AGEs messen und analysieren

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AGEs messen und analysieren

Während der Maillard-Reaktion entstehen durch nichtenzymatische Glykierung ("Verzuckerung")von Proteinen, Lipiden oder Nukleinsäuren Zwischenprodukte. Aus diesen Schiffschen Basen und Amadoriprodukten bilden sich durch irreversible Strukturänderungen chemisch stabile Advanced Glycation Endproducts (AGEs). Auch unter Einwirkung von z. B. oxidativem Stress können AGEs entstehen. Sie stellen also eine heterogene Substanzklasse dar.

Einige der bekanntesten Amadoriprodukte und AGEs sind: Nε-Carboxymethyllysin (CML), N-Carboxyethyllysin (CEL), Pyrralin, Pentosidin, Imidazolon, ε-Fruktose-Lysin, Furosin sowie die hochreaktiven α-Dicarbonyle Methylglyoxal und Glyoxal. Die beiden Letzten sind besonders interessant, weil sie im Rahmen des Glukose- oder Fettabbaus entstehen können, mit Proteinen in Reaktion treten – und somit zum Entstehen von AGEs und Advanced Lypoxidation Endproducts (ALEs) führen.

AGEs aus dem Körper und der Nahrung

AGEs werden im Körper (endogene AGEs) vermehrt im Rahmen von erhöhten Blutzucker- und erhöhten Blutfettwerten gebildet, außerdem entstehen sie, wenn der oxidative Stress hoch ist. Nahrungs-AGEs (exogene AGEs) werden beim Erhitzen von Nahrungsmitteln erzeugt, erkennbar an der Bräunung der Nahrungsmittel. Diese exogenen AGEs werden teilweise vom Darm aufgenommen und gelangen so in die Blutbahn. Endogene und exogene AGEs werden zum Teil von Fresszellen im Blut (Makrophagen) abgebaut oder über die Niere ausgeschieden.

Liegt eine Niereninsuffizienz, egal welcher Ursache, vor, kann es deshalb zu erhöhten AGE-Konzentrationen im Blut und in den Geweben kommen. Ein Teil der nicht verstoffwechselten AGEs wird in körpereigene Proteinstrukturen oder Enzyme eingebaut, die dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt werden können.

Wenn sich AGEs an spezifische Rezeptoren des Körpers binden, können sie darüber hinaus in den Zellen oxidativen Stress oder Entzündungen auslösen. Dies erklärt, wieso AGEs in der Entstehung der Diabeteskomplikationen, aber auch beim Entstehen der Atherosklerose, bei entzündlichen Prozessen wie der rheumatoiden Arthritis oder bei der Alzheimer-Demenz eine Rolle spielen.

AGE-Messung ist schwierig

Die AGEs in vivo zu isolieren, ist schwierig, weil sie in Säurelösung instabil und die resultierenden Proteinhydrolysate sehr komplex sind. Aus diesem Grund wurden nur einige der wahrscheinlich hunderte AGEs isoliert und chemisch charakterisiert. Dies heißt, dass zurzeit nur die einigen uns bekannten AGEs messbar sind – die erste große Hürde der AGEs-Messung. Die zweite Hürde besteht in der Variabilität der AGEs-Akkumulation in verschiedenen Geweben, die dritte Hürde in der Wahl der Messmethode.

Je nach Studienendpunkt werden unterschiedliche AGEs gemessen. Im Rahmen von Studien, die Effekte der Hyperglykämie oder deren Reduktion untersuchen, werden in der Regel AGEs gemessen, die eng mit dem Kohlenhydratstoffwechsel verbunden sind: z. B. Pentosidin und Pyrallin. Im Rahmen der Reaktion von Fetten mit Sauerstoff (Lipidperoxidation) kann z. B. Glyoxal oder Malondialdehyd (MDA) entstehen.

Die daraus resultierenden ALEs wie MDA-Lysin oder Carboxyethyl-Pyrrol-Lysin können verwendet werden, um den Lipidstoffwechsel zu quantifizieren. CML und CEL sind Produkte, die sowohl dem Kohlenhydrat- als auch dem Fettstoffwechsel entspringen und sich deshalb z. B. für diätetische Interventionsstudien eignen.

In Blut oder in Gewebe?

Das zweite Problem ist: Wo soll gemessen werden? In Blut, Urin oder Gewebe? AGEs reichern sich in atherosklerotischen Läsionen an, aber auch in Läsionen, die im Verlauf von Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz, der rheumatoiden Arthritis, der diabetischen Retinopathie, Nephropathie oder Neuropathie auftreten. Sie können aber auch im Blut als zirkulierende AGEs oder als an zelluläre Strukturen gebundene Substanzen gemessen werden.

