Was kostet mich mein Recht?

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Was kostet mich mein Recht?

Der Diabetes ist oft Grund für Rechtsstreitigkeiten. Doch viele scheuen sich, ihr gutes Recht einzufordern, weil sie zu hohe Kosten befürchten oder schlicht nicht wissen, wer kompetent unterstützt. Wir erklären, was die Einschaltung eines Anwalts wirklich kostet und wo man Unterstützung erhält.

Spätestens wenn der Führerschein endgültig weg ist oder der Schwerbehindertenausweis definitiv verweigert wurde, wird Betroffenen klar: Eigentlich hätte man einen Anwalt einschalten müssen. Die Kosten wären meist deutlich geringer gewesen als die Probleme, die bei verkorkster Sache nun bestehen.

“Schnell mal eine Frage …”

“Ich habe nur mal eine kurze Frage” oder “Das können Sie sicher ganz schnell beantworten”: Als Anwalt bekommt man immer wieder solche Anfragen von meist wildfremden Menschen zu hören, die eine kostenlose Auskunft wünschen. Dies ist schlichtweg unverschämt und zeigt, dass die eigene geistige Leistung von solchen Menschen nicht honoriert und wertgeschätzt wird. Es sollte jedem klar sein, dass ein Anwalt seine Zeit und sein in jahrelangem Studium erlangtes Fachwissen nicht einfach umsonst jedermann zur Verfügung stellen kann und will.

Man geht ja auch nicht zum Bäcker und erwartet von diesem kostenlose Brötchen mit dem Argument, dass er dank seiner Erfahrung und Maschinen ja schnell backen kann. Beim Anwalt kommt hinzu, dass er für die Richtigkeit seiner Auskunft auch noch haftet: Selbst eine nur kurze anwaltliche Beratung ist die Inanspruchnahme eines professionellen Dienstleisters, die grundsätzlich auch zu bezahlen ist.

Wie berechnet man Anwaltskosten?

Die Berechnung der Anwaltskosten ist nicht ganz einfach und hängt auch vom jeweiligen Rechtsgebiet sowie der Tätigkeit ab: Bei Straf- und Bußgeldsachen (Probleme aufgrund eines Unfalls etc.) gibt es für bestimmte Tätigkeiten gesetzlich vorgeschriebene Rahmengebühren, innerhalb derer die Vergütung festgesetzt werden kann.

Zivilrechtlichen Angelegenheiten

Bei zivilrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich einfach gesagt um alle Streitigkeiten, bei denen der Staat nicht beteiligt ist. Hier werden die Anwaltskosten meist auf Basis des “Gegenstandswerts” oder auch “Streitwerts” berechnet; hierbei handelt es sich um den Wert der Streitigkeit: Bei Geldforderungen ist dies zum Beispiel der Betrag, um den gestritten wird. Schwieriger wird es bei wiederkehrenden Leistungen – vor allem bei Miete, Lohn- oder Versicherungsleistungen bzw. bei Kündigungsschutzklagen: Hier wird eine mehrfache Monatszahlung angesetzt.

Bei einem Kündigungsstreit beträgt der Streitwert üblicherweise drei Monatslöhne; wenn es um Leistungen aus einer Lebensversicherung geht, dann wird der Wert von ungefähr 36 Monatszahlungen herangezogen. Die eigentlichen Anwaltsgebühren werden einer Tabelle entnommen, die im Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) vorgeschrieben ist. Je höher der Streitwert ist, desto höher sind die Gebühren des Anwalts.

Sozialrechtliche Angelegenheiten

Sozialrechtliche Angelegenheiten sind zum Beispiel der Streit um die Anerkennung einer Schwerbehinderung oder mit der Arbeitsagentur bzw. Rentenversicherung. Hier gelten Gebührenrahmen, innerhalb derer der Anwalt sich bei der Kostenrechnung bewegen darf. Gerichtliche Angelegenheiten sind alle Tätigkeiten, bei denen ein Gericht beteiligt ist. Hier darf der Anwalt die im RVG vorgeschriebenen Mindestgebühren nicht unterschreiten.

