Technologien für Typ-1-Diabetiker

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Technologien für Typ-1-Diabetiker

Gut besucht war der erste T1Day, der Ende Januar in Berlin stattfand. Der Themenbogen spannte sich über die Palette an Technologien, die Diabetikern heute zur Verfügung stehen. Informationen gab es in Vorträgen und in Workshops – und in vielen Gesprächen.

Zielgruppe waren die Patienten

Sonntagmorgen, 9 Uhr, Ende Januar in Berlin: Wie viele Besucher würden wohl den Weg zum Tag für Typ-1-Diabetiker finden? Der T1Day fand im Anschluss an die Fortbildungsveranstaltung DiaTec statt, deren Thema die Diabetestechnologie ist und die sich an Ärzte, Diabetesberaterinnen und andere Diabetesexperten richtet.

Um das Thema Diabetestechnologie ging es auch beim T1Day, aber die Zielgruppe waren Typ-1-Diabetiker, die die Technologien im Alltag tatsächlich einsetzen oder einsetzen wollen.

„Baff erstaunt“ über Besucherandrang

Überraschung pur: Der Vortragssaal war voll, Stühle mussten noch herbeigeholt werden – 192 Menschen aller Altersgruppen hatten den Weg zur Veranstaltung gefunden, mehrere Familien waren dabei. Auch Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, war begeistert, wie viele Interessierte schon da waren: “Als ich heute morgen hier ankam, war ich baff erstaunt.”

Informationen, nicht Stifte mitnehmen

An diesem Sonntag ging es darum, Wissen und Informationen mitzunehmen, nicht Stifte oder andere Kleinigkeiten. Darauf legte Fredrik Debong, der zusammen mit Ilka Gdanietz den Tag moderierte, gleich zu Beginn viel Wert. Und genau das erfüllte sich auch.

Diabetes heiß früh Verantwortung zu übernehmen

Schwungvoll startete der Tag mit Typ-1-Diabetiker Jonathan Teklu. Der Mittzwanziger gehörte zu den Gründern des Netzwerks StudiVZ. Das Besondere an ihm ist seine zwanglose Art, wie er mit seinem Diabetes umgeht, inzwischen unterstützt durch Diabetestechnologien.

Im Alter von 11 Jahren wurde die Diabetesdiagnose gestellt – und er sieht sein Leben mit Diabetes als Stärke, die ihm durchaus bei Gesprächen mit Geschäftspartnern geholfen hat, denn: “Das ist ein Vorteil, weil ich früh mit Verantwortung umgehen musste.” Die Technik, zum Beispiel die App mySugr, nutzt er für seine Diabetesbehandlung gern: “Ich war total begeistert, dass ein Smartphone mir helfen kann, mit dem Diabetes zurechtzukommen.”

Selbsthilfe in Social Media

Moderne Technologien können auch auf andere Weise helfen, nicht nur dem einzelnen Diabetiker bei seiner Diabetesbehandlung. Für die Young Leaders in Diabetes, die die jungen Diabetiker in der International Diabetes Federation (IDF) vertreten, sind Social-Media-Angebote wichtig, um sich weltweit austauschen zu können. Katarina Braune, eine der Young Leaders aus Deutschland, bestätigte: “Ohne Internet ginge das nicht.”

Das Internet bringt eine Veränderung in der Selbsthilfelandschaft mit sich, meinte Richard Schlomann, ebenfalls zu den Young Leaders gehörend: Er sieht eine Tendenz dahin, dass Diabetiker nicht mehr in Selbsthilfegruppen gehen, sondern sich in Social-Media-Angeboten austauschen. Allerdings bestehen international noch große Unterschiede in den Möglichkeiten des Internetzugangs.

Zucker in Blut und Gewebe

Das Thema kontinuierliche Glukosemessung (CGM) spielte natürlich auch beim T1Day eine große Rolle. Diabetesberaterin Ulrike Thurm, die seit sieben Jahren dauerhaft ein CGM-System trägt, betonte zu Beginn ihres Beitrags einen der entscheidenden Unterschiede zwischen der klassischen Blutzuckermessung und CGM: “Dieses System misst keinen Blutzucker – dieses System misst den Gewebezucker.”

Den zweiten Unterschied zeigte sie den Besuchern in einem Vergleich: Jede Blutzuckermessung stellt jeweils ein einzelnes Foto dar, bei CGM sieht man alles wie in einem Film, die Fortsetzung ist dadurch gut erkennbar.

T1Day
“Der erste Tag von, mit und für Typ1er” lautete das Motto des Tages am 26. Januar 2014 in Berlin. Am 25. Januar 2015 findet der T1Day wieder statt. Weitere Infos unter www.t1day.de

“Ein grandioser Benefit”

Außerdem hilft ein CGM-System, nicht in Notfälle zu rutschen: “Ihr werdet vor einer Unterzuckerung gewarnt, bevor diese eintritt – das ist ein grandioser Benefit.” Duzen untereinander gehörte zum Programm des Tages. Aber auch das Einordnen von Gefühlen empfindet Ulrike Thurm mit CGM als einfacher.