Während die Messergebnisse von im Blut zirkulierenden AGEs größere Schwankungsbreiten aufweisen (z. B. nach Mahlzeiten), weisen die Messergebnisse bei gewebsgebundenen AGEs eine größere Stabilität auf. Insbesondere Gewebe mit einer nur langsam stattfindenden Erneuerung (z. B. Lederhaut, Gefäßwand, Augenlinse) weisen eine hohe AGE-Akkumulation auf, die über die Zeit auch stabil bleibt. Deshalb wird je nach Fragestellung die Messung zirkulierender oder gewebsgebundener AGEs bevorzugt.


Verschiedene Messmethoden verfügbar

Das dritte Problem bezieht sich auf die Methode, die zur Messung der AGEs angewendet werden soll. Zirkulierende oder gewebsgebundene AGEs können mittels ELISA (enzyme linked immunosorbent assay) gemessen werden. Dabei kommen monoklonale oder polyklonale Antikörper zur Anwendung, die Fluoreszenzspektroskopie, die auf Fluoreszenzspektren einiger AGEs basiert, oder die hochleistungsfähige Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie. Die Letztere scheint die genaueste Methode zu sein.

Weitere auf der Massenspektrometrie basierende Methoden erlauben z. B. die Messung von CML oder CEL im Urin mittels Isotopenverdünnung und Gaschromatographie/Massenspektrometrie. Diese Methode ist sensitiv, reproduzierbar, genau, einfach und relativ kostengünstig. Für die quantitative Messung der Produkte der Proteinglykierung wurde die Flüssigkeitschromatographie mit dreifacher Quadrupol-Massenspektrometrie verwendet.

Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz wurde die Messung von Glykierungsprodukten in Plasma, Urin (begrenzt aussagekräftig bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz) und Dialysat mittels Flüssigkeitschromatographie und Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) durchgeführt. Die "matrix-assisted laser desorption ionization-mass spectrometry with time-to-flight detection" (MALDI-TOF/MS) stellt eine neue, vielversprechende Methode zur Messung AGE-modifizierter Proteine dar.

Goldstandard: Analyse von Hautbiopsien

Gewebsgebundene AGEs werden häufig in der Haut gemessen, da dieses Gewebe am einfachsten zu erreichen ist. Den Goldstandard für die Messung von AGEs in der Haut stellt die biochemische Analyse von Hautbiopsien dar. Diese Methode ist jedoch invasiv, es bedarf einer aufwendigen Analyseapparatur in spezialisierten Zentren, die Messergebnisse sind erst nach Tagen oder Wochen verfügbar und die Messungen sind teuer.

Deshalb wurden nichtinvasive Methoden entwickelt, die anhand der Messung der Autofluoreszenz der Haut, der Hornhaut des Auges oder der Linse die AGE-Konzentration im Gewebe messen; Geräte sind z. B. der AGE-Reader von DiagnOptics (Groningen, Niederlande), das SCOUT DS® von VeraLight (Albuquerque, New Mexico, USA) und das Fluorotron von Ocumetrics (San Jose, Kalifornien, USA). Diese Methoden erlauben eine schnelle, reproduzierbare und relativ kostengünstige Messung der AGE-Ansammlung.

Nichtinvasive Messung

Eine der nichtinvasiven Messtechniken für die Autofluoreszenz der Haut verwendet der AGE-Reader. Der Proband legt seinen Unterarm auf eine spezielle Armlehne, die in der Mitte ein Fenster hat, durch das Licht auf ein ca. 4 cm2 großes Hautareal aufgestrahlt wird. Das reflektierte Licht wird registriert, analysiert und der AGE-Gehalt anhand der Autofluoreszenz ermittelt. Das Licht hat maximale Intensität bei einer Wellenlänge von ca. 370 nm im Frequenzbereich von 300 bis 420 nm.

Das Messen der Frequenzverteilung und der Strahlungsintensität des ausgestrahlten und des reflektierten Lichts erfolgt mit einem Detektor im Wellenlängenbereich von 300 bis 600 nm. Das Messergebnis wird in willkürlichen Einheiten (Arbitrary Units, AU) angegeben; dabei wird das Ergebnis als Quotient kalkuliert: Intensität des reflektierten Lichts/Intensität des Erregungslichts × 100.

Risikoabschätzung und Screening

Die Autofluoreszenz der Haut erlaubt eine semiquantitative Messung einiger fluoreszierender AGEs. Darüber hinaus werden z. B. reduziertes Nicotinamidadenindinukleotid (NADH), Flavinadenindinukleotid (FAD) und Porphyrine sowie Substanzen, die nicht durch Glykierung entstehen, erfasst.

Die Messung der Autofluoreszenz der Haut wurde in einer Reihe von Studien untersucht und könnte sowohl zum Diabetesscreening als auch zum Abschätzen des Risikos für mikro- und makroangiopathische sowie neuropathische Komplikationen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern und für kardiovaskuläre Komplikationen bei Nichtdiabetikern eingesetzt werden. Leitlinienempfehlungen zur Messung der Autofluoreszenz der Haut gibt es jedoch noch nicht, weitere Studien werden noch durchgeführt.

Fazit

Dr. Alin Stirban

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