Basale Analoginsuline – konstant gut eingestellt

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Basale Analoginsuline – konstant gut eingestellt

Für eine gute Insulintherapie benötigt man neben den Mahlzeiteninsulinen eine gute basale Insulinversorgung. Die basalen Analoginsuline werden zur Grundversorgung mit Insulin eingesetzt. Prof. Thomas Haak erklärt, wie sie wirken und optimal eingesetzt werden.

Der Fall:

Hans-Jörg Z. ist Elektriker in einem kleinen Unternehmen. Seine Hobbys: Er schwimmt und joggt gern und fährt leidenschaftlich gern auf seinem Mountainbike. Seinen Typ-1-Diabetes hat er seit 13 Jahren. Neben einem schnellen Analoginsulin (Liprolog) verwendet er seit Beginn NPH-Insulin. Sein Arzt war damals der Meinung, dass dies das am besten erprobte Insulin sei. Ihn stört allerdings, dass das Insulin morgens und abends injiziert werden muss.

Dies bereitet ihm vor allem am Wochenende, wenn er gern lange schläft, Probleme – denn er wacht immer mit einem erhöhten Blutzucker auf. In letzter Zeit hat er auch gehäuft nachts Unterzuckerungen, die er sich nicht erklären kann.Die Probleme bespricht er mit seinem Diabetologen – und der rät ihm, das Basalinsulin gegen ein langwirksames Analoginsulin auszutauschen; er schlägt Insulin glargin (Lantus, Toujeo, Abasaglar) vor.

Hans-Jörg hat einen relativ hohen Insulinbedarf: Bisher spritzte er zweimal NPH-Insulin – 26 Einheiten morgens und auch abends. Also empfiehlt der Diabetologe die Einmalgabe von Toujeo in einer Dosierung von 50 Einheiten um 22 Uhr. Toujeo ist ein “U300-Insulin” (siehe unten), das dreimal höher konzentriert ist als die die meisten verfügbaren Insuline. Also entspricht das Injektionsvolumen auch nur einem Drittel des Volumens der “U100-Insuline”.

Mit der Umstellung gelingt eine Stabilisierung des Blutzuckers. Hans-Jörg Z. kann nun ausschlafen, da er ja morgens kein Insulin mehr injizieren muss. Außerdem treten die Unterzuckerungen deutlich seltener auf, und die Blutzuckereinstellung wirkt insgesamt stabiler.

Für eine gute Insulintherapie benötigt man neben den Mahlzeiteninsulinen eine gute basale Insulinversorgung. Die basalen Insuline werden zur Grundversorgung mit Insulin eingesetzt.

Die basale Insulinversorgung: wichtiger Bestandteil der Insulintherapie

Dabei muss die basale Insulinversorgung im richtigen Verhältnis zum Mahlzeiteninsulin stehen. Ist zum Beispiel das basale Insulin überdosiert, so kommt es zu unerwünschten Unterzuckerungen. Ist das basale Insulin unterdosiert, treten Insulinlücken auf, die zu unerwünschten Blutzuckeranstiegen führen. Daher ist es bedeutsam, dass die Insulinfreisetzung gleichmäßig erfolgt. Außerdem sollten die basalen Insuline möglichst jeden Tag vergleichbar wirken, d. h. die Schwankungen von Tag zu Tag sollten bei gleicher Insulinmenge und gleicher Insulingabe gering sein.

In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte der Arzt Hans Christian Hagedorn ein Insulin, das an einen Eiweißbaustein gebunden war, der den NamenProtaminträgt. Daher kommt der Name “neutrales Protamin Hagedorn” (NPH-Insulin). Dies sind die trüben Insuline, die vor der Injektion sorgfältig durch zwanzigmaliges Kippen des Insulinpens durchmischt werden müssen. Trotzdem haben die NPH-Insuline den Nachteil, dass sie starke Tag-zu-Tag-Schwankungen aufweisen und die Insulinfreisetzung nicht gleichmäßig erfolgt.

Neue Wege der Basalinsulinversorgung

Aufgrund der Nachteile des NPH-Insulins wurden neue Insuline entwickelt, die gleichmäßiger freigesetzt werden und weniger Schwankungen in der Wirkung haben. Das erste basale Analoginsulin war Insulin glargin: Dieses Analoginsulin befindet sich in der Patrone in einer sauren Lösung.

