Dem Diabetes doppelt vorbeugen

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Dem Diabetes doppelt vorbeugen

Schwangerschaft – eine ganz besondere Phase im Leben einer Frau. Dem Kind einen guten Start zu verschaffen, welche Schwangere wünscht sich das nicht? Entscheidende Voraussetzungen dafür sind eine gesunde Lebensführung mit einer ausgewogenen Ernährung, ausreichend Schlaf, Nikotin- und Alkoholverzicht sowie regelmäßiger körperlicher Aktivität.

Wenn es um Schwangerschaft geht im Diabetes-Journal, dann finden unsere Leserinnen meist Informationen zu Typ-1-Diabetes und Schwangerschaft. Das ist diesmal anders: Seit März 2012 haben Schwangere im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge Anspruch auf einen Test auf Schwangerschaftsdiabetes. Der Schwangerschaftsdiabetes ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, heutzutage nehmen die Zahlen aber kontinuierlich zu.

Der Schwangerschaftsdiabetes betrifft weltweit bis zu 18 Prozent der Schwangeren. In Deutschland wird eine Häufigkeit von 4 bis 5 Prozent angegeben – Experten sind sich aber sicher, dass auch hier die tatsächlichen Zahlen höher sind.

Was hat der Schwangerschaftsdiabetes mit Fitness zu tun?

Rund die Hälfte der Frauen, die einen Schwangerschaftsdiabetes hatten, bekommen im Laufe der folgenden 10 Jahre einen Typ-2-Diabetes. Kinder von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes neigen oft schon früh in der Jugend zu Übergewicht oder Typ-2-Diabetes.

Was aber hat der Schwangerschaftsdiabetes mit Fitness zu tun? Ganz viel: Frauen, die vor und in der Schwangerschaft körperlich aktiv sind, entwickeln seltener einen Schwangerschaftsdiabetes als inaktive Frauen. Mehr Gründe, warum sich Bewegung in der Schwangerschaft lohnt und vor allem wie Sie sich richtig in der Schwangerschaft bewegen, erfahren Sie im aktuellen Themenschwerpunkt Schwanger und fit.


Stoffwechsel der Schwangeren beeinflusst Entwicklung des Kindes

Die Entwicklung eines Kindes im Mutterleib wird neben genetischen Voraussetzungen bestimmt von ganz unterschiedlichen Einflussfaktoren wie Umweltbedingungen, psychosozialen Aspekten, medizinischer Versorgung, Nährstoffversorgung und vor allem dem Stoffwechsel der Schwangeren. Jede Schwangerschaft wird begleitet von Veränderungen des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems, der Blutzusammensetzung, des Bewegungsapparates, der Psyche, des Körpergewichtes und vor allem von unterschiedlichen hormonellen Einflüssen.

Mit zunehmender Schwangerschaftsdauer bildet sich unter dem Einfluss verschiedener Hormone auch bei einer stoffwechselgesunden Schwangeren eine Insulinresistenz aus: Das Hormon Insulin kann nicht mehr so effektiv den Blutzucker senken. Die mütterliche Bauchspeicheldrüse reagiert mit einer vermehrten Insulinproduktion. Ist die Bauchspeicheldrüse mit dem Mehrbedarf überfordert, steigt der Blutzucker der Mutter, ein Schwangerschaftsdiabetes liegt vor.

Über die Plazenta gelangt automatisch vermehrt Zucker in den Kreislauf des Fötus, der den überschüssigen Blutzucker verarbeiten muss – eine riesige Herausforderung. Der erhöhte Blutzucker kurbelt die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse des Fötus an – es resultiert ein übermäßiges Wachstum des Kindes.