Außer- bzw. vorgerichtlichen Angelegenheiten

Nur bei außergerichtlichen bzw. vorgerichtlichen Angelegenheiten (wie bloße Besprechungen, die Fertigung eines Widerspruchsschreibens oder die Prüfung eines Zeugnisses) dürfen die Gebühren auch niedriger sein. Selbstverständlich ist es aber jederzeit möglich, mit dem Anwalt eine höhere Vergütung zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nur gültig, wenn Sie zuvor darauf hingewiesen wurden, dass dies zu einer Überschreitung der gesetzlichen Gebühren führt.

Welche Kosten im Einzelfall konkret anfallen, lässt sich pauschal nicht sicher voraussagen – es hängt immer vom konkreten Fall und Aufwand ab.

Die Erstberatung

Die Beratung durch einen Anwalt kann viel Ärger ersparen. Die Kosten dafür hängen in der Regel vom Zeitaufwand ab sowie davon, um “was” bzw. “wie viel” es geht. Bei einfachen Auskünften bzw. kurzen Beratungen müssen Sie üblicherweise mit Kosten zwischen 80,00 und 160,00 € rechnen. Bei Verbrauchern, also allen Privatpersonen, dürfen die Anwaltskosten für eine erste Beratung höchstens 226,10 € betragen.

Außergerichtliche Tätigkeit

Sobald der Anwalt über eine bloße Beratung hinaus tätig wird – beispielsweise wenn er einen Schriftsatz für Sie fertigt oder mit dem Gegner telefoniert –, fallen weitere Gebühren an, die sich dann auf Basis des Streitwerts bzw. innerhalb der Gebührenrahmen berechnen. Wenn das Versorgungsamt zum Beispiel die Feststellung Ihrer Schwerbehinderung ablehnt und ein Anwalt für Sie hiergegen Widerspruch einlegt, dann kann sich seine gesetzliche Anwaltsgebühr zwischen 40,00 € und theoretisch 520,00 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer bewegen.

Tatsächlich darf er aber die Mittelgebühr, also 280,00 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer, nur in begründeten Fällen überschreiten: also allenfalls bei überdurchschnittlich schwierigen oder aufwendigen Angelegenheiten. Eine Ausnahme gilt nur, wenn Sie mit ihm eine darüber hinausgehende Vereinbarung getroffen haben – dann müssen Sie natürlich das dort vereinbarte Honorar bezahlen.

Die gerichtliche Tätigkeit

Kommt es zur Klage, dann erhält der Anwalt eine Verfahrensgebühr. Findet ein Gerichtstermin statt, dann kommt eine Terminsgebühr hinzu. Einigen sich die Parteien oder wird die Angelegenheit durch einen neuen Bescheid der Behörde erledigt, dann kann zusätzlich auch eine Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr anfallen. Wenn vom RVG hierfür keine Rahmengebühren vorgeschrieben sind, dann hängt die Gebührenhöhe vom Streitwert ab:

Bei einer Kündigungsschutzklage im Arbeitsrecht gibt es keine Rahmengebühren; die Kosten berechnen sich daher auf Basis des Streitwerts. Dieser beträgt in solchen Fällen üblicherweise einen Dreimonatslohn. Bei einem Bruttoeinkommen von 3 000 € wäre der Streitwert also 9 000 €. Die Anwaltskosten belaufen sich dann auf ca. 1 400 € plus Mehrwertsteuer.

Eine Vertretung im Strafverfahren zum Beispiel nach Führerscheinentzug bemisst sich dagegen nach Rahmengebühren. Für das komplette Verfahren kann der Anwalt meist zwischen 400 und 900 € abrechnen – und dabei ist es grundsätzlich egal, wie dick die Akte ist.

Geringer sind die Gebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten: Für eine Klage vor dem Sozialgericht berechnen sich die Anwaltskosten ebenfalls in Form von Rahmengebühren. Selbst bei sehr langen und umfangreichen Verfahren erhält der Anwalt selten mehr als einige hundert Euro – zusammengerechnet für die komplette Klage und die Wahrnehmung von Gerichtsterminen. Eine vorherige außergerichtliche Tätigkeit wird dabei zur Hälfte auch noch angerechnet.

Sehr geringe Gebühren: Nur wenige Anwälte befassen sich mit Sozialrecht

Oft sind die nach dem RVG berechneten, gesetzlichen Gebühren so niedrig, dass der Anwalt kaum wirtschaftlich arbeiten kann. Rechnet man den damit verbundenen, hohen Arbeits- und Zeitaufwand ein, so liegen die Anwaltsgebühren gerade in sozialrechtlichen Angelegenheiten nicht selten im Bereich des Mindestlohns. Vor diesem Hintergrund erklärt sich übrigens, dass es nur relativ wenige Anwälte gibt, die sich mit Sozialrecht befassen.Vielmals ist eine anwaltliche Vertretung auch nur möglich, wenn eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird, d.h. wenn der Mandant mehr als die gesetzlichen Mindestgebühren bezahlt.

Wie hoch liegen die Anwaltskosten?

In zivilrechtlichen Streitigkeiten gilt: Wer verliert, der bezahlt die gesamten Kosten des Rechtsstreits, also auch die Gerichtskosten und Anwaltsgebühren aller Beteiligten. Eine Ausnahme gilt im Arbeitsrecht: Dort müssen Sie den Anwalt (zumindest bis zur 1. Instanz)immer selbst bezahlen, selbst wenn die Klage gewonnen wird. Eine Kostenerstattung findet dort nicht statt.

Im Sozialrecht werden die Anwaltskosten nach erfolgreicher Klage von der Staatskasse übernommen; wenn Sie verlieren, müssen Sie aber die Kosten der Behörde nicht tragen.

Sofern Sie in Strafverfahren freigesprochen werden, zahlt die Staatskasse ihre notwendigen Auslagen sowie die Verfahrenskosten. Im Fall einer Verurteilung müssen Anwalts- und Verfahrenskosten von Ihnen getragen werden.

Wichtig: Wenn der Gegner, die Staatskasse oder eine Rechtsschutzversicherung zur Erstattung ihrer Kosten verpflichtet ist, dann zahlen diese lediglich die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG. Wenn Sie also mit dem Anwalt eine höhere Vergütungsvereinbarung getroffen haben, dann müssen Sie den überschießenden Differenzbetrag selbst bezahlen.

Eine Rechtsschutzversicherung ist empfehlenswert

Gerade in verkehrsrechtlichen Streitigkeiten kommt es oft zu hohen Verfahrenskosten durch Gutachter oder Zeugen. Auch arbeitsgerichtliche Prozesse sind relativ teuer. Immer öfters gibt es auch Streit mit der Krankenkasse, weil Hilfsmittel wie Insulinpumpe oder ein kontinuierliches Glukosemonitoringsystem nicht übernommen werden.

Eine Rechtsschutzversicherung ist daher empfehlenswert: Denn diese übernimmt, soweit vom Versicherungsumfang gedeckt, die Kosten eines Rechtsstreits – also die eigenen Anwaltskosten, Gerichtskosten, die Anwaltskosten der Gegenseite sowie etwaige Kosten für Zeugen und Sachverständige. In sozialrechtlichen Streitigkeiten wird in der Regel jedoch erst ab der Klage bezahlt; ein vorheriges Widerspruchsverfahren ist somit meist nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt.

Eine Rechtsschutzversicherung bezahlt allerdings nur die gesetzlichen Mindestgebühren. Gerade in sozialrechtlichen Angelegenheiten muss jedoch damit gerechnet werden, dass der Anwalt seine Tätigkeit von einem zusätzlichen “Gebührenaufschlag” abhängig macht, der von Ihnen selbst zu tragen ist.