Nach der Injektion in das Unterhautfettgewebe, in dem ein neutraler ph-Wert herrscht, verändert sich die Löslichkeit des Analoginsulins und es bildet im Unterhautfettgewebe Kristalle. In der Fachsprache nennt man diesen Vorgang isoelektrischen Shift. Die Kristalle lösen sich langsam auf, so dass das Insulin sehr gleichmäßig freigesetzt wird. Je höher man das Insulin dosiert, desto länger wirkt es, so dass bei ausreichender Dosierung eine 24-Stunden-Wirksamkeit gegeben ist und das Insulin nur einmal täglich injiziert werden muss.

Insulin detemir – eine Seitenkette als Anker

Ein weiteres, sehr gleichmäßig wirksames Insulin ist Insulin detemir (Levemir). Bei diesem Analoginsulin hängt eine kohlenstoffhaltige Seitenkette am menschlichen Insulinmolekül. Diese wirkt wie ein Anker, der eine Verbindung mit den körpereigenen Eiweißstrukturen eingeht. Wird dieses Analoginsulin in das Unterhautfettgewebe injiziert, so trifft es mit seinem Anker auf Eiweißmoleküle, an die der Anker bindet. Deshalb gelangen die Analoginsulinmoleküle nur sehr langsam in den Blutstrom, wo sie erneut auf Eiweißmoleküle treffen und auch hier wieder festgehalten werden.

Aus dem Blutstrom geht das Insulin in die Körperzellen, wo ein drittes Mal Eiweißstrukturen zu finden sind und das Insulin auch dort eine Bindung eingeht. Auf diese Weise kommt es zu einer sehr gleichmäßigen Insulinwirkung, die nur sehr wenige Tag-zu-Tag-Schwankungen aufweist. Allerdings muss Insulin detemir zumindest bei Typ-1-Diabetes in der Regel zweimal pro Tag gegeben werden, um eine gleichmäßige Insulinwirkung zu erzielen. Eine Übersicht über die basalen Insulinpräparate und deren Wirkprofile gibt die untenstehende Tabelle.

Weiterentwicklungen der basalen Analoginsuline

Das erste analoge Basalinsulin Insulin glargin”, das als “Lantus” auf den Markt gebracht wurde, ist mittlerweile aus dem Patentschutz gefallen und wird von einem weiteren Hersteller als Biosimilar-Insulin angeboten: Die Biosimilars sind dem Originalmolekül sehr ähnlich – da es sich jedoch um ein Hormon handelt und nicht etwa um einen Arzneimittelwirkstoff, muss dieses Biosimilar die gleichen Zulassungsverfahren durchlaufen wie das Originalpräparat. Dies ist mittlerweile geschehen, und Insulin glargin wird neben der bekannten Bezeichnung Lantus als “Abasaglar” im Handel vertrieben.

Eine weitere Entwicklung von Insulin glargin ist die Darreichung in einer höheren Konzentration. Während alle basalen Insuline bisher in der Konzentration U100 (100 Einheiten pro Milliliter) auf dem Markt sind, gibt es seit kurzem auch Insulin glargin als U300 (300 Einheiten pro Milliliter). Der Vorteil ist, dass die gleiche Menge Insulin in einem Drittel des Volumens der bisherigen Insuline injiziert wird. Dies hat gerade bei hohen Insulinmengen Vorteile, da ein geringeres Volumen einen geringeren Gewebedruck erzeugt und damit angenehmer beim Injizieren ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Analoginsulin in höherer Konzentration offenbar gleichmäßiger in das Blut abgegeben wird, so dass weniger Schwankungen auftreten.

Ein dritter Vorteil ist, dass in einem U300-Pen, der zwar nur 1,5 Milliliter Inhalt hat, jedoch 450 Einheiten Insulin enthalten sind. Damit entsteht bei dieser neuen Präparation, die unter dem Präparatenamen Toujeo im Handel ist, weniger Abfall durch die gebrauchten Pens.

Maßgeschneiderte Therapie – mehr Sicherheit

Durch die modernen Analoginsuline sowohl als Mahlzeiteninsulin als auch als Grundversorgung steht eine große Auswahl an Insulinpräparaten zur Verfügung. Damit können Menschen mit Typ-1- und mit Typ-2-Diabetes eine alltagstaugliche und stabile Therapie durchführen.


von Prof. Thomas Haak
Chefredakteur Diabetes-Journal,
Internist, Endokrinologe und Diabetologe,
Chefarzt Diabetes Zentrum Mergentheim,
E-Mail: haak@diabetes-zentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (8) Seite 28-30

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