Wenn die Pumpe mitdenkt

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© Ypsomed
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Wenn die Pumpe mitdenkt

Ich trage seit fast 20 Jahren eine Insulinpumpe und habe schon verschiedene Modelle kennengelernt. Auch der Glukosesensor ist in den vergangenen sechs Jahren zur lieb gewonnenen Selbstverständlichkeit geworden, mit dem Dexcom G6 bin ich schon vertraut. Der mylife Loop ist für mich das erste System, in dem die beiden Geräte miteinander kommunizieren und mit entsprechend viel Spannung und Hoffnung bin ich letzten Spätsommer in meine Probephase gestartet.

Quelle: mylife

Die Insulinpumpe

Die YpsoPump ist klein, leicht und ich finde das iconbasierte Menü angenehm und intuitiv bedienbar. Sie läuft mit AAA-Batterien und das Reservoir fasst 1,6ml. Die YpsoPump ist mit drei Typen von Kathetern (mit Kanülen und Schläuchen unterschiedlicher Länge) verwendbar:

  • Orbit soft (Teflon)
  • Orbit micro (Stahl)
  • Inset (Teflon)

Besonders charmant finde ich persönlich, dass man die Orbits wahlweise mit oder ohne Schlauch bestellen kann – ich wechsle ja nicht jedes Mal Schlauch und Kanüle und muss bei Kombipaketen sonst immer den Schlauch wegwerfen. Ein schönes Beispiel, wie man im Kleinen Müll vermeiden kann! Man kann alle Komponenten Ampulle, Schlauch und Kanüle unabhängig voneinander wechseln. Doch nun zum wirklich spannenden Teil: Wie kommunizieren Pumpe und Sensor miteinander?

Die camAPS FX App

Screenshot von der Bolus-Berechnungs-Ansicht in der mylife loop App
Quelle: Mirjam Eiswirth

Sensor (wahlweise Dexcom G6 oder FreeStyle Libre 3) und Pumpe senden beide Daten an die camAPS FX App. Diese läuft aktuell auf Android OS, die IOS-Version ist in Vorbereitung. In der App ist der camAPS-Algorithmus hinterlegt. Wird der Automodus aktiviert, berechnet der Algorithmus alle 8-12 Minuten die Anpassung der Insulindosis. Dazu braucht die App einige grundlegende Informationen:

  • mein mittlerer Tagesinsulinbedarf der letzten 5 Tage
  • mein Gewicht
  • mein Kohlenhydrat-Insulin-Verhältnis
  • meine Insulinempfindlichkeit („Korrekturfaktoren“)
  • meine Glukose-Zielwerte (frei einstellbar zwischen 80mg/dl und 200mg/dl bzw. 4,5mmol/l und 11,0mmol/l), die für unterschiedliche Zeiträume unterschiedlich definiert werden können

Außerdem muss ich die Basalrate hinterlegen – auf diese wird aber nur zurückgegriffen, falls keine Sensordaten zur Verfügung stehen oder der Automodus anderweitig unterbrochen wird. Sind diese Informationen bekannt, kann der Automodus starten.

Essen und Sport mit dem mylife Loop

Screenshot vom Fenster "Mahlzeit eingeben" in der mylife loop App
Quelle: Mirjam Eiswirth

Auch wenn der Algorithmus die Basalratenmodulation übernimmt, muss ich Mahlzeiten weiterhin eingeben und separat mit Insulin abdecken. Hierzu gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Der erste Weg führt über das Essens-Symbol auf dem Startbildschirm der App. Hier wird der Bolusrechner genutzt und basierend auf der Eingabe der Kohlenhydrate die Insulindosis berechnet. Will ich die Dosis ändern, kann ich sie hier noch manuell anpassen, beispielsweise vor dem Sport oder, wenn meine Insulinempfindlichkeit besonders hoch oder niedrig ist. Die zweite Option nutzt den Punkt „Mahlzeit eingeben“ im seitlichen Menü – hier wird kein Bolus abgegeben, sondern der Algorithmus nur informiert, dass der Glukosewert durch eine (mögliche) Mahlzeit beeinflusst werden könnte. Hier kann ich zwischen „Snack“, „Hypo-Behandlung“ und „Langsam resorbierbare Mahlzeit“ wählen. Wähle ich eine dieser Möglichkeiten, lösen sie nur dann eine zusätzliche Insulinabgabe aus, wenn der Glukosewert tatsächlich steigt. Damit sind sie gut geeignet, wenn nicht klar ist, wann oder ob ich meine Mahlzeit komplett esse oder ob ich mich doch noch spontan nach dem Essen bewegen will.

Nicht nur Essen ist ein großes Thema, sondern auch Sport. Hier wird der „Ease-Off“-Modus in Kombination mit einer Anpassung des Zielwertes empfohlen. Ulrike Thurm und Bernhard Gehr beschreiben in ihrem Merkblatt ausführlich, wie man bei Sporteinheiten unterschiedlicher Länge und Intensität mit dem mylife-camAPS-FX-System arbeiten kann.

Der mylife Loop im Einsatz

Für mich, die mehrere Jahrzehnte ihre Zuckerwerte selbst in der Hand hatte, ist so ein AID-System eine riesige Umgewöhnung: Jetzt lautet die Devise „Lass den Algorithmus lernen“, „Lass die Finger davon“, während ich vorher immer vorausschauend planen und die Insulindosis aktiv anpassen musste. Das fiel mir in den ersten Wochen schwer, insbesondere, weil der Algorithmus wirklich erst einmal lernen und ich herausfinden musste, wie ich ihm kommuniziere, was ich brauche. Dass ich im Alltag nur sehr wenige Kohlenhydrate esse, machte dieses Kennenlernen eher schwieriger als leichter, weil insbesondere Eiweiß die Glukosewerte verzögert ansteigen lässt (Langsamer Fahrerwechsel: Zwischenstand beim Ausprobieren des mylife Loops – Blood Sugar Lounge (blood-sugar-lounge.de)). Wer eher kohlenhydratbasiert isst, hat hier ein leichteres Spiel, denn der Algorithmus arbeitet auf Basis der Kohlenhydratberechnung.

Mahlzeiten mit viel Fett und Eiweiß mit dem mylife Loop

Nach einigem Experimentieren habe ich für mich folgende Lösung gefunden: Den Kohlenhydrat- und einen Teil des Eiweiß-Anteils in meiner Mahlzeit decke ich über einen direkten Bolus mit dem Bolusrechner ab, die restlichen Fett-Protein-Einheiten trage ich dann als „Snack“ ins zweite Menü ein und stelle für 1-2 Stunden nach der Mahlzeit den Boost an. Das ist zwar eine Off-Label-Verwendung des Boost-Modus, der offiziell für Krankheit oder Zeiten erhöhter Insulinresistenz gedacht ist, funktioniert für mich aber.

Fazit: macht mein Leben leichter

Nachdem ich das System nun im Alltag, beim Reisen und über die Feiertage ausprobieren konnte, bin ich sehr zufrieden. Mein HbA1c-Wert ist gleichermaßen gut geblieben (5,6%), ich habe weniger Unterzuckerungen (knapp 3% statt 5%) und weniger Arbeit mit dem Glukosemanagement. Außerdem bin ich flexibler im Essen – bis zum Start des Loops war ich sehr konsequent ketogen unterwegs, mit dem Loop eher Low Carb.

Ramona Stanek von Ypsomed und Mirjam Eiswirth beim Einrichten des mylife loops
Quelle: Mirjam Eiswirth

Einige Mankos hat das System aus meiner Sicht dennoch: Erstens fehlt eine Anzeige des aktiven Insulins, das die Basalratenmodulation mit einbezieht. Das wäre gerade mit Blick auf Sport sehr hilfreich. Zweitens hätte ich gerne die Möglichkeit, einen verzögerten Bolus einzugeben, um Mahlzeiten mit viel Eiweiß abzudecken – es gibt zwar die Optionen „Langsam resorbierbare Mahlzeit“, „Snack“ und den Boost, aber hier hätte ich gerne selbst mehr Steuerungsmöglichkeiten. Und drittens hätte ich gerne eine Warnung, wenn durch den Algorithmus länger kein Insulin abgegeben wird. Insgesamt aber ist das System eine große Erleichterung im Alltag, das den Aufwand im Diabetesmanagement deutlich reduzieren kann.


Technische Daten

Technische Daten mylife YpsoPump (Quelle: mylife YpsoPump – Pumpencafe)

  • Größe: 78 x 46 x 16 mm
  • Displaygröße: 41 x 16 mm, OLED-Touchscreen
  • Gewicht: 83 g (einschließlich Batterie und gefüllter Patrone)
  • Vorgefüllte Insulinpatrone 1,6 ml oder selbst befüllbares mylife YpsoPump Reservoir 1,6 ml
  • Batterie: 1 x 1,5-Volt-Alkaline-Batterie (LR03) der Baugröße AAA
  • Bluetooth 4.0 Low Energy 2400 bis 2483,5 MHz
  • Option einer permanenten Bluetooth-Verbindung zwischen mylife YpsoPump und insgesamt fünf Bluetooth-fähigen Geräten
  • Wasserschutz-Klassifikation: IPX8 nach EN 60529 (Untertauchen 1 m bis zu 60 Minuten)

Technische Daten mylife Loop

  • Verwendbar mit Adroid OS
  • Kompatible Sensoren: Dexcom G6 und Libre 3
  • Max. 6m Abstand zwischen Pumpe und Mobiltelefon

Ihr wollt Schritt für Schritt miterleben, wie der Wechsel von Pumpe + Sensor (ohne Loop) zum mylife Loop war? Hier kommt ihr zur Übersicht von Mirjams Beiträgen!

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