“Bitte ohne Zucker”: Das wird auf Kuba gern überhört

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© ArtMarie - iStockphoto
“Bitte ohne Zucker”: Das wird auf Kuba gern überhört

Hansgeorg Frohn ist begeisterter Fernreisender. Natürlich lässt er sich durch seinen Diabetes nicht von seiner Leidenschaft abhalten. Hier berichtet er, wie er im vergangenen Jahr gemeinsam mit seiner Frau eine Mietwagentour durch Kuba meisterte. Und der Diabetes? “Keine nachhaltigen Probleme …”

Bei unserer ersten Mietwagenreise durch Kuba 1998 konnten wir aus Zeitgründen nur den Westen der Insel erkunden – also lag unser Fokus diesmal auf dem Ostteil. Bereits bei unseren Reisevorbereitungen wurde klar, dass sich in den vergangenen 18 Jahren sehr viel geändert haben musste: So viele Privatunterkünfte, wie wir diesmal fanden, gab es damals auf der Insel nicht. Und auch Havanna empfing uns mit sehr viel mehr privatem Autoverkehr, wobei sich zu den US-amerikanischen Oldtimern inzwischen jede Menge moderner Taxis chinesischer Bauart gesellt hatten.

Die Veränderungen wurden uns dann auch sehr eindrücklich im Tal von Viñales vor Augen geführt, dem westlich von Havanna gelegenen Hauptanbaugebiet des kubanischen Tabaks: Hatten wir hier 1998 nur mit Mühe und Not ein Restaurant gefunden, erwies es sich diesmal als äußerst schwierig, auch nur ein Haus ohne private Ferienwohnung bzw. ohne Restaurant zu finden.

Immer wieder Zuckerrohr …

Am nächsten Tag kehrten wir zunächst noch einmal nach Havanna zurück, um von dort aus unseren Weg über Jagüey Grande nach Cienfuegos fortzusetzen. Wir fanden dort eine Privatunterkunft mit Blick auf die Sierra del Escambray, wunderschön gelegen am Ende einer Landzunge, so dass wir uns aussuchen konnten, ob wir auf der rechten oder linken Grundstücksseite zum Baden ins Meer gehen.

Am nächsten Morgen ging es zunächst zu einem Zwischenstopp weiter in die Bilderbuchstadt Trinidad, dem kubanischen Rothenburg ob der Tauber. Anschließend setzten wir unseren Weg über Sancti Spíritus in Richtung Camagüey fort. Auf dieser mit 380 km längsten Etappe unserer diesjährigen Mietwagentour wurden wir auf der Carretera Central (Zentralautobahn) rechts und links immer wieder von Zuckerrohrfeldern begleitet, in denen gerade die Ernte (la zafra) stattfand: Kubas wichtigster Exportartikel wird heute größtenteils maschinell geschnitten, nicht mehr von Hand mit der Machete wie vor 18 Jahren.

Bemerkenswertes Abendessen – und Nachhilfe in Salsa

Von Camagüey ging unsere Fahrt am übernächsten Tag weiter in die Provinzhauptstadt Bayamo. Bei einem bemerkenswerten Abendessen gab es zur Abwechslung statt des üblichen Schweine-, Rind- oder Hühnerfleischs mit Christianos y Moros (weißer Reis mit schwarzen Bohnen) eine hervorragende kreolische Kartoffel-Gemüse-Suppe und eine auf dem Grill geschmorte Lammschulter.

Dann besuchten wir am Abend noch die Casa de la Musica: Dort trafen wir auf eine Musikgruppe, die sich die größte Mühe gab, uns Touristen den Unterschied zwischen Son, Salsa und Reggaetón erkennbar zu machen; und wir trafen auf einen sehr gut deutschsprechenden Reisegruppenleiter, der bis zur Wiedervereinigung in der DDR Vertragsarbeiter war.

Am übernächsten Morgen fuhren wir los auf einer Abzweigung der Carretera Central durchs Landesinnere, wobei wir kurz vor Santiago noch der Wallfahrtskirche El Cobre, die der kubanischen Nationalheiligen gewidmet ist, einen Besuch abstatteten. Santiago gilt als das mentale Gegenstück zu Havanna und pflegt dieses Image auch bewusst: “Wessen Rum ist besser?”, “Wessen Karneval?”, “Wessen Son?”…

Natürlich besuchten wir in Santiago auch das Grab Fidel Castros, wobei sich die beiden bekanntesten Friedhöfe Kubas (Santa Ifigenia in Santiago und Cristóbal Colón in Havanna) uns als wüstenhafte Ansammlungen marmorner Grabdenkmäler präsentierten; nur Fidels Grab schmückt ein ockerfarbener Granitfindling.

