Der Diabetes als Chance

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Der Diabetes als Chance

Erfolgreich bekämpfen seit zwölf Jahren Typ-2-Diabetiker ohne Medikamente ihren Zucker mit der von Hans Lauber entwickelten Methode. Ärzte loben den eigenverantwortlichen Weg aus Messen, Essen und Laufen – und prophezeien der Methode eine große Zukunft.

Der Schock saß tief: “Sie haben einen manifesten Diabetes mellitus vom Typ 2”, sagte mein Arzt – und verordnete Tabletten. Das war 1999. Ein Jahr später hatte ich meinen Zucker besiegt. Bis heute habe ich gute Werte, brauche keine Medikamente mehr. Was war passiert?

Die Diagnose: ein Weckruf!

Nach dem ersten Schock war die Diabetes-Diagnose für mich ein Weckruf. Den Diabetes begriff ich nicht als Krankheit, sondern als Chance: Endlich ging ich mit Anfang 50 energisch gegen meine 20 Kilo Übergewicht vor; endlich joggte ich regelmäßig; endlich wechselte ich von zu süß, zu fett essen zu einer leichten, saisonalen Gemüseküche mit viel Fisch, wenig Fleisch; endlich fing ich an, regelmäßig den Blutzucker zu messen – um mich durch die langsam sinkenden Blutzuckerwerte immer wieder zu motivieren.

Ich wurde schlanker, lebte gesünder als meine gleichaltrigen Freunde. Als ich dann ein Buch über meine erfolgreiche Methode aus Messen. Essen. Laufen schrieb, nannte ich es Fit wie ein Diabetiker.

Aktienten statt Patienten

Das Buch erschien 2002 im Kirchheim-Verlag: Es ist mit 50 000 verkauften Exemplaren einer der erfolgreichsten Diabetes-Ratgeber. Wie kam’s zu dem Erfolg? Ausschlaggebend sind zwei Dinge: die These „Diabetes als Chance“ und „Aktienten statt Patienten“. Denn ich sehe mich nicht als passiven Patienten, sondern als aktiven Aktienten. Ein Aktient, der seinen Zucker als Glück sieht, um endlich Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen.

“Verblüffend einfach ist diese Methode”, sagte mir kürzlich eine Journalistin und fragte: “Warum machen das nicht alle?” Ja, die Methode ist einfach (siehe Schaubild):

Motivierender Dreiklang

Es ist ein Dreiklang aus motivierend messen, echt essen und lustvoll laufen. Basis ist eine regelmäßige Messung des Blutzuckers. Diabetes tut nicht weh – aber der Typ-2-Diabetes kann zum Beispiel Augen und Nieren schwer schädigen. Für mich ist die Blutzuckermessung unverzichtbar zur Motivation: Nur wer weiß, wo er steht, kann handeln – selbst wenn die Kassen die Blutzuckerteststreifen oft nicht bezahlen.

Intelligent essen

Das intelligente Essen ist ganz entscheidend im Kampf gegen den Lifestyle-Diabetes. Hier empfehle ich möglichst heimische und saisonale Produkte mit einem Fokus auf Gemüse und Salat – und weitgehend auf Süßes zu verzichten. Ratsam ist es, selbst zu kochen, das Frühstück als wichtigste Mahlzeit des Tages zu achten und abends möglichst wenig zu essen. Ein Wegweiser zu einer optimalen Diabetes-Ernährung bietet Schlemmen wie ein Diabetiker, wo es für 100 diabetesgeeignete Lebensmittel wie Topinambur und für 15 natürliche Zucker-Balancierer wie Bockshornklee Rezepte gibt.

Nur wer sich regelmäßig bewegt, kann den Zucker nachhaltig besiegen und in das Stadium der Disposition zurückdrängen. Wobei: Es geht weniger um Sport, sondern um die Lust am Laufen, am Radfahren oder am Bergwandern. Älteren empfehle ich, im Fitness-Studio Muskeln aufzubauen, um schlank zu bleiben.

Klingt einfach – warum machen es nicht alle?

Klingt in der Tat einfach. Aber warum machen es dann nicht alle? Warum gibt es jedes Jahr über 300.000 neue Typ-2-Diabetiker? Ich versuche zwei Antworten:

1. Als Einzelfall werde ich oft betrachtet, gerne auch als Exot abgestempelt. Doch längst hat die Wissenschaft in großen Studien bewiesen, dass ein eigenverantwortlicher Weg möglich ist. So hat die Deutsche Diabetes-Stiftung (DDS) ausgerechnet, dass von den bald 10 Millionen Lifestyle-Diabetikern allein in Deutschland rund drei bis vier Millionen durch Lebensstil-Interventionen mit weniger oder gar keinen Medikamenten ihren Zucker zähmen können. Natürlich ist das kein einfacher Weg, dauert das oft viele Monate. Aber es ist machbar, es muss nur gewollt werden!

2. “Ein Krankheits- statt ein Gesundheitssystem haben wir”, sagt Prof. Rüdiger Landgraf von der DDS und meint: “Prävention hat keine Lobby.” Das stimmt. Über “Aktienten” schütteln die meisten Ärzte den Kopf, sie fordern nicht energisch genug die Änderung der Lebensgewohnheiten ein – auch weil sie dafür nicht honoriert werden. Und die elektronischen Verlockungen fördern die allgemeine Trägheit.

Generell begünstigt unser Lebensstil den Diabetes. Überall und immer gibt es etwas zu essen – das dann oft und dickmachend hinuntergeschlungen wird. Viele wissen nicht, was in den Lebensmitteln drin ist – und haben keine wirkliche Chance, es leicht zu erfahren. Eine nützliche und von Wissenschaftlern geforderte Lebensmittelampel wurde kürzlich verhindert.

“Langfristig bin ich optimistisch!”

Meine Perspektive ist optimistisch: Die ausufernden Diabetes-Kosten bedrohen zwar unser Gesundheitssystem – daraus folgt aber auch, dass Alternativen zu den herkömmlichen Wegen notwendig werden. Auch äußern immer mehr Menschen den Wunsch, ihren Lifestyle-Diabetes ohne Medikamente niederzuringen, wie unzählige Zuschriften zu meinen Büchern bestätigen.

“Hanswurst” und Wein

Sicher, es wird noch eine Weile dauern, bis wir eine präventive Gesellschaft werden. Ich bin aber überzeugt, dass ich noch viel Raum bekommen werde, mit meinem Ansatz möglichst vielen Menschen zu helfen. Wobei mir sicher zugutekommt, dass ich keine Askese predige – denn die kann kein Mensch durchhalten. Vielmehr lasse ich dem guten Leben so viel Raum wie möglich, empfehle gerne ein Glas trockenen Wein.

Auch habe ich aus der von vielen so geliebten Currywurst die Hanswurst gemacht. Darin schlummert blutzuckerbalancierender Bockshornklee. Wein ist auch Genuss, weshalb im Frankfurter Diabetes Garten von Prof. Kristian Rett und mir eine Rebe wächst. Prof. Rett: “Die Lauber-Methode verbindet ideal Gesundheit und Genuss”.

3 Fragen an Hans Lauber: Wo liegen Potentiale der Methode?

Diabetes-Journal (DJ): Wie viele Menschen können von Ihrer Methode profitieren?

Hans Lauber: In “Zucker zähmen” rechnet Prof. Rüdiger Landgraf vor, dass bei 3 bis 4 Millionen Menschen eine Lebensstil-Intervention erfolgreich sein könnte. Das ist natürlich nicht nur meine Methode, aber ich sehe da ein großes Potential für meinen Weg.

DJ: Was kann Ihren Weg befördern?

Lauber: Es werden die ausufernden Kosten der Diabetes-Explosion sein, die nach Ansicht von Prof. Landgraf bald unser Gesundheitssystem sprengen werden. Schon heute können oder wollen die Kassen moderne Diabetes-Medikamente wie GLP-1-
Analoga
immer seltener bezahlen. Das eröffnet meinem Ansatz ohne Medikamente ganz natürliche Chancen.

DJ: Was spornt Sie an, weiter an Ihrer Methode zu arbeiten?

Lauber: Nicht immer lief es so rund; oft schon wollte ich aufhören. Aber da haben mich immer wieder die Leserbriefe motiviert. Insgesamt fast tausend Leute haben mir geschrieben, haben mich ermutigt, haben eigene Erfahrungen mit der Methode geschildert – Wissen, das ich zur Weiterentwicklung meines Ansatzes genutzt habe.


Autor:
Hans Lauber

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (11) Seite 52-55

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