Bin ich hier richtig? So checken Sie Ihre Schwerpunktpraxis

3 Minuten

© photowahn – stock.adobe.com
Bin ich hier richtig? So checken Sie Ihre Schwerpunktpraxis

Typ-1-, Typ-2-, Typ-3-Diabetes oder auch Gestationsdiabetes: 10 bis 20 Prozent der Diabetiker in Deutschland werden dauerhaft oder vorübergehend in einer “Diabetologischen Schwerpunktpraxis” (DSP) betreut. Was aber macht eine gute diabetologische Schwerpunktpraxis aus? Und vor allem: Woran erkenne ich als Patient, dass ich die für mich “richtige” Praxis gefunden habe?

Die formalen Voraussetzungen für diabetologische Schwerpunktpraxen sind zunächst einmal in Sonderverträgen zwischen den Krankenkassen und den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen geregelt. Die vertraglichen Vorgaben unterscheiden sich regional im Detail gering. Nachzuweisen sind:

  • fachliche ärztliche Qualifikationen(u. a. Facharzt für Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Kinderheilkunde; Diabetologe DDG),
  • Qualifikationen des nichtärztlichen Personals (u. a. Diabetesberaterin),
  • apparative Ausstattungen wie qualitätskontrollierte Laborgeräte, EKG, Belastungs-EKG, Sonographie, Doppler- oder Duplexsonographie, 24-Stunden-Blutdruckmessung und Instrumente zur neurologischen Basisdiagnostik,
  • Schulungsqualifikationen des ärztlichen und nichtärztlichen Personals für die verschiedenen Schulungskonzepte und -programme,
  • räumliche Voraussetzungen für Einzel- und Gruppenschulungen sowie zur Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms,
  • regelmäßige Fortbildungen des ärztlichen und nichtärztlichen Personals sowie
  • eine Mindestzahl an betreuten Patienten mit unterschiedlichen Diabetesformen.

Kriterien: BVND geht noch weiter …

Der Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) geht bei der Definition der Struktur- und Leistungsmerkmale einer diabetologischen Schwerpunktpraxis noch weiter: So sollten wenigstens 50 Prozent der Patienten einer diabetologischen Schwerpunktpraxis Diabetiker sein. Als Mindestqualifikation sollte die Anerkennung als “Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG” (früher: “Basisanerkennung DDG”, siehe unten) angestrebt werden, wünschenswert ist die Anerkennung als “Zertifiziertes Diabeteszentrum Diabetologikum DDG”.

Als wesentliches Qualitätsmerkmal angesehen wird neben dem Durchführen von Basisschulungen für unterschiedliche Diabetestypen und -therapien vor allem auch das Angebot von Schulungen für spezielle Behandlungssituationenwie Insulinpumpenschulung oder ein Hypoglykämiewahrnehmungstraining.

Weitere Informationen zu den genauen Inhalten der Zertifizierungen der DDG gibt es im Internet unter www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

Diabetologische Schwerpunktpraxen können sich auf freiwilliger Basis von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) als “Zertifiziertes Diabeteszentrum DDG” oder “Zertifiziertes Diabeteszentrum Diabetologikum DDG” zertifizieren lassen; um als Letzteres anerkannt zu werden, muss ein diabetesspezifisches Qualitätsmanagementsystem, das von der DDG akkreditiert ist, umgesetzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, sich als “Fußbehandlungseinrichtung DDG” anerkennen zu lassen.

Entscheidend für Sie: Wie wird die Theorie im Praxisalltag umgesetzt?

Natürlich können all die formalen Qualitätskriterien helfen, die richtige Praxis zu finden. So werden Typ-1-Diabetiker mit Insulinpumpe sich Praxen suchen, die entsprechende Behandlungsstrukturen vorhalten. Patienten mit einem diabetischen Fuß sind sicherlich gut beraten, sich an eine Fußbehandlungseinrichtung DDG zu wenden. Und trotzdem: “Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz”, wie die Dortmunder Fußballlegende Adi Preißler gern zitiert wird.

