Der kleine Melli und ich: Jetzt ist Schluss

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Der kleine Melli und ich: Jetzt ist Schluss

Ninas Freundin Lisa sucht ganz spezielle hochhackige Schuhe. Es geht von einem Geschäft ins nächste. Dann hat Nina die rettende Idee – aber nicht mehr genügend Insulin …

Autorin Lena Schuster ist Psychologin. Seit 2014 hat sie Typ-1-Diabetes. Ihr Bruder hat seit der Kindheit ebenfalls Typ-1-Diabetes, deshalb ist ihr auch der Einfluss der Stoffwechselerkrankung auf die Familie gut bekannt.

Im Diabetes-Journal bringt sie ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke in der Kurzgeschichtenreihe „Der kleine Melli und ich“ ein.

Kontakt über nuber@kirchheim-verlag.de

Nina, schau dir mal die knallroten Gummistiefel an, die wären doch was für dich, oder?“, bemerkt Philipp mit einem ironischen Unterton und grinst mich schräg von der Seite an. „Ja, bestimmt. Das kommt gut, wenn ich so zur Arbeit komme!“ Aber ein bisschen schmunzeln muss ich doch über Philipp …

Ich liebe es, samstags gemütlich mit Freunden durch die Stadt zu schlendern und neue kleine Geschäfte zu entdecken. Gerade sind wir in einem Schuhgeschäft, denn Lisa ist nächste Woche auf einen 30. Geburtstag eingeladen und hat noch keine passenden High Heels für ihr Kleid. Allerdings ist Lisa beim Shoppen kein einfacher Fall: Die einen Pumps sind ihr zu hoch, die anderen zu bunt oder zu schick. Ich bin wirklich sehr gespannt, ob wir heute fündig werden.

Die Diabetes-Kurzgeschichtenreihe „Der kleine Melli und ich“ – der Hintergrund


Melli ist ein kleiner Junge, der mit Nina, einer erwachsenen Frau, zusammenlebt. Die beiden Protagonisten der Diabetes-Kurzgeschichtenreihe geraten im Alltag immer wieder in Konflikt: beim Essen, beim Sport etc.

Autorin Lena Schuster: „Für mich ist der Diabetes vergleichbar mit dem kleinen Melli, den man oft zu gerne ignorieren möchte, doch das geht leider nicht. Denn ignoriert man den Diabetes, ist er wie ein schreiendes Kind, das einen nicht zur Ruhe kommen lässt. Kümmert man sich jedoch um den Diabetes, so macht einen das stark – und man erkennt, dass man bereit ist, auch andere Probleme des Lebens zu bewältigen.“

„Komm, wir schauen mal, welche Schuhe sich Lisa schon zum Probieren ausgesucht hat.“ Philipp lacht: „Du bist aber sehr optimistisch, Nina. Die Frage ist eher, ob sie überhaupt schon ein Paar Schuhe gefunden hat, das ihr halbwegs zusagt.“

Auf anstrengender Shopping-Tour…

So schlendern wir beide durch den Laden und entdecken Lisa im hintersten Eck. Skeptisch steht sie vor dem Spiegel und begutachtet die blauen Pumps aus Rauleder an ihren Füßen. „Lisa, die sind richtig schön! Genau das richtige Maß zwischen elegant und sexy. Oder was meinst du?“ Ich schaue sie erwartungsvoll an, sie schaut ungläubig zurück. „Ich weiß nicht. Sie sind schon schön, aber passen sie mit der kleinen Schleife an der Seite auch wirklich zu meinem Kleid?“

Da schaltet sich Philipp ein. „Ach Lisa, mach das Leben doch nicht immer so kompliziert. Was soll denn an der Schleife nicht zu deinem Kleid passen?“ Doch überzeugt wirkt Lisa nicht und steht weiterhin unentschlossen vor dem Spiegel. Da fügt Philipp hinzu: „Also, ich vertrete in dieser Runde die Männerwelt und kann dir versichern, die sehen echt super aus!“ Aber auch das scheint Lisa nicht zu überzeugen.

„Nina, du hast nicht mehr genügend Insulin dabei“

Schließlich verlassen wir das Geschäft mit leeren Händen. Unschlüssig stehen wir vor dem Laden. „Wo gehen wir jetzt hin? In der Stadt haben wir alle Schuhgeschäfte durchforstet.“ Doch plötzlich kommt mir eine Idee: „Wie wäre es, wenn wir in das neue Shopping-Center fahren? Da gibt es mit Sicherheit eine riesige Auswahl!