Hauptrisikofaktoren: Übergewicht und familiäre Diabetesbelastung

Der Schwangerschaftsdiabetes zählt zu den häufigsten schwangerschaftsbegleitenden Erkrankungen. Übergewicht und eine familiäre Diabetesbelastung stellen die Hauptrisikofaktoren dar. Ein unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes führt bei den Kindern fünfmal häufiger zu Geburtsproblemen als bei denen gesunder Mütter. Zudem tritt eine “Präeklampsie” bei Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes häufiger auf – eine Schwangerschaftskomplikation, die u. a. mit einem erhöhten Blutdruck und vermehrten Wassereinlagerungen einhergeht.

Sowohl Mutter wie auch Kind haben ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln: Schwangerschaftsdiabetes vorzubeugen, bedeutet folgerichtig, Diabetes doppelt vorzubeugen.

“Du bist schwanger, du musst für zwei essen”: Der gut gemeinte Ratschlag ist sicherlich wenig hilfreich. Bis zum Ende der Schwangerschaft steigt der Energiebedarf nämlich nur um etwa 10 Prozent (entspricht ca. 250 kcal/Tag). Die Ernährungsempfehlungen für Schwangere orientieren sich im Prinzip an den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung, lediglich dem erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen ist Rechnung zu tragen.

30 Minuten pro Tag körperlich aktiv!

Die Basis aber für eine erfolgreiche Vorbeugung des Schwangerschaftsdiabetes ist eine moderate körperliche Aktivität: “Schon täglich 30 Minuten moderate körperliche Aktivität können die Insulinempfindlichkeit entscheidend verbessern”, so Dr. Stephan Kress, Leiter des Diabeteszentrums am Vinzentius-Krankenhaus Landau und Mitautor der Lebensstilpyramide für Schwangere (links).

Wie sich Schwangere sinnvoll bewegen und damit dem Diabetes doppelt vorbeugen, lesen Sie in der Mai-Ausgabe das Diabetes-Journals.


Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)

  1. Wenn Ihre Schwangerschaft festgestellt wird, lassen Sie klären, ob Sie ein Diabetes-Risiko haben.
  2. Wenn bei Ihnen ein Diabetes-Risiko vorliegt, lassen Sie Ihren Blutzucker schon im ersten Schwangerschaftsdrittel durch eine Blutentnahme aus der Vene untersuchen.
  3. Lassen Sie mit 24 bis 28 Schwangerschaftswochen einen Test auf Gestationsdiabetes machen (Blutentnahme aus der Vene).
  4. Wenn bei Ihnen ein Gestationsdiabetes festgestellt wird – lassen Sie sich zu einer Diabetes-Schwerpunkteinrichtung mit Erfahrung in der Schwangerenbetreuung überweisen.
  5. Nehmen Sie an einer Schulung für Schwangere mit Gestationsdiabetes teil.
  6. Achten Sie auf die Umstellung Ihrer Ess- und Trinkgewohnheiten – in 80 Prozent der Fälle reicht dies zur Einstellung der Blutzuckerwerte aus.
  7. Bewegen Sie sich ausreichend. Machen Sie z. B. mindestens 3-mal in der Woche einen straffen Spaziergang von 30 Minuten Dauer. Oder üben Sie möglichst täglich mit einem elastischen Band.
  8. Wenn Sie rauchen: Beenden Sie Ihren Nikotinkonsum möglichst sofort. Trinken Sie keinen Alkohol.
  9. Lassen Sie sich über die Vorteile der Geburt in einer Klinik mit angeschlossener Kinderklinik informieren.
  10. Stillen Sie Ihr Kind wenn möglich, und nehmen Sie an einer Nachsorge zur Diabetesvorbeugung teil.

Quelle: H. Kleinwechter u. a.: Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes). Leitlinie für Patientinnen, Schwangere und Interessierte zu Diagnostik, Behandlung u. Nachsorge der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)


von Dr. Meinolf Behrens
Diabetologe DDG, Sport- und Ernährungsmediziner
Diabeteszentrum Minden, Bismarckstraße 43, 32427 Minden,
Tel. 05 71/84 09 99, E-Mail: mb@diabetes-minden.de
,
Internet: www.diabetes-minden.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (4) Seite 61-63

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