Von ungewollten Wegbegleitern und neunmalklugen Besserwissern

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Von ungewollten Wegbegleitern und neunmalklugen Besserwissern

Zwei Kinder, Junge und Mädchen, haben Streit

Wenn der Diabetes erst mal da ist, will er nicht mehr gehen. Mist – endlich ist man den unliebsamen Mitbewohner der letzten WG los und Herrscher der eigenen vier Wände, nistet sich schon der nächste ein. Diesmal sogar, ohne Miete zu zahlen. Schlimmer kann es doch eigentlich gar nicht mehr kommen.

Dass man den neuen Begleiter nicht mal eben so annehmen kann, wundert niemanden. Eine solch drastische „Umgewöhnung“ ist schwierig und braucht Zeit. Sie verändert das ganze Leben.

Was mir damals sehr geholfen hat, war, darüber zu reden. Mit 4 Jahren habe ich sicherlich noch nicht die ganze Tragweite einer solchen Erkrankung begriffen, aber ich wusste sehr wohl, dass in den Finger gepikt und gespritzt werden weh tut. An manchen Stellen mehr, an anderen weniger. Und es hört nie ganz auf, auch wenn es mit der Zeit besser wird.

Nein, ich bin nicht schuld!

Viele Diabetiker werden es kennen, dass ihnen wegen ihrer Erkrankung Vorwürfe gemacht werden, manchmal sogar von ihrer eigenen Familie. Fast jeder Diabetiker wird schon solche Sätze gehört haben wie: „Du bist doch selbst schuld an deiner Erkrankung, hättest eben nicht so viele Süßigkeiten essen dürfen!“

Wenn ich solche Sätze höre, platzt mir inzwischen fast die Hutschnur. Nein, ich kann nichts für meine Krankheit und meine Eltern haben mich als Kind auch nicht gemästet! Nein, ich habe nicht zu viel genascht und mit Light-Produkten hat Diabetes auch nichts zu tun! Nein, ich habe nicht zu wenig Sport getrieben und mich ungesund ernährt!

Genau diese Sätze könnte ich diesen Besserwissern – die in Wirklichkeit eigentlich so gar keine Ahnung von der ganzen Materie haben – antworten. Aber das würde wohl nichts nützen, weil viele dieser Leute schon eine vorgefertigte Meinung haben, sobald sie das Wort Diabetes nur hören. In solchen Fällen hilft bei mir dann nur, tiiief durchzuatmen und langsam bis zehn zu zählen. Und auf meinen imaginären Boxsack einzuprügeln.

Ja, ich brauche mein Insulin!

Habe ich bei einer solchen Begegnung der unangenehmeren Art genügend Zeit und Muße, setze ich zu einem Vortrag über die Entstehung der verschiedenen Diabetestypen und den Unterschied zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2 an – wenn ich schon aufkläre, dann richtig. Natürlich haben sich auch die Typ-2-Diabetiker ihre Erkrankung nicht ausgesucht und Typ 2 hat auch nicht immer etwas mit falscher Ernährung und zu wenig Sport zu tun, aber bei Typ-1ern, wie ich einer bin, helfen Sport und gesunde Ernährung allein meiner Bauchspeicheldrüse eben auch nicht mehr. Ich muss nun mal spritzen, ohne Insulin würde ich sterben.

Wer sich dann wirklich meinen kompletten Vortrag von A bis Z angehört hat – die meisten verschwinden nämlich spätestens bei der detailgenauen Erklärung, wie das so mit dem Blut und den Nadeln funktioniert –, dem sind die schlauen Sprüche meist vergangen. Oft kommt dann nur noch die Bemerkung, dass sie das ja niiie könnten – aber meine Entgegnung („Dann musst du halt sterben.“) verkneife ich mir in der Regel.

Viele Diabetiker, mit denen ich mich schon über das Thema Aufklärung von Unwissenden unterhalten habe, sagen, dass sie sich gar nicht mehr die Mühe machen, andere Menschen aufzuklären. Weil es ja doch nichts nützen würde. Also wozu sich den Stress machen?

Ich denke aber, irgendwer sollte es doch machen. Und würde ich das nicht machen, würde ich mich wohl mehr darüber ärgern, dass ich es nicht wenigstens versucht habe, das Un- oder Halbwissen von Nicht-Diabetikern zu verbessern. Vielleicht wird dann ja der nächste Diabetiker nicht blöd von der Seite angeredet.

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