Entscheidend für das Wohl der Patienten ist letztlich, wie es gelingt, die formulierten Qualitätsmerkmale im Praxisalltag umzusetzen, und vor allem, ob das Arzt-Patienten-Verhältnis oder die Diabetesteam-Patienten-Beziehung passen. Nur wenn die Chemie stimmt, ist überhaupt eine Basis für eine erfolgreiche kontinuierliche Diabetesbetreuung in ganz unterschiedlichen Lebensphasen gegeben.

Das Gespräch ist das Wesentliche

Und oft sind es gerade die eigentlichen Selbstverständlichkeiten der ärztlichen Betreuung, die nicht selten in einem bürokratisierten und reglementierten Praxisalltag an Bedeutung verlieren: zuhören und miteinander sprechen. Obwohl es faszinierende pharmakologische und medizintechnologische Entwicklungen in und außerhalb der Diabetologie gegeben hat, hat auch fast 50 Jahre nach seinem Tod ein Satz des international angesehenen Psychiaters und Philosophen Karl Jaspers nicht an Bedeutung verloren: “Dabei bleibt das Gespräch zwischen Arzt und Patient das Wesentliche.”

“Also Mund auf, Vorschläge machen und gemeinsam zu einer Lösung kommen”: So formuliert Olivia Peters in ihrem Blog “Diabetes und Ärzte – Was ich mir bei einer guten Diabetes Behandlung von meinem Arzt wünsche!”, wie wichtig ihr das Miteinander im Gespräch mit dem Diabetologen ist. Mehr zu Olivia Peters Wünschen gibt es unter www.blood-sugar-lounge.de

Struktur- und Prozessqualität in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis müssen stimmen, eine verantwortungsvolle Diabetesbehandlung braucht aber viel mehr: ein intaktes Arzt-Patientenverhältnis – getragen von Empathie und gegenseitigem Respekt. Damit eine optimale Behandlung erfolgen kann, ist es natürlich auch wichtig, sich als Patient auf den Praxisbesuch vorzubereiten: Unabdingbar für eine gute Therapie sind ein aktueller Medikamentenplan, ärztliche Vorbefunde und auch Ergebnisse der Blutzuckerselbstmessung (digital oder in Papierform).

Weitere Tipps für die Vorbereitung auf den ersten Besuch in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis sind hier zusammengestellt:

Checkliste „Erste DSP-Vorstellung“
Das sollten Sie, sofern vorhanden, mitbringen:
  • persönlicher Fragebogen („Warum bin ich hier?“)
  • Medikamentenplan
  • augenärztlicher Befund/Facharztberichte
  • Laborbefunde
  • Gesundheitspass der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
  • sonstige Gesundheitspässe (z. B. Marcumarpass, Allergiepass, Impfpass)
  • Liste anderer behandelnder Ärzte (Name und Fachrichtung)
  • Blutzuckertagebuch (digital oder in Papierform)
  • Blutzuckermessgerät/System zur kontinuierlichen Glukosemessung
  • Insuline und Injektionshilfen (Pens/Spritzen)/Insulinpumpe
  • orthopädische Schuhe, Orthesen oder Prothesen
  • Überweisungsschein vom Hausarzt/Versichertenkarte

Nehmen Sie bei Bedarf eine Person Ihres Vertrauens als Unterstützung mit.

Bin ich hier richtig?

Die Antwort auf die Frage findet man sicherlich nicht allein im Internet. Erfahrungen von Verwandten, Bekannten oder Freunden können hilfreich sein. Das Beste aber ist: Man macht sich selbst ein Bild und entscheidet dann. Dabei hilft die Checkliste “Die richtige DSP finden” auf der rechten Seite.

Die richtige diabetologische Schwerpunktpraxis zu wählen, ist eine wichtige und wegweisende Entscheidung. Man sollte sich daher Zeit nehmen, die richtige Wahl zu treffen. Und wenn es wirklich nicht passt, dann darf man natürlich auch wechseln.

Hier finden Sie die Checkliste: “Die richtige DSP finden”.

Schwerpunkt Diabetiker-Versorgung

von Dr. med. Meinolf Behrens
Arzt für Innere Medizin, Diabetologe, DDG, Sport- und Ernährungsmedizin
Diabeteszentrum Minden
E-Mail: mb@diabetes-minden.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (6) Seite 22-24

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert