Was passiert eigentlich, wenn man sein „Spritzbesteck“ verliert?

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Was passiert eigentlich, wenn man sein „Spritzbesteck“ verliert?

Vergangenes Wochenende war es endlich so weit – der lang ersehnte Junggesellenabschied fand statt. Wir trafen uns vormittags und freuten uns auf einen wunderbaren Tag, an dem wir dem Bräutigam einen letzten schönen Tag vor der bevorstehenden Eheschließung bescheren wollten. Ich war ganz erstaunt, dass noch einer der Teilnehmer ein Typ 1er war – und zugegebenermaßen auch ein bisschen erfreut, denn so konnten wir gegenseitig ein wenig aufeinander aufpassen.

Der Tag begann wie geplant und wir hatten viel Spaß bei den vorbereiteten Aktivitäten, die wir für den Bräutigam ausbaldowert hatten. Es lief alles glatt und die Stimmung wurde immer besser.

Kurz vor dem Abendessen bemerkte mein Diabetesgenosse allerdings, dass sein Etui mit Pens und Messgerät verschwunden war. Wir durchsuchten alle Jacken, das Auto, wir kehrten zurück zu allen besuchten Orten (die glücklicherweise alle in Laufweite lagen) und taten wirklich alles, um das Etui wiederzufinden. Leider ohne Erfolg.

Man standing and getting something out of his backpack isolated on gray
Man standing and getting something out of his backpack isolated on gray

Tipp 1: Immer Ersatz dabeihaben – separat verpackt

Ich konnte in der Situation auch nicht helfen, denn mein Insulin befand sich im Pod, welcher wiederum an meinem Körper befestigt war. Ein Messgerät hatte ich auch nicht dabei – mein FreeStyle Libre tat seinen Dienst vorschriftsgemäß und ohne Probleme.

Zwei Diabetiker und kein Ersatzpen, kein Messgerät und kein Insulin – das ist schon eine sehr bescheidene Situation. Und ja, natürlich war das leichtsinnig von uns beiden. Mir hätte schließlich der Pod abfallen können, dann hätte ich auch blöd dagestanden. Aber darum geht es hier nicht, wir wissen, was wir falsch gemacht haben. Nur so viel: Habt immer Ersatz dabei, und zwar separat verpackt!

Damit war der geplante zeitliche Ablauf leider dahin. Die lange Suche nach den Utensilien führte dazu, dass der anstehende Discobesuch ins Wasser fiel. Und die Stimmung wurde durch die Situation auch nicht besser.

Was also tun? Ein Aufruf in diversen einschlägigen Facebook-Gruppen blieb leider ohne Erfolg. Es gab zwar Antworten, aber die potenziellen Helfer waren alle zu weit weg, obwohl wir uns in einer größeren Stadt befanden. Und damit ging die Odyssee los.

Ohne Rezept geht gar nichts

Zunächst galt es herauszufinden, welche Apotheken Notdienst hatten. Schließlich war es Samstagabend gegen 23:30 Uhr. Dank Google war es kein Problem, die nächsten drei Notdienstapotheken zu identifizieren. Doch schon der Anruf in der ersten Apotheke war nicht von Erfolg gekrönt. Man habe das vorrätige NovoRapid gerade verkauft.

Der zweite Anruf war ebenso ernüchternd, denn die Dame am anderen Ende der Leitung wollte gar nicht erst schauen, ob NovoRapid vorrätig ist, sondern zunächst einmal wissen, was denn auf dem Rezept stünde. Als ich ihr sagte, dass wir noch gar kein Rezept haben, wurde sie sogar ein wenig pampig. Ich konnte sie dann freundlich überzeugen, doch mal in ihren Kühlschrank zu schauen, wobei sich herausstellte, dass sowohl NovoRapid Penfill als auch Flexpens vorrätig waren. Mehr wollte ich zunächst gar nicht wissen, denn nun konnten wir uns um ein Rezept kümmern.