Wichtig: Häufig erwarten Mandanten, dass der Anwalt sich um die Einholung einer Deckungszusage bei ihrer Rechtsschutzversicherung kümmert. Der Anwalt ist zu einer solchen zusätzlichen Dienstleistung aber nicht verpflichtet, zumal diese mit seinem eigentlichen anwaltlichen Auftrag ja auch gar nichts zu tun hat. Auch der damit verbundene (Begründungs-)Aufwand ist meist nicht unbeträchtlich. Zumindest bei hohen Streitwerten bzw. langjährigen Mandanten wird die Einholung einer Deckungszusage vom Anwalt aber oft als Service kostenfrei miterledigt.

Hilfe für einkommensschwache Personen

Wer keine Rechtsschutzversicherung oder zu wenig Geld für einen Anwalt hat, der kann vom Staat die “Beratungshilfe” erhalten. Diese kann bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Amtsgerichts relativ problemlos beantragt werden: Schildern Sie dort das konkrete Problem und bitten, hierfür die Beratung durch einen Anwalt zu bewilligen. Wenn Sie über wenig Einkommen verfügen und/oder hohe Belastungen haben (Nachweise bzw. Auszüge vorlegen!) und ihr Anliegen nicht offensichtlich aussichtslos bzw. rechtsmissbräuchlich ist, dann stellt das Gericht einen Beratungshilfeschein aus.

Mit diesem Schein können Sie sich grundsätzlich von jedem Anwalt beraten bzw. vertreten lassen; der Anwalt rechnet dann mit der Staatskasse ab und darf von Ihnen lediglich einen Eigenanteil von 10,00 € verlangen. Auch wenn der Anwalt vom Staat in der Regel nur knapp 70,00 € erhält: Er darf Sie nur im Ausnahmefall ablehnen und auch keine höhere Vergütung verlangen! Die Beratungshilfe gilt aber nur für außergerichtliche Angelegenheiten.

Wenn ein Gerichtsverfahren ansteht, dann kann Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt werden; dies wird regelmäßig vom Anwalt für Sie erledigt. PKH wird gewährt, sofern Sie finanziell nicht in der Lage sind, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, und wenn die Sache Aussicht auf Erfolg hat.

Mit Gewährung der PKH werden die Gerichtskosten sowie die Kosten Ihres eigenen Anwalts von der Staatskasse bezahlt. Allerdings: Kosten, die Sie an den Gegner erstatten müssen, sind hiervon nicht abgedeckt!

Spezielle Beratungsangebote für Menschen mit Diabetes

Für Menschen mit Diabetes gibt es zahlreiche Möglichkeiten, kompetente Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für Mitglieder des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB) oder von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe wird beispielsweise eine kostenlose Rechtsberatung angeboten. Daneben gibt es auch von anderen Stellen noch Unterstützung: In vielen Selbsthilfegruppen, bei anderen Betroffenenorganisationen, beim Sozialverband VdK Deutschland und auch im Internet kann man Hilfe erhalten.

Einen besonderen Service bietet das Diabetes-Journal auch schon seit Jahren seinen Abonnenten – siehe Info-Kasten am Textende!

Aber egal, wo Sie sich informieren: Achten Sie darauf, dass die erhaltene Auskunft wirklich von verlässlicher und kompetenter Quelle kommt. Im Zweifel sollten dies nur ausgebildete und auch mit Diabetes nachweislich befasste Juristen sein.

Und natürlich nicht zu vergessen:
Abonnenten des Diabetes-Journals erhalten kostenfreie telefonische Rechtsberatung: Rechtsanwalt und Autor Oliver Ebert steht dazu persönlich zweimal im Monat für Ihre Anfragen zur Verfügung: Die genauen Daten stehen auf Ihrer Abonnenten-Urkunde. Bereits mit nur einer Anfrage haben sich die Kosten des Abonnements also schon für Sie gelohnt!

von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart
E-Mail: Sekretariat@rek.de

Internet: www.diabetes-und-recht.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (5) Seite 58-62

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