Verantwortung, Druck und Erschöpfung

3 Minuten

Community-Beitrag
Verantwortung, Druck und Erschöpfung

In meinen Augen besteht das Leben mit Diabetes aus unheimlich viel Verantwortung. In erster Linie für sich selbst, seine Gesundheit und im Zweifel fürs Überleben. Aber je nach Lebenssituation spielt für mich natürlich die Verantwortung anderen Lebewesen gegenüber auch eine Rolle. Manchmal, weil mir aktiv Verantwortung übertragen wird, manchmal auch, weil ich nur denke, verantwortlich zu sein. Aber egal in welcher Situation: Verantwortung löst in mir Druck aus. Und in den seltensten Fällen ist emotionaler Druck förderlich für mich, mein Handeln und meinen Diabetes.

Ich muss…

Wenn Menschen, die es nichts angeht, was ich zu tun und zu lassen habe, Sätze mit „Du musst…“ beginnen, bin ich innerlich sehr schnell distanziert und habe eher das Bedürfnis, genau das, was ich vermeintlich muss, nicht zu tun. Natürlich kommt das auf die Situation an, aber ich denke, ihr kennt solche Momente auch. Ganz anders sieht es aus, wenn ich denke, dass ich etwas tun muss, und dem nicht so gerecht werde, wie ich es mir vorstelle.

Ein Beispiel dafür waren schon immer Basalratentests und ähnliche Diabetes-Management-Aufgaben. Sobald mein Gehirn einen Gedanken wie „Du musst unbedingt mal wieder deinen Insulinbedarf checken“ formte, war ich wie blockiert. Denn aus irgendeinem Grund habe ich solche Einfälle auch oft in Momenten, in denen ich sowieso viel um die Ohren und wenig Zeit für mich selbst habe. Und dann wird aus dem „Ich muss…“ ein „Ich schaffe das nicht…“ und daraus ein „ich versage“.

Quelle: Pixabay

Ich kann nicht…

Zum Leben mit Diabetes gehören nicht nur das Berechnen von Insulin und Kohlenhydraten und ein Besuch beim Diabetes-Team alle drei Monate. Das Diabetes-Management passiert eigentlich jede einzelne Minute, wenn auch inzwischen oft unbewusst. Ich denke, es ist gut, dass ich gar nicht mehr jeden Gedanken an den Diabetes als eigenständige Aufgabe wahrnehme. Aber wenn ich es eben doch tue oder Aufgaben dazukommen, die eben nicht nebenbei machbar sind – wie ein Basalratentest – komme ich in den „Ich kann das (jetzt) nicht“-Gedankenstrudel, dessen Ergebnis komplette Erschöpfung ist.

Bin ich schuld an meiner Erschöpfung?

Ich bin viele Jahre meines Lebens zur Psychotherapie gegangen. Dementsprechend habe ich wirklich viel Zeit damit verbracht, mich mit mir und meinen Fragen an das Leben auseinanderzusetzen. Ich weiß, dass ich eher der Typ Mensch bin, für den „alles toll“ oder „alles mies“ ist, und ich nicht immer die Zwischentöne erkennen kann. Darum weiß ich es eigentlich besser, wenn mein Unterbewusstsein mit einer Frage über meine eigene Schuld an dem Ganzen um die Ecke kommt. Trotzdem: Würde ich mir weniger Druck machen (lassen), wäre ich entspannter. Wäre ich entspannter, wäre ich weniger erschöpft. Warum tue ich mir diesen eigenen Stress also trotzdem an?

Verantwortung für das eigene Leben

Es sind die Ansprüche, die ich an mich habe. Ich will möglichst gut, möglichst gesund und möglichst glücklich leben. Um die passenden Voraussetzungen dafür zu schaffen, gehören unangenehme Dinge – fürchte ich – dazu. Mit unangenehmen Dingen meine ich beispielsweise den bereits erwähnten Basalratentest, Erfahrungen außerhalb der Komfortzone oder auch die Erkenntnis, dass ich immer noch nicht die Person bin, die ich sein möchte, und dass ich daran arbeiten muss. Ich habe die Verantwortung dafür. Ich habe Verantwortung für ein ganzes Leben, nämlich meins. In diesem Leben muss ich manchmal Dinge tun, von denen ich denke, ich könne sie nicht. Und dann schaffe ich es trotzdem immer wieder. Letztendlich denke ich, dass es mir zusteht, die große Erschöpfung, die das mit sich bringt, zu spüren und deswegen manchen weiteren Erwartungen nicht gerecht zu werden.


Ein wichtiger Beitrag zum Leben mit einer chronischen Erkrankung kommt von Sara: Diabetes und Selbst-Mitgefühl

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert