Typ 1? Typ 2? Lasst uns doch bitte Misstrauen und Abschottung überwinden!

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Typ 1? Typ 2? Lasst uns doch bitte Misstrauen und Abschottung überwinden!

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Ich muss hier mal ein bisschen Frust ablassen. Und möchte gleichzeitig die Community um Rat und Meinungen bitten. Mein Problem ist Folgendes: Es will mir einfach nicht gelingen, über die sozialen Netzwerke Zugang zu Menschen mit Typ-2-Diabetes zu bekommen. Nun sagt ihr vielleicht: „Warum willst du dich denn mit Typ-Zweiern austauschen, du hast doch selbst Typ-1-Diabetes?“ Ja, das stimmt. Aber zum einen interessiert es mich auch unabhängig von meinem eigenen Diabetestyp, wie es sich mit einem Typ-2-Diabetes lebt und was die Betroffenen beschäftigt und umtreibt. Und zum anderen nutze ich die sozialen Netzwerke im Rahmen meiner Arbeit als Journalistin gern für die Recherche bzw. Suche nach geeigneten Interviewkandidaten.

Gute Erfahrungen mit Facebook-Gruppen für Typ-1-Diabetiker

In den diversen Facebook-Gruppen für Typ-1-Diabetes habe ich gerade hierbei immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich suche für einen Artikel nach Typ-Einsern, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben? Ein entsprechender Post in einer der Facebook-Gruppen reicht, und schon melden sich meist innerhalb kürzester Zeit etliche Leute bei mir, die mir in einem Interview über ihre Probleme berichten möchten. Ich finde das toll, denn die sozialen Medien haben mir auf diese Weise schon oft die Arbeit erleichtert. Ohne sie wäre es ungleich schwieriger, so schnell und so gezielt genau die Menschen zu erreichen, unter denen ich mögliche Interviewkandidaten vermute.

Auf der Suche nach Facebook-Gruppen für Menschen mit Typ-2-Diabetes

Eigentlich also naheliegend, dass ich so etwas auch einmal in Facebook-Gruppen für Typ-2-Diabetes versuche. Meinen ersten Versuch in dieser Richtung unternahm ich vor ungefähr zwei Jahren. Ich war für mein Buch „In guten wie in schlechten Werten“ auf der Suche nach Menschen mit Typ-2-Diabetes und ihren Angehörigen, die mit mir darüber sprechen mögen, wie sich der Diabetes auf ihre Partnerschaft bzw. ihr Familienleben auswirkt. Also suchte ich bei Facebook nach Gruppen für Typ-Zweier. Leider gibt es deutlich weniger Gruppen für Menschen mit Typ-2-Diabetes als für Typ-Einser, obwohl die Typ-Zweier doch klar in der Überzahl sind. Allerdings sind natürlich auch viele Typ-Zweier in einem Alter, in dem viele eben nicht bei Facebook aktiv sind, sondern sich eher anderweitig vernetzen. Doch letztlich fand ich eine Facebook-Gruppe mit immerhin ein paar tausend Mitgliedern und meldete mich darin an.

Ich suche Austausch und manchmal auch Kontakte für Interviews

Nachdem mein Beitritt vom Administrator freigeschaltet war, stellte ich mich kurz vor und machte dabei auch kein Geheimnis darum, dass ich Typ-1-Diabetes habe, und schilderte meine Beweggründe: Austausch über die strikten Diabetestypen-Grenzen hinweg, und ganz konkret Suche nach Interessierten, die sich für mein Buchprojekt porträtieren lassen möchten. Natürlich versäumte ich nicht zu erwähnen, dass alle Beteiligten das Porträt vor Abdruck noch einmal zu lesen bekommen, denn ich möchte gerade bei derart persönlichen Geschichten unbedingt sichergehen, dass sich alle auch mit ihrem Porträt wohlfühlen. Ich fand, das las sich alles sehr freundlich – und wer sich von einem Post in einer Facebook-Gruppe nicht angesprochen fühlt, kann ja einfach weiterscrollen.

Die Mehrheit der Gruppenmitglieder wollte mich nicht dabeihaben

Mit den Kommentaren, die dann auf mich einprasselten, hätte ich deshalb im Leben nicht gerechnet. „Wie kommst du dazu, dich hier hineinzuschmuggeln?“ war (sinngemäß) einer davon. „Wir wollen hier unter uns sein!“ ein weiterer. Und „Ich finde es unmöglich, dass du dich am Elend anderer Leute bereichern willst!“ noch einer. Letzteren habe ich inhaltlich nicht einmal wirklich verstanden. Denn mit der Argumentation könnte man auch einem Bäcker vorwerfen, sich am Hunger anderer Menschen zu bereichern. Aber egal. Die überwiegende Mehrheit der in jener Facebook-Gruppe versammelten Typ-Zweier wollte mich nicht dabeihaben. Und so machte der Gruppen-Administrator kurzen Prozess und warf mich wieder hinaus.

Quelle: Pixabay

Beim zweiten Mal erging es mir leider nicht einen Deut besser…

Nun kann man das für einen blöden Zufall halten. Manchmal gibt es unter Gruppen-Administratoren bei Facebook ja auch etwas seltsame Charaktere, die ganz schnell auf Krawall gebürstet sind und diese Stimmung auf die gesamte Gruppe übertragen. Doch leider wiederholte sich etwas ganz Ähnliches vor ein paar Wochen. Da hatte ich eine weitere Facebook-Gruppe für Menschen mit Typ-2-Diabetes entdeckt, die ebenfalls recht groß und aktiv frequentiert zu sein schien. Ich meldete mich an und stellte mich abermals freundlich vor. Und schon ging dasselbe Spiel von vorn los. „Ich will nicht, dass wir die Unterhaltungen in unserer Gruppe morgen in der Zeitung lesen müssen!“, schimpfte einer. „Wir wollen hier unter uns sein!“, meckerte jemand anderes. Dazwischen meldete sich zwar eine freundliche Stimme mit den Worten: „Hey, googelt Antje Thiel doch erstmal, bevor ihr sie angreift! Wenn ihr lest, wer sie ist und was sie macht, denkt ihr bestimmt ganz anders!“ Doch es half nichts – auch aus dieser Gruppe wurde ich so schnell wieder rausgeworfen, wie ich mich angemeldet hatte.

Abschottung hilft doch nicht gegen Vorurteile und Fehldarstellungen!

Mir ist dieses Verhalten wirklich ein Rätsel. Woher kommt dieser große Drang, sich abzuschotten und mit niemandem kommunizieren zu wollen, der nicht denselben Diabetestyp hat? Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein gewisses Misstrauen gegenüber Pressemenschen hegen. Denn allzu oft ist die Art, mit der sie in den Medien dargestellt werden, einfach unterirdisch. Okay, und auch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Menschen mit Typ-1-Diabetes kann ich verstehen. Denn leider begegnen einem in der Typ-1-Diabetes-Community auch sehr häufig viele Vorurteile gegenüber Typ-Zweiern, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Dennoch glaube ich nicht, dass man an all diesen Vorurteilen und Fehldarstellungen etwas ändern kann, wenn man sich rigoros abschottet.

Ich sehe mehr gemeinsame Schnittmengen als trennende Faktoren

Ich bin überzeugt davon, dass Menschen mit all den verschiedenen mittlerweile identifizierten Diabetestypen erst einmal viel gemeinsam haben. Ihr Zuckerstoffwechsel funktioniert nicht so, wie es von der Natur gedacht ist. Und daraus ergeben sich für die meisten Menschen mit Diabetes recht ähnliche Probleme: Verunsicherung beim Essen, Angst vor Unter- oder Überzuckerungen, Risiko von ernsten Folgeerkrankungen, Unverständnis im sozialen Umfeld. Natürlich unterscheiden sich die Diabetestypen in ihren Ursachen, beim Krankheitsverlauf und bei der Therapie. Doch die oben genannten Gemeinsamkeiten sind doch nun wirklich nicht von der Hand zu weisen. Und deshalb wehre ich mich auch so sehr dagegen, Typ-1- und Typ-2-Diabetiker immer so auseinanderzudividieren.

Selbst Experten fällt es manchmal schwer, Patienten exakt zu klassifizieren

Zumal es selbst Fachleuten gar nicht immer so leichtfällt, eine wirklich eindeutige Diagnose zu stellen. Das durfte ich neulich bei der Veranstaltung „Team Typ 2“, einem vom Pharmaunternehmen AstraZeneca organisierten Kongress in Berlin, noch einmal lernen. Da gab es nämlich eine eigene Sitzung zu genau diesem Thema: Welche Diagnose stellen Ärzte, wenn die klinischen Symptome und die Laborwerte ein widersprüchliches Bild zeichnen? Darin wurden Zweifelsfälle geschildert, die sich eben nicht eindeutig zuordnen ließen. Von Menschen um die 40 mit mittlerem bis starkem Übergewicht, in deren Familie Typ-2-Diabetes vorkommt (was auf den ersten Blick nach der Diagnose Typ-2-Diabetes schreit), die aber zugleich Antikörper und nur geringe Mengen von C-Peptid (das ist ein Abbauprodukt von körpereigenem Insulin, welches einen Hinweis auf die Aktivität der Bauchspeicheldrüse gibt) im Blut aufweisen, wie sie für Typ-1-Diabetes typisch sind. Welchen Diabetestyp diagnostiziert man da? Ist es überhaupt wichtig, welches Etikett man einem Patienten verpasst, solange die Behandlung anschlägt und der Gesundheitszustand sich stabilisiert? Nach jedem geschilderten Fall stimmten die Anwesenden im Saal ab, ob sie den betreffenden Patienten eher als Typ-1-Diabetiker oder eher als Typ-2-Diabetiker einsortiert hätten. Es gab kein einziges Fallbeispiel, bei dem sie sich einig gewesen wären – und alle konnten ihre Entscheidung gut und nachvollziehbar begründen.

Mich hat diese Sitzung sehr nachdenklich gestimmt. Wenn sogar ausgewiesenen Experten nicht immer eine klare Zuordnung gelingt, warum müssen wir als Menschen mit Diabetes dann so kleinlich auf der exakten Typenklassifizierung herumreiten? Und was könnten wir alle dazu beitragen, damit Integration und Dialog ein bisschen in Schwung kommen? Ich freue mich auf eure Gedanken und Meinungen dazu!


Am 28.02. findet der #BSLounge-TypenTalk statt: Stellt eure Fragen und seid via Livestream live beim Austausch zwischen einer Person mit Typ-2- und einer mit Typ-1-Diabetes dabei.

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