Unschöne Kommentare und wie man damit umgeht

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Unschöne Kommentare und wie man damit umgeht

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich stehe voll und ganz hinter der Diabetes-Aufklärung. Ich berichte gerne über meinen Diabetes und erläutere auch zum 50sten mal den Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Leute, die meine Patch-Pumpe oder mein CGM sehen und fragen, was das ist, denen erkläre ich gerne, wofür diese Geräte gut sind. Oft genug auch mit einem 1-0-1-Diabetes-Crashkurs. Doch wer meinen Beitrag über Die Top 5 Kommentare zu Pumpe und CGM/FGM  gelesen hat, der weiß, dass es leider Menschen gibt, die gerne mal kecke Vermutungen äußern.

Warum passiert sowas?

Lange habe ich überlegt, warum es bei mir gerne mal passiert, dass meine Gerätschaften verhöhnt, lächerlich gemacht werden oder unüberlegte Kommentare kommen. Meistens kam so etwas vor, wenn ich in meinem Nebenberuf als Kellnerin tätig war oder im Kreis von mehr oder minder bekannten Menschen, beispielsweise auf der Hochzeit einer entfernten Verwandten.

Ich glaube nicht, dass mich fremde Menschen auf der Straße ansprechen würden mit: „Na, was hast du denn da für ’ne Fußfessel am Bein hängen?“ Dafür bräuchte es schon ’ne ganze Portion Mut und Dreistigkeit. Aber sobald man mit einer Person ins Gespräch kommt, ist die erste Hemmschwelle schon gefallen. Je nachdem, wie keck, lustig, unverblümt oder einfach nur tollpatschig das Gegenüber ist, desto öfter kommt es meiner Erfahrung nach vor, dass Pumpe oder CGM mal als Fitnesstracker, Fußfessel, Mückenschutz oder Bombe betitelt werden (alles schon vorgekommen).

Diabetes ganz einfach

„Naja, mit so einem System ist der Diabetes ja ganz einfach!“ Ja! Kinderleicht! Das macht ALLES für mich, ich muss gar nicht mehr selbst denken. Deshalb ist Diabetes Typ 1 auch keine Schwerbehinderung bzw. Krankheit, die die Lebensführung erheblich einschränkt.

Das geht mir oft sarkastisch durch den Kopf, wenn ich obigen Satz höre. Aber klar, es hört sich schon alles sehr High-Tech an und die neusten Hilfsmittel machen uns das Leben leichter. Von selbst geht deshalb trotzdem nichts und wir müssen jeden Tag noch immer die Aufgabe eines ganzen Organs übernehmen. Ich erkläre dann immer, dass Pumpe und CGM eben (noch) nicht miteinander kommunizieren können und ich meine Insulinmenge trotzdem selbst ausrechnen muss und ggf. eingreife, falls der Blutzucker zu weit abrutscht, oder meine Basalrate an neue Gegebenheiten anpasse.

Diabetes-Profis

„Mit Diabetes kenn’ ich mich aus! Das hat meine Oma auch.“ Nicht ganz! Deine Oma hat wahrscheinlich Typ-2-Diabetes. Was im Endeffekt eine andere Krankheit mit anderer Therapieform ist. Bei mir sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Gerne erkläre ich dir, wie es bei mir abläuft, wenn du unvoreingenommen zuhörst.

Diabetes ist cool – oder eher nicht

„Ach, das misst von selbst, das ist ja cool!“ Ja, ja! So ’ne Autoimmunkrankheit, die mein Leben bestimmt, ist schon echt knorke!

Freundlich lächelnd antworte ich auf solche oder ähnliche Sätze wie im oberen Abschnitt, dass CGMs und Pumpen uns das Leben leichter machen, wir trotzdem aber noch viel machen müssen.

