Das juckt mich nicht – Hauterkrankungen und Psyche bei Diabetes

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Das juckt mich nicht – Hauterkrankungen und Psyche bei Diabetes

Diabetes mellitus hängt mit verschiedenen Hauterkrankungen zusammen, die im Wesentlichen aus drei Bereichen stammen: Zum einen sind Hautreaktionen im Rahmen der Diabetes-Therapie zu nennen, die als Reaktion auf die Gabe von Insulin oder die Einnahmen von Medikamenten auftreten. Weiterhin steigt durch Diabetes das Risiko für Hautinfektionen durch Pilze und Bakterien, was sich durch hohe Glukose-Konzentrationen in der äußersten Schicht der Haut, der Epidermis, sowie die gestörte Barriere-Funktion der Haut erklären lässt. Zum Dritten gibt es einige Hauterkrankungen, die typischerweise bei Diabetes auftreten können. Dazu gehören z. B. trockene Haut und Juckreiz (Pruritus diabeticorum) sowie die diabetische Dermopathie, die bei 10 bis 30 Prozent der Menschen mit Diabetes anzutreffen sind.

Adipositas, Typ-2-Diabetes und Psoriasis hängen zusammen

Eine weitere Hauterkrankung, die ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes darzustellen scheint, ist die Schuppenflechte, Psoriasis genannt. Psoriasis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die sich als gerötete, schuppige Hautflecken zeigt. In letzter Zeit wurde ein in beide Richtungen bestehender Zusammenhang von starkem Übergewicht (Adipositas) und Psoriasis beschrieben. Die Häufigkeit von Psoriasis war in Stichproben von Menschen mit höhergradiger Adipositas mit 17,4 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Menschen mit Normalgewicht.

Durch den klaren Zusammenhang von Übergewicht und Typ-2-Diabetes ist also deutlich, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes überdurchschnittlich häufig von Psoriasis betroffen sind. Zudem wurde beschrieben, dass eine bestehende Psoriasis das Diabetes-Risiko auch unabhängig vom Gewicht erhöht.

Hauterkrankungen belasten psychisch

Allen genannten Hauterkrankungen ist gemeinsam, dass sie zwei Elemente aufweisen, die zu einer psychischen Belastung führen können. Sie sind sichtbar und sie gehen häufig mit starkem Juckreiz einher. Die Sichtbarkeit einer Andersartigkeit, auch Stigma genannt, ist ein Risikofaktor für das Wohlbefinden. Umfassend in der Literatur beschrieben sind Abweichungen von subjektiven Normen, zum Beispiel aus den Bereichen Sexualität und Religion, und ebenso, dass Menschen auch aufgrund vermuteter Zugehörigkeit zu Minderheitsgruppen von der Mehrheitsgruppe ausgeschlossen werden und sich aus diesem Ausschluss Leiden für die Betroffenen ergibt.

Dies gilt auch für Abweichungen durch Erkrankungen, die bei chronischem Verlauf früher oder später sichtbar werden. Beispiele der Stigmatisierung Erkrankter sind die Infektion mit dem Human-Immunodeficiency-Virus (HIV) und sichtbarer AIDS-Erkrankung im Verlauf sowie auffälliges Verhalten durch psychische Störungen wie die Schizophrenie. Auch für Hauterkrankungen ist beschrieben, dass Stigmatisierung stattfindet. An Lepra Erkrankte wurden über Jahrhunderte ausgeschlossen und ausgegrenzt.

In früheren Zeiten Isolation als Schutz

Betrachtet man historisch die Entwicklung von Menschen, kann davon ausgegangen werden, dass ein Absondern von infizierten Personen dazu führen sollte, nicht selbst an dieser Erkrankung zu erkranken bzw. ein Vererben der Erkrankung zu verhindern. In Zeiten der Zivilisations-Erkrankungen ist dieser Mechanismus so nicht mehr gültig, kann jedoch von vielen Menschen nicht richtig eingeordnet werden. Menschen mit chronischen sichtbaren Erkrankungen, wie Adipositas, aber auch Diabetes, vor allem Typ 2, berichten daher – oft abhängig vom Schweregrad der Erkrankung – von abwertenden Blicken oder Kommentaren (Stigmatisierung) oder systematischer Benachteiligung (Diskriminierung), die sich durch Daten aus dem Arbeitsmarkt, Erhebungen zum Einkommen und anderen Indikatoren auch objektiv messen lässt.

Kommen nun zwei Arten von Stigma zueinander, wie es beispielsweise bei Adipositas (und Diabetes) und Psoriasis der Fall ist, kann sich die Belastung durch diesen Prozess steigern. Für sichtbare Hauterkrankungen ist nunmehr gut erforscht, dass diese von Patientinnen und Patienten als stigmatisiert wahrgenommen werden und etwa ein Fünftel der Betroffenen von abwertenden Blicken u. ä. berichtet.

Stigmatisierung stresst chronisch

Während man in früheren Jahren davon ausging, dass ein sozial akzeptiertes Stigma durchaus auch motivierend für Änderungen des Verhaltens sein könnte (z. B. Umstellen des Lebensstils), sieht man heute, dass Stigmatisierung als chronischer Stress-Faktor anzusehen ist, der den Verlauf von chronischen Erkrankungen negativ beeinflussen kann. Das ist einerseits möglich durch eine schlechtere Versorgung von Menschen, die sich stigmatisiert fühlen – weil sie beispielsweise weniger häufig und weniger schnell ärztliche und therapeutische Hilfe suchen. Ihre Sorge ist, auch dort Stigmatisierung durch Kommentare oder Diskriminierung durch fehlende angemessene medizinische Ausstattung vorzufinden.

Andererseits ist dokumentiert, dass Erfahrungen von Stigmatisierung die körperliche und seelische Gesundheit von Menschen negativ beeinflussen. Für Adipositas, die sowohl mit Typ-2-Diabetes als auch mit Psoriasis zusammenhängt, sind verschiedene Artikel erschienen, die diesen Zusammenhang dokumentieren. Negative Effekte zeigen sich im Bereich der Psyche vor allem bei Depressionen sowie Risikofaktoren wie einem verringerten Selbstwertgefühl. Depressionen wiederum – hier als Konsequenz von Stigmatisierung – erhöhen das Risiko für Gewichtszunahme und Typ-2-Diabetes. Sie erhöhen ebenso das Risiko für schlechtere Behandlungs-Verläufe der Hauterkrankung. Keine der Erkrankungen kann daher einzeln betrachtet werden, sondern Typ-2-Diabetes (mit Adipositas), Hauterkrankung und psychische Gesundheit müssen gemeinsam erfasst und bewertet werden.

Juckreiz kann Lebensqualität reduzieren

Ein zweiter Punkt, der sowohl psychische Belastung mit sich bringt als auch Auslöser für Verschlechterung sein kann, ist das bereits erwähnte Symptom Juckreiz. Faktoren wie depressive Verstimmung erhöhen das Gefühl des Juckreizes bei Menschen mit Psoriasis, gleichzeitig ist der Juckreiz ein zentrales Symptom, das die Lebensqualität und damit auch die Stimmungslage der Patientinnen und Patienten negativ beeinflusst. Der Zusammenhang zwischen Stress und Juckreiz (und Hauterkrankungen im Allgemeinen) ist komplex und nicht ausschließlich psychisch begründet.

Jedoch ist das subjektive Erleben maßgeblich für die empfundene Einschränkung durch die Erkrankung, wobei sie nicht zwingend mit ihrem objektiven Schweregrad zusammenhängt. Die Bedeutung psychologischer Therapien ist daher nicht zu unterschätzen. Für Programme zur Stressreduktion, die auf Achtsamkeit basieren, liegen erste Beweise vor, dass diese sowohl den Schweregrad der Psoriasis als auch den Juckreiz und das allgemeine Wohlbefinden verbessern können.

Einen Umgang mit Stress-Faktoren zu erlernen, erscheint daher für Menschen mit chronischen Erkrankungen, im Besonderen auch mit Hauterkrankungen, angezeigt. Krankenkassen bieten zum Beispiel entsprechende Präventions-Kurse an. Weitere, auch psychotherapeutische, Begleitung bei hohem Leidensdruck oder manifester psychischer Störung, wie Depressionen, ist unbedingt in Erwägung zu ziehen und sollte zur Therapie gehören.

Zusammenfassung

Schwerpunkt

Kontakt:

Claudia Luck-Sikorski
SRH Hochschule für Gesundheit
Neue Straße 28 – 30
07548 Gera

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