Enkel und Urenkel der Revolutionsgeneration: anderes Lebensgefühl

Apropos Fidel: Zwar sind wir – wie schon 1998 – überall in Kuba auf markige revolutionäre Sprüche à la “¡Hasta la victoria siempre!” (“Bis zum ewigen Sieg!”) getroffen, doch anders als damals haben wir im Verlauf unserer jetzigen Reise den Eindruck gewonnen, dass diese Sprüche das Lebensgefühl der heutigen Enkel und Urenkel der Revolutionsgeneration nur noch sehr begrenzt widerspiegeln.

Von Santiago aus führte unser Weg über Guantanamo zunächst weiter in das Anfang Oktober 2016 von einem heftigen Hurrikan heimgesuchte Baracoa. Verglichen mit den Bildern, die man von New Orleans nach dem Hurrikan Katrina kennt, machte uns Baracoa einen relativ unzerstörten Eindruck; jedenfalls konnten wir in der örtlichen Casa del Chocolate (Schokoladenhaus) ebenso problemlos eine leckere Tasse zartbitterer kubanischer Trinkschokolade zu uns nehmen, wie in dem benachbarten Paladar (privat geführtes Restaurant) ein gut schmeckendes Fischgericht verzehren.

Nach anstrengender 3-wöchiger Mietwagentour mit kubanischen Straßen- und Verkehrsverhältnissen waren wir schließlich froh, in Guardalavaca einzutreffen, wo wir uns zum Abschluss im Wellnesshotel erholen konnten. Was noch ganz schön spannend werden sollte, war zum einen die Rückbestätigung unserer Flüge – und zum anderen der Online-Check-in: Grundsätzlich funktionieren Internetverbindungen in Kuba zwar, aber eben nur grundsätzlich, d. h. keineswegs an jedem Ort und zu jeder Zeit. Mit List und Tücke und der Hilfe anderer Hotelgäste gelang es uns dann doch, sowohl unsere Rückflüge rückzubestätigen als auch uns online einzuchecken.

Und was treibt der Diabetes in Kuba?

Da die kubanische Botschaft in Berlin auf die Anfrage, ob es Einschränkungen für die Mitnahme meiner Medikamente gibt, überraschenderweise nicht reagierte, bereiteten wir uns diesbezüglich so vor wie 2014 für unsere Reise nach Australien (Diabetes-Journal 6/2015, S. 42):

Ich ließ mir von meinen Ärzten medizinische Atteste auf Spanisch und Deutsch unterschreiben, um diese mit einer ebenfalls auf Spanisch formulierten Übersicht der mitgeführten Medikamente und Utensilien bei der Einreise präsentieren zu können. Gefragt hat danach jedoch niemand, auch nicht nach der für jeden Reisenden vorgeschriebenen Bescheinigung für eine Auslandskrankenversicherung.

Kuba als Diabetiker zu bereisen, ist nicht wesentlich problematischer als eine Reise ins europäische Ausland. Nachdem ich mich mit meinem ICT-Spritzverhalten darauf eingestellt hatte, dass – mit Ausnahme von schwarzem Kaffee und Bier – in Kuba sämtliche Getränke teils extrem gesüßt werden und die Bitte “Por favor, sin azucar” (“Bitte ohne Zucker”) in der Regel überhört wurde, habe ich mit meinem Diabetes keine nachhaltigen Probleme gehabt.

Die Süßung der Getränke kann man umgehen, indem man sie eine Weile stehen lässt, so dass sich der Zucker am Boden absetzt. Problematisch wird es aber, wenn der obere Rand des Glases innen und außen mit Zuckersplittern dekoriert wird. Hier hilft nur eins: mit Papierserviette abreiben.

Insulin? Kein Problem!

Auch die sichere Aufbewahrung des Insulins stellte uns nicht vor unlösbare Probleme: Wir nahmen von zuhause einen Stecker mit USB-Ausgang für den Zigarettenanzünder mit, an den wir im Auto tagsüber eine Insulinkühltasche anschlossen. Für die nächtliche Aufbewahrung nutzten wir die Eisschränke unserer Apartments oder kühlten unsere Zimmer tagsüber mit den großzügig dimensionierten Klimaanlagen auf um die 20 °C herunter, um diese nach unserer Rückkehr ins Zimmer dann auszuschalten.

Achtung: Während man sich im Zimmer aufhält, sollte man die Klimaanlagen ausschalten, da man ansonsten Gefahr läuft, sich eine mittelprächtige Erkältung, wenn nicht gar eine Lungenentzündung einzufangen …


von Hansgeorg Frohn
E-Mail: HansgeorgFrohn@aol.com

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (7) Seite 36-38

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