Wie weit soll der Blutdruck gesenkt werden?

3 Minuten

Wie weit soll der Blutdruck gesenkt werden?

Ein niedriger Blutdruck im Alter schützt vor Schlaganfall und Herzerkrankungen. Auch Menschen über 60 sollten deshalb auf einen gesunden Lebensstil achten und gegebenenfalls Medikamente gegen einen zu hohen Blutdruck einnehmen, rät die Deutsche Hochdruckliga DHL. Wie weit ein erhöhter Blutdruck jedoch gesenkt werden sollte, wird derzeit diskutiert. Die Deutsche Hochdruckliga kommt in einer Stellungnahme zu einer anderen Einschätzung als aktuelle Empfehlungen zweier US-Gesellschaften.

Im Alter kommt es bei den meisten Menschen zu einem Anstieg des Blutdrucks. Die frühere Regel, wonach ein oberer systolischer Blutdruck von 100 plus Lebensalter normal ist, gilt schon lange nicht mehr. „Es ist nicht nur erwiesen, dass ein hoher Blutdruck im Alter das Risiko erhöht, an Schlaganfall oder Herzerkrankungen zu sterben“, berichtet Professor Bernhard Krämer, Direktor der V. Medizinischen Klinik an der Universitätsmedizin Mannheim. Auch der Nutzen einer medikamentösen Blutdrucksenkung ist durch Studien gut belegt. „Wer im Alter auf einen normalen Blutdruck achtet, lebt länger“, so der Vorstandsvorsitzende der DHL®.


»Wer im Alter auf einen normalen Blutdruck achtet, lebt länger.«
Professor Bernhard Krämer, Universitätsmedizin Mannheim

Zwischen 140 und 150 mmHg – das gilt für (fast) alle

Offen ist nur, bis zu welchem Wert der Blutdruck gesenkt werden sollte. Die aktuell gültigen, gemeinsamen Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften, der Deutschen Hochdruckliga DHL® und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie aus dem Jahr 2014 raten allen Menschen unter 80 Jahren mit einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg oder höher zur Behandlung, wenn alle nichtmedikamentösen Maßnahmen keine Wirkung gezeigt haben. Dabei sollte ein Zielwert zwischen 140 bis 150 mmHg angestrebt werden. Sind die Patienten besonders leistungsfähig, können auch Werte unter 140 mmHg angestrebt werden. Zählen sie eher zur gebrechlichen Patientengruppe, wird der Blutdruck je nach individueller Verträglichkeit eingestellt. Auch für Personen über 80 Jahre gelten als Blutdruckziel zwischen 140 bis 150 mmHg; sofern sie in einem guten Allgemeinzustand sind.

Den Blutdruck stark senken – bringt das was?

Ob eine weitere Senkung vorteilhaft ist, wird seit Längerem diskutiert. Zwei größere Therapiestudien der letzten Jahre haben untersucht, ob eine Senkung des Blutdrucks auf den systolischen Normalwert von jungen Menschen von 120 mmHg vorteilhaft wäre. Dies waren die ACCORD-Studie mit fast 5000 Diabetikern und die SPRINT-Studie an über 9000 Nichtdiabetikern. „ACCORD und SPRINT kommen auf den ersten Blick zu konträren Ergebnissen“, berichtet Professor Krämer. In der ACCORD-Studie war die aggressive Blutdrucksenkung ohne Vorteile. „Die Einnahme der Medikamente schien den Patienten eher zu schaden“, so der Experte. „Die SPRINT-Studie wurde dagegen vorzeitig gestoppt, weil es unter der Blutdrucksenkung zu weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weniger Todesfällen kam.“

US-Gesellschaften: zu starke Senkung bringt nichts

Beide Studien müssen im Kontext mit früheren Untersuchungen betrachtet werden. Hierzu liegt eine aktuelle Übersicht und Meta-Analyse vor, die zur Vorbereitung einer neuen Leitlinie von zwei US-Gesellschaften erstellt wurde: Laut dem American College of Physicians (ACP) und der American Academy of Family Physicians (AAFP) ergebe diese Analyse, dass eine Blutdrucksenkung bei über 60-Jährigen auf unter 150 mmHg die Sterblichkeit senke, wobei der größte Effekt durch die Vermeidung von Schlaganfällen erzielt werde.

Bei einer Absenkung des Blutdrucks auf unter 140 mmHg werde dagegen nur noch ein marginaler Zusatznutzen erzielt. Ein Vorteil für die Gesamtsterblichkeit sei dann in der Meta-Analyse nicht mehr nachweisbar. Die beiden US-Fachgesellschaften raten aufgrund der Ergebnis-Analyse, den Blutdruck bei älteren Menschen über 60 nur auf 150 mmHg zu senken. Nur bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall hatten oder unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, sollte der Versuch unternommen werden, den Blutdruck auf unter 140 mmHg zu senken.

Die Experten der Deutschen Hochdruckliga sind anderer Ansicht …

Die Deutsche Hochdruckliga teilt diese Empfehlungen nicht: „Bei Betrachtung der Studien zeigen sich in der Meta-Analyse von Weiss et al. ein signifikant besseres Gesamtüberleben, signifikant weniger Schlaganfälle und signifikant weniger kardiale Ereignisse, wenn der obere, der systolische, Blutdruckwert auf unter 140 mmHg gesenkt wird“, gibt Professor Krämer zu Bedenken. Gerade die Mehrheit der über 60-Jährigen habe zudem ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. „Daher sollte der Blutdruck gerade in dieser Altersgruppe auf mindestens unter 140 mmHg gesenkt werden.”


»Gerade in der Altersgruppe der über 60-Jährigen sollte der Blutdruck auf mindestens unter 140mmHg gesenkt werden.«
Professor Bernhard Krämer, Universitätsmedizin Mannheim

Auch die von den US-Gesellschaften angesetzte Altersgrenze von 60 Jahren sei ein zufälliges Ergebnis und vor allem durch das Durchschnittsalter der Patienten in den untersuchten Studien bestimmt. Als Altersgrenze komme allenfalls das 80. Lebensjahr in Frage, so die Einschätzung des Experten. Ein viel wichtigerer Maßstab sei die individuelle körperliche und geistige Verfassung des Patienten.

Deutsche Hochdruckliga verfolgt das Ziel 30-50-80

Die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention bündelt die Expertise zur arteriellen Hypertonie in Deutschland. Gegründet 1974, engagiert sie sich seitdem für eine bessere Versorgung von Menschen mit Bluthochdruck. Weltweit bleibt Bluthochdruck die größte Gefahr für die Gesundheit. Deshalb verfolgt die DHL® das Ziel „30-50-80“: Jeder Mensch ab 30 Jahren sollte seinen Blutdruck kennen. Ab 50 sollte der Blutdruck bei jedem kontrolliert und gut eingestellt sein. Menschen mit 80 sollten nicht an Folgeschäden des Bluthochdrucks wie Schlaganfall oder Herzinfarkt leiden.

Weitere Informationen
Wer sich näher informieren möchte, kann in der Stellungnahme der Hochdruckliga weiterlesen.

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Hochdruckliga

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert