Abnehmen! Aber wie?

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© Kirchheim/Bernhard Kölsch
Abnehmen! Aber wie?

Rund 20 Millionen Menschen hierzulande sind zu dick. Übergewicht ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern ein zentraler Risikofaktor für Herzerkrankungen, bestimmte Krebsarten, Demenz und natürlich Typ-2-Diabetes. Es lohnt sich also immer, etwas dagegen zu tun. Lassen Sie sich aber nicht zu nur kurzfristig wirksamen Diäten verführen, sondern packen Sie das Übel an der Wurzel. Die sitzt allerdings meist tief – kurzum: Erfolgreiches und gesundes Abnehmen braucht Zeit und Geduld.

Wer übergewichtig ist, trägt eine schwere Last mit sich herum – auch im übertragenen Sinn. Denken Sie nur daran, wie die Umwelt oft darauf reagiert: Dicke Menschen gelten zwar als gemütlich und gesellig, aber auch als willensschwach, faul und schlapp. “Die müssen sich einfach mehr zusammenreißen”, heißt es.

Alles leider nicht so einfach …

Leider ist das nicht so einfach. Die meisten Übergewichtigen würden sich – hätten sie bei einer guten Fee einen Wunsch frei – ein gesundes Gewicht ohne Jo-Jo-Effekt wünschen. Ein Großteil leidet still, fühlt sich schuldig und als Versager. Schokolade und andere kulinarische Seelentröster beruhigen zwar kurzfristig das schlechte Gewissen, aber leider werden dadurch Hosen und Röcke noch enger. Allein ist es für viele einfach nicht zu schaffen, dem Übergewicht auf Dauer Herr zu werden.

Trotzdem probieren viele im Frühjahr eine der neuen Trenddiäten aus. Das sind oft entweder Kostformen in Richtung Trennkost oder es soll z. B. die Blutgruppe eine entscheidende Rolle spielen. Bei anderen Diäten gibt es verschiedene Phasen, in denen nur bestimmte Lebensmittel gegessen werden dürfen. Das alles klingt seltsam – und trotzdem lassen sich viele Menschen auf diese Trenddiäten ein.

Hände weg von Trenddiäten

Der gesunde Menschenverstand müsste angesichts dieser Art von Diäten eigentlich Alarm schlagen und melden: Lass das sein, damit lässt sich nicht langfristig abnehmen! Aber leider möchte der Mensch verführt werden – z. B. von vollmundigen Versprechen, dass es mit dieser revolutionären Methode endlich gelingen wird, den Stoffwechsel umzuprogrammieren.

Heißhunger und unliebsame Essgewohnheiten sollen der Vergangenheit angehören, ganz zu schweigen vom Jo-Jo-Effekt, der selbstverständlich ausbleiben wird. Doch leider entpuppen sich die toll aufgemachten Programme meist als Wolf im Schafspelz – sie taugen auf Dauer nichts.

Diabetes und Übergewicht

Wer sein Gewicht auf Dauer in den Griff bekommen möchte, sollte geduldig sein. Denn Abnehmen ist nur dann wirklich von Erfolg gekrönt, wenn es als langfristiges Projekt akzeptiert wird. Und dazu gehört es auch, Rückschläge und Durststrecken zu verkraften und nicht aufzugeben.
Um das Thema besser als Ganzes zu begreifen, gibt es ein paar Faktoren, die im Hinblick auf Diabetes wichtig sind.

Risikofaktoren, die Übergewicht und Adipositas begünstigen

  • genetische Ursachen/familiär bedingt
  • Lebensstil (Bewegungsmangel, ungünstige Essgewohnheiten)
  • ständige Verfügbarkeit von Essbarem
  • Schlafmangel
  • Stress
  • depressive Erkrankungen
  • niedriger Sozialstatus
  • Essstörung (z. B. wiederkehrende Essattacken und nächtliche Essanfälle)
  • endokrine Erkrankungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion, Cushing-Syndrom)
  • Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika, Antiepileptika, Diabetesmedikamente (s. Tabelle), einige Anti-Baby-Pillen, Kortison, Betablocker)
  • andere Ursachen wie Schwangerschaft, Nikotinverzicht, Bewegungsarmut aufgrund eines Handicaps oder Unfalls

Wie Diabetesmedikamente das Gewicht bei Typ-2-Diabetes beeinflussen

Metformin: - 1 kg
Sulfonylharnstoffe: + 1 bis 2 kg
Alpha-Glukosidase-Hemmer: neutral
Thiazolidindione: + 3 bis 4 kg
DPP-4-Hemmer: neutral
SGLT-2-Hemmer: - 2 bis 3 kg
Insulin: + 1 bis 10 kg
GLP-1-Mimetika: - 2 bis 3 kg
Quelle: Evidenzbasierte Adipositastherapie und empfehlenswerte Programme, Prof. Hans Hauner, DDG-Herbsttagung 2015, Düsseldorf

Erfolgreich abzuspecken ist ein langfristiges Projekt

Wer abnehmen möchte, kann auch an einem zeitlich begrenzten Programm teilnehmen – z. B. im Fitnessstudio, in der Apotheke, in Diätzentren oder der Arztpraxis. Wenn Sie sich dafür interessieren, sollten Sie einige Fragen klären:

  • Wie lange dauert das Programm?
  • Wird eine Nachsorge angeboten?
  • Was kostet die Teilnahme?
  • Wie sieht die Lebensmittelauswahl aus? Sind bestimmte Produkte nicht erlaubt?
  • Müssen zusätzlich Präparate, z. B. mit Spritzen, eingesetzt werden?
  • Auf welchen wissenschaftlichen Gesichtspunkten basiert das Programm?
  • Ist es mit Ihrem Diabetes vereinbar?
  • Welche Qualifikation hat der Referent? Wie gut kennt er sich mit Diabetes aus?
  • Welche Rolle spielen regelmäßige Bewegung und Selbstbeobachtung?

Ein seriöses Ernährungsprogramm sollte die folgenden Anforderungen erfüllen:

  • Es sind keine ergänzenden Präparate, Spritzen oder speziellen Lebensmittel nötig.
  • Das Konzept basiert auf den Empfehlungen der führenden Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Adipositas-Gesellschaft).
  • Die Kosten sind im moderaten Rahmen.
  • Das Konzept ist langfristig angelegt, mit entsprechender Nachbetreuung.
  • Alle Lebensmittel sind erlaubt, denn es soll ein neues Essverhalten erlernt werden.
  • Regelmäßige Alltagsbewegung gehört zum Programm, ebenso wie die Selbstreflexion.
  • Die durch das Programm innerhalb von sechs bis zwölf Monaten mögliche Gewichtsabnahme liegt bei 5 Prozent des Ausgangsgewichts. Dies gilt für einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 35 kg/m²,
    ab einem BMI von 35 kg/m² und mehr sind es 10 Prozent des Ausgangsgewichts.

Low carb oder low fat: Was ist besser?

Galten früher Fette als Dickmacher erster Güte, sind es seit ein paar Jahren die Kohlenhydrate. Sie werden derzeit als Grund für Übergewicht und Adipositas an den Pranger gestellt. Deshalb ist derzeit low carb populär, also eine Ernährung mit möglichst wenigen Kohlenhydraten. Darauf schwören auch viele Prominente. Die Realität sieht anders aus: Untersuchungen haben gezeigt, dass low carb und low fat (Ernährung mit wenig Fett) nach sechs und zwölf Monaten zu einer vergleichbaren Gewichtsabnahme führten.

Das bestätigt auch Professor Hans Hauner vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungstherapie in München: “Die Unterschiede der Gewichtsreduktion zwischen verschiedenen Kostformen, sprich low fat und low carb, sind minimal. Für die Praxis ist viel wichtiger, dass Betroffene die Ernährungsform wählen, die gut zu ihrem Alltag passt, mit der sie sich gut fühlen und die sie dauerhaft praktizieren können.”

Abnehmen bei Diabetes: Welche Kost ist geeignet – zusätzlich zu Bewegung?
  1. fettarme, kohlenhydratbetonte Kost (30 bis 35 Prozent Fett, 50 Prozent Kohlenhydrate, 15 bis 20 Prozent Eiweiß pro Tag)
  2. kohlenhydratarme Kost (30 bis 40 Prozent Kohlenhydrate pro Tag)
  3. vegetarische Kost
  4. Mittelmeerkost (30 bis 35 Prozent Fett, 50 Prozent Kohlenhydrate, 15 bis 20 Prozent Eiweiß pro Tag)

Lediglich in besonderen Situationen (z. B. bei der Vorbereitung auf eine Operation, Stärkung der Motivation) können, unter ärztlicher Aufsicht, Formula-Diäten (die Grundlage ist hier oft ein Nährstoffpulver) sinnvoll sein, erklärt Hauner. Formula-Diäten liefern im Schnitt 800 bis 1 200 Kilokalorien täglich und sollten nur eine begrenzte Zeit durchgeführt werden.


von Kirsten Metternich
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (3) Seite 70-73

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