“ Wenn er bei einer solchen Auktion der Höchstbietende ist und das Set ersteigert, schreibt er deshalb gern die unterlegenen Interessenten an und bietet ihnen gegen Erstattung der Portokosten die übrigen Papiere an. Auch Ärzte, die in ihrer Praxis eine dekorative Vitrine mit historischen Diabetesutensilien aufstellen möchten, wenden sich oft mit Tauschanfragen an ihn. „So sind schon viele nette Kontakte zu anderen Sammlern entstanden.“

Während des EASD-Kongresses in München herrschte Riesenandrang

Ein besonders schönes Exponat ist eine Medaille mit Reliefstruktur, die den Entdecker des Insulins, Frederick Banting, zeigt. „Darüber freuen sich dann Blinde ganz besonders, die mir sagen, dass sie nun endlich mal eine Vorstellung haben, wie Banting ausgesehen hat“, erklärte Werner.

Um seine Exponate zu sehen, muss man nicht unbedingt zu ihm nach Hause in München kommen. Häufig sind Werner und Petra auch mit einer Auswahl ihrer Ausstellungsstücke bei Diabeteskongressen oder Patientenveranstaltungen vertreten. Besonders viel zu tun hatten sie, als im September 2016 der Jahreskongress der Europäischen Diabetesgesellschaft (EASD) in München stattfand. Da gaben sich interessierte Besucher aus aller Welt gegenseitig die Klinke in die Hand.

Wir hätten noch etliche weitere Stunden dort verbringen können

Bei unserem Besuch im Diabetesmuseum herrschte allerdings keine Hektik – im Gegenteil. Werner und Petra nahmen sich über drei Stunden Zeit für uns. Und wir wurden das Gefühl nicht los, dass wir gut und gern noch ein paar weitere Stunden dort hätten verbringen und Werner bei seinen Ausführungen lauschen können. Denn dieser Mann – obgleich von Beruf nicht Diabetologe, sondern Gas- und Wasserinstallateur – ist ein wandelndes Diabeteslexikon und weiß zu jedem Teil seiner Sammlung eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen. Besucht ihn doch auch einmal, dann wisst ihr, was ich meine!

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