Die Fahrt in die nächstgelegene Notfallklinik versüßten wir uns mit einschlägigen Mallorca-Schlagern, um nicht vollends den eigentlichen Zweck des Abends zu vergessen. Dabei war es unser großes Glück, dass wir einen Fahrer hatten, der unseren Van chauffierte, ohne einen Schluck Alkohol getrunken zu haben. Hätten wir diese Möglichkeit nicht gehabt, wäre das alles noch viel schwieriger geworden…

Der Arzt tat uns irgendwie leid

In der Klinik angekommen wurden wir von einem sehr unfreundlichen Pförtner begrüßt, der unseren „Notfall“ dann an den diensthabenden Arzt weiterleitete. Nach ungefähr 30 Minuten Wartezeit trat dieser aus seinem Zimmer und begrüßte uns müde und unmotiviert. Er tat uns irgendwie leid – im Laufe des Gespräches wurde er deutlich freundlicher und berichtete von seiner 24-Stunden-Schicht, die sichtlich Spuren bei ihm hinterlassen hatte.

Leider hatte der Mann augenscheinlich keine Ahnung von Diabetes und sprach dauernd und recht zusammenhanglos von einer Mindestversorgung (sein Deutsch war begrenzt). Es war nicht ganz leicht, ihm zu erklären, was wir benötigten. Nach weiteren 30 Minuten verließen wir die Klinik müde, aber immerhin mit einem Rezept für NovoRapid Flexpens. Damit sollten wir doch über die Runden kommen, oder?

Inzwischen war es kurz vor halb eins und unsere Motivation noch weiter geschwunden. Wir machten uns auf den Weg zur avisierten Apotheke, die ungefähr fünf Kilometer außerhalb der Stadt in einem kleinen Vorort lag. Dort angekommen, wurden wir von einer Apothekerin begrüßt, die sich redlich, aber leider vergeblich bemühte, unsere Wünsche zu erfüllen. Es dauerte mehr als 15 Minuten, um an die ersehnten Flexpens zu kommen, da die arme Dame mehrfach nachfragen und wieder ins Lager gehen musste.

Tipp 2: Genau schauen, was auf dem Rezept steht und was man in der Apotheke bekommt

Im Auto bestand ich darauf, den Inhalt der Tüte eingehend zu untersuchen, bevor wir weiterfuhren. Und siehe da: Die Flexpens waren zwar vorhanden, aber leider keine Kanülen. Die standen nämlich nicht auf dem Rezept – wir mussten erneut die Nachtglocke der erstaunlich gut frequentierten Apotheke betätigen und die Kanülen käuflich erwerben. Bei der Gelegenheit fragte ich, ob es nicht möglich sei, kurz den Blutzucker bei unserem Pechvogel zu messen, denn er hatte ja auch sein Messgerät verloren und befand sich seit einigen Stunden im Blindflug. Wider Erwarten bot uns die Dame ein kostenloses Testexemplar an – perfekt! Das war auch bitter nötig, denn der Wert befand sich bereits jenseits der 400 mg/dl (22,2 mmol/l).

Sollte Euch so etwas passieren, dann achtet also wirklich genauestens darauf, dass alles Nötige vorhanden ist, bevor Ihr das Krankenhaus bzw. die Apotheke verlasst.

Endlich hatten wir also alle Utensilien beisammen, um den restlichen Abend und die Nacht zu überstehen. Damit war natürlich die Partystimmung dahin – wir haben trotzdem das Beste daraus gemacht.

Hier müsste man doch etwas vereinfachen können?

Mir ist natürlich klar, dass jeder selbst dafür verantwortlich ist, seine Utensilien beisammen zu haben. Als Mensch mit Diabetes sollte man Ersatz mitführen, um auch dann gerüstet zu sein, wenn alle Stricke reißen. Wie wichtig das ist, ist mir an diesem Abend wieder bewusst geworden.

Nichtsdestotrotz ist es nun einmal passiert – der Kram war weg und wir hatten keinen Ersatz. Es war sehr aufwändig und langwierig, Ersatz zu erhalten, und nebenbei wurden auch noch Ärzte belästigt, die unter Umständen Wichtigeres zu tun haben (an diesem Abend war es glücklicherweise ruhig). Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir kein Auto gehabt hätten, auf dem Land oder gar im Ausland gewesen wären.

Ich frage mich, ob es nicht möglich ist, das System ein wenig zu vereinfachen. Wäre es zum Beispiel denkbar, mit einem Diabetikerausweis in die Apotheke zu gehen und dort ein Notfallset zu erhalten mit der Möglichkeit, das entsprechende Rezept schnellstmöglich nachzureichen? Wie oft kommt es überhaupt vor, dass in Deutschland so etwas passiert? Habt Ihr dergleichen schon einmal erlebt? Ich bin gespannt auf Eure Berichte.

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