Wo drückt der Schuh?

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Wo drückt der Schuh?

Wer Typ-2-Diabetes hat, der hat ein hohes Risiko für einen Sensibilitätsverlust und für Empfindungsstörungen in den Füßen – die "diabetische Polyneuropathie". Das hat zur Folge, dass er seinen Fuß nicht oder nicht mehr richtig spüren kann. Das mag für manchen zunächst positiv klingen: Was man nicht spürt, kann einen ja nicht stören oder schmerzen. Aber genau darin liegt die Gefahr:

Schmerz hat Warn- und Schutzfunktion

Dadurch, dass man nichts spürt – keinen Stein, keine Scherbe, kein Scheuern –, kann man sich auch nicht selbst vor Schaden bewahren. Gerade der Schmerzreiz hat ja eine Funktion: Der Mensch soll von weiterem Tun dieser Art ablassen, um den Körper zu schützen. Schmerz hat Warn- und Schutzfunktion. Diese entfällt bei Menschen, die unter dem Diabetischen Fußsyndrom leiden – der Hauptfolge von Diabetes mellitus.

Jeder Orthopädieschuhmacher kann bildhaft darüber erzählen, was an menschlichen Tragödien in seinem Laden so alles aufgelaufen ist: Da ist die Rentnerin, die eine Scherbe im Schuh hatte – und nichts spürte. Muscheln im Fuß nach einem Strandspaziergang, blutende Reibungsstellen und vieles mehr.

Fußverletzungen: für Diabetiker hochgefährlich

Diese Verletzungen sind für Diabetiker hochgefährlich: Wunden heilen nur schlecht; Wunden, die sich bilden, werden zum Ulkus. Dieses ist nur schwer wieder heilbar, wenn man Diabetes hat. Wenn man die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes so laufen lässt, ist oft eine Amputation unvermeidbar.

Vielleicht erst nur ein Teil des Fußes; aber schon der Großzeh ist so wichtig für Stabilität beim Laufen und Stehen. Oft müssen auch der gesamte Fuß oder ein Teil des Fußes amputiert werden. Bis zu 40 000 Amputationen im Jahr wegen Diabetes schätzt man. Das gilt es zu verhindern.

Und das große Problem im Nachgang – abgesehen von der verlorenen Mobilität und dem Verlust des Körperteils: Folgeamputationen sind dann meist schon programmiert. Die Sterblichkeitsrate ist besonders erhöht. Eine ständige Fußkontrolle ist extrem wichtig.

Fußpflege und -kontrolle durch Podologen

Viele Diabetiker mit erwähnenswertem Übergewicht oder auch ältere Menschen kommen gar nicht mehr so weit herunter, um auch jeden Teil ihrer Füße oder ihre Füße überhaupt kontrollieren zu können. Fußpflege und -kontrolle durch medizinisch vorgebildete Podologen ist also dringend anzuraten; und wer zum Arzt, zum Diabetologen oder zum Orthopädieschuhmacher geht, sollte auch immer seine Füße kontrollieren lassen.

Der Orthopädieschuhmacher berücksichtigt die besonderen Anforderungen von Diabetikern mit Nervenerkrankungen – er passt das Schuhwerk an, er kann bei Bedarf eigens Schuhwerk auch herstellen. In vielen Fällen kann noch auf vorkonfektionierte Diabetiker-Schuhe zurückgegriffen werden, die aber individuell angepasst und zugerichtet werden müssen.

Wichtig ist zu wissen, dass Diabetiker mit Nervenstörungen eine besondere druckentlastende Bettung im Schuh brauchen: die diabetische Fußbettung. Druckspitzen müssen vermieden werden, damit der Fuß keinen Schaden nimmt. Der Schuh ist sehr weich und hat keine innenliegenden Nähte, die scheuern oder drücken können.

Ab einem bestimmten Stadium des Typ-2-Diabetes und/oder bei weiteren Fußdeformitäten wird der Arzt auch maßgefertigte Diabetesschutzschuhe verschreiben. Spezielle Analysetechniken wie Fußabdruck, Ganganalyse etc. helfen dem Orthopädieschuhmacher, den individuellen Schuh für jeden Diabetiker anzupassen. Laufende Kontrolle des Fußes und des Schuhs ist angesagt. Jede Veränderung muss sofort bemerkt und es muss gegengesteuert werden. So kann durch einen Diabetesschutzschuh meist verhindert werden, dass irgendwann eine Amputation nötig wird.

Wie kommt man an Diabetesschutzschuhe?

Die Leistungen des Orthopädieschuhmachers kann man grundsätzlich selbst in Anspruch nehmen. Hat aber der Arzt einen Diabetesschutzschuh oder eine besondere Bettung verschrieben, erfolgt die Leistung zu Lasten der Krankenkasse. Viele Krankenkassen versuchen oft, sich zwecks Kostenreduzierung auf konfektionierte Diabetikerschuhe zu verlagern. Das passt aber oft nicht bei der besonderen individuellen Fußsituation, insbesondere nicht bei sehr breiten oder verformten Füßen.

Wenn zusätzlich zum Diabetes noch andere Erkrankungen oder Behinderungen bestehen, muss der diabetische Schutzschuh zudem noch die schuhorthopädische Versorgung vorsehen – für z. B. einen Senkfuß, Hallux valgus oder Ähnliches. Das muss der Arzt auf dem Rezept ausweisen.

Gesetzlich Versicherte müssen den gesetzlichen Eigenanteil für Hilfsmittel in Höhe von 10 Euro zahlen. Bei Anfertigung eines orthopädischen Maßschuhs fällt zudem ein Bekleidungsanteil von 76 Euro an. Private Krankenversicherungen erstatten ebenfalls, wenn der Arzt ein Rezept ausgestellt hat.

Wichtig ist, dass es grundsätzlich einen Anspruch auf zwei Paar Straßenschuhe (zum Wechseln), ein Paar Hausschuhe und gegebenenfalls ein Paar Schuhe für Reha-Sport im Jahr gibt. Diabetiker mit solchen Problemen dürfen nie in normalen Schuhen gehen. Gerade im Haushalt und bei Gartenarbeit drohen viele Gefahren.

Ausgefallenes Design? Warum nicht …

Orthopädieschuhmacher können einen kompletten individuellen Maßschuh für einen Diabetiker auch in Handarbeit fertigen. Das bedeutet auch, dass sie phantasievolle Schuhe herstellen können – in bunten oder extravaganten Ledern, ausgefallenem Design etc. Da kann auch die Optik für jeden Anlass ausgewählt werden: sei es Oper, Sport, Business, Freizeit. Eine Beratung lohnt sich. Der unbestritten etwas kompakter ausfallende Schutzschuh kann durch optische Tricks, feine Leder etc. sehr viel modischer, eleganter oder stilvoller wirken.

Aber auch der konfektionierte Diabetesschutzschuh und der von den Krankenkassen erstattungsfähige ist der heutigen Mode angepasst.

ZVOS: Zentralverband Orthopädieschuhtechnik

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