Spritzen auf dem Klo

„Kannst du dich bitte woanders spritzen/messen?“ Natürlich kann ich das. Die Frage ist, ob ich das will. Gibt es einen rationalen Grund, warum ich eine lebenserhaltende Substanz nicht in deiner Nähe zu mir nehmen sollte? Wenn ich z.B. in einer großen Runde im Restaurant sitze, schreie ich nicht erst in die Menge: „Hey, ich mess’ mich jetzt. Hat jemand was dagegen?“ Wenn du keine Nadeln oder Blut sehen kannst, dann sei doch so lieb und schau einfach kurz weg, der ganze Vorgang dauert wenige Sekunden. Ich mach’ das nicht, weil ich dich ärgern will, sondern weil ich in diesem Moment spritzen/messen muss. Klar könnte ich aufstehen und woanders hingehen. Aber je nach Örtlichkeit werde ich vorher schon meine Möglichkeiten abgewogen haben, denn diese öffentliche Brüskierung ist für mich auch nicht schön. Ich werde das Ganze so diskret wie möglich machen. Aber auf die Toilette zu gehen, in einer fremden Wohnung nach einem freien Zimmer zu suchen oder im Restaurant erst nach einem Extra-Raum zu fragen, wo ich mir mein Insulin verabreichen kann, ist für mich in diesem Moment eben keine Option. Bitte versteh das.

Ich möchte nicht, aber ich muss wohl oder übel

Selten höre ich auch Sätze wie: „Also, ich könnte das ja nicht!“ Meistens ist diese Aussage ein Ausdruck von Bewunderung für den Diabetiker. Doch glaub mir! Wenn du müsstest, könntest du das auch. Denn was ist denn die Alternative? Eine gewaltige Ketoazidose, die dich innerhalb kurzer Zeit ins Grab bringt. Irgendwie ist das ja auch keine Option.

Natürlich hat der Diabetiker-Lifestyle seine Nachteile. Aber jeder Rückschlag macht einen stärker und ich kenne viele Diabetiker, die sagen, dass ihre Krankheit sie nur stärker gemacht hat und sie inzwischen mit Situationen umgehen können, in denen sie vor der Diagnose noch das Handtuch geworfen hätten.

Gut, dass es die Krankenkasse gibt

Manchmal hört man andere sich darüber beschweren, dass sie mit ihren Krankenkassen-Beiträgen ja andere gesundheitlich eingeschränkte Menschen finanzieren. Das stimmt bei Diabetes so nur zum Teil. Es gibt einen sogenannten morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich, der regelt, wie viel Geld welche Krankenkasse aus dem Gesundheitsfonds bekommt; abhängig ist die jeweilige Summe unter anderem vom Gesundheitszustand der Versicherten. In den Gesundheitsfonds fließen Gelder aus den Beiträgen der Arbeitgeber, der anderen Sozialversicherungsträger, der Mitglieder der Krankenkassen und es kommt ein Bundeszuschuss hinzuAlso Gelder, die neben den Krankenkassen-Beiträgen auch jeder Diabetiker mit der Steuer abführt. Durch diesen Zuschuss sind wir Diabetiker tatsächlich „eine kleinere Last“ für den Krankenkassenversicherten als Einzelnen.

Außerdem ist z.B. auf Insulin immer noch eine ordentliche Gewinnspanne der Pharmaindustrie drauf, für die wir Diabetiker nun wirklich nichts können. 😉

Man muss sich nicht erklären

Ein Gast in der Diskothek, in der ich arbeite, welcher schon den ganzen Abend unverschämtes Verhalten gegenüber den Bedienungen an den Tag gelegt hat, hat mich gefragt, ob er fragen darf, was ich da am Arm habe. Meine Antwort war kurz und knapp. „Nein, darfst du nicht!“ Die höflichere Version wäre wohl zu sagen, man möchte darüber (eigentlich) nicht reden. Und das muss man auch nicht, wenn man nicht möchte. Klar sind die Geräte sichtbar, aber im Umkehrschluss müssen tätowierte Menschen doch auch nicht jedem erklären, welche Bedeutung der Körperschmuck hat. Mein Typ-Fler hat dazu noch einen krasseren Standpunkt. Seine Aussage ist: „Man fragt ja auch keinen Menschen im Rollstuhl, warum er den braucht.“

 

Jetzt seid Ihr dran! Schreibt mir doch in die Kommentare oder im Chat, was ihr schon zu hören bekommen habt, und vor allem, wie ihr darauf reagiert habt. Ich freue mich auf eure Antworten.

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