Während des Vortrags war sie, wie das wohl vielen geht, aufgeregt, sie fühlte sich wie in einer Unterzuckerung, berichtete sie. Aber mit dem CGM-System in der Hosentasche fühlte sie sich sicher: “Solange es in meiner Hosentasche nicht piept und vibriert, weiß ich: Es ist alles in Ordnung. Das entspannt ungemein.”


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CGM nimmt Diabetes nicht ab

Deutlich machte sie aber auch die Grenzen eines CGM-Systems: “Es nimmt euch nicht den Diabetes ab.” Mitdenken bleibt weiterhin nötig: “Die Therapieentscheidung seid ihr – Schaltzentrale ist immer noch euer Kopf.” CGM-Systeme sollten dennoch selbstverständlich in der Versorgung von Diabetikern sein, denn “für mich gehört ein CGM-System zum bestmöglichen Gesundheitszustand eines Diabetikers”.

Damit bezog sie sich auf die Definition von Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation: Gesundheit ist ein Status kompletten physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechlichkeit.

CGM-Antrag ist Grundlage

Ein Problem bei der Versorgung mit CGM-Systemen ist derzeit allerdings die ausstehende Entscheidung, ob CGM-Systeme ein Hilfsmittel sind oder eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Darauf wies Andreas Karch von der Krankenversicherung Barmer GEK hin; Karch hat selbst seit 30 Jahren einen Typ-1-Diabetes. Diese fehlende Entscheidung führt dazu, dass CGM-Systeme rein rechtlich im Moment eigentlich nicht bezahlt werden dürfen von den Krankenkassen.

Karch begrüßt sehr, dass es nun einen Vorschlag für einen standardisierten Antrag für CGM-Systeme gibt, zu finden unter www.diabetes-technologie.de/glukosemonitoring-download.htm: “Der Antrag ist für mich die Grundlage, um überhaupt über das Thema reden zu können.”

Denn seine Erfahrungen mit Anträgen bisher zeigen durchaus Defizite. So war bei vielen Anträgen unter anderem die Dokumentation fehlend oder unvollständig, fachärztliches Attest und Patientendokumentation stimmten nicht überein, die letzte Schulung lag mehr als 3 Jahre zurück und Unterzuckerungen mit Fremdhilfe waren nicht ersichtlich.

Diskutieren, ausprobieren

Neben den Vorträgen in großer Runde gab es auch Workshops. Themen waren dabei ebenfalls CGM, aber auch die Insulinpumpentherapie, Boluskalkulatoren und Software. Geleitet wurden sie von Ulrike Thurm, Rosalie Lohr, Sandra Schlüter und Sabine Carstensen, Kerstin Remus und Dr. Matthias Kaltheuner.

In den Workshops gab es die Möglichkeit, intensiv miteinander zu diskutieren und auch persönliche Erfahrungen einzubringen. Der praktische Teil kam auch nicht zu kurz.

Diabetiker vernetzen

Bastian Hauck, Einhandsegler und Typ-1-Diabetiker, nutzt die Technik, um Diabetiker zu vernetzen. Auf die Plattform #dedocdedoc steht für Deutsche Diabetes-Online-Community – lädt er jeden Mittwochabend um 21 Uhr andere Diabetiker ein, damit alle eine Stunde über ein vorher festgelegtes Thema diskutieren.

Anschließend wird Blutzucker-Bingo gespielt: Wer kommt mit seinem aktuellen Blutzuckerwert am nächsten an einen vorher festgelegten Zielwert heran?

Zum Abschluss die Zukunft

Hoffnung machte zum Schluss Professor Dr. Lutz Heinemann, der die Idee zum T1Day hatte. Lange schon wird über die inzwischen weit fortgeschrittenen Technologien nachgedacht, diskutiert und es wird an ihnen geforscht, auch über die künstliche Bauchspeicheldrüse. Er hält es für möglich, dass Letztere in etwa zwei bis drei Jahren kommt, auch wenn “das Problem in dieser Sache ist: Das ist das, was die Forscher seit 50 Jahren sagen”.

Um weiterzukommen in der Forschung, appellierte er an die Teilnehmer, an Studien mit Diabetestechnologie teilzunehmen: “Wir brauchen menschliche Meerschweinchen.” Fredrik Debongs Schlusswort des Tages: “Zukunft war der Abschluss!”

Fazit
Veranstaltet wurde der T1Day von Science & Co mit Gabriele Faber-Heinemann und Professor Dr. Lutz Heinemann, der Veranstaltungsagentur Dienstag mit Nina Enczmann, dem Diabetesblog Mein-Diabetes-Blog.com mit Ilka Gdanietz und Finn Köster und der Diabetes-App mySugr mit Fredrik Debong und Frank Westermann. Sie und alle Referenten haben den Besuchern einen informationsreichen Tag geboten.

Dazu gehörten Vorträge von Wissenschaftlern und Experten, von denen viele selbst einen Typ-1-Diabetes haben, aber auch von Menschen, die einfach nur Typ-1-Diabetiker sind und mit ihren Erfahrungen anderen helfen können und wollen. Workshops bezogen die Teilnehmer aktiv ein und boten ihnen die Möglichkeit, viele Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen.


von Dr. med. Katrin Kraatz

Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes und Technologie, 2014; 6 (1) Seite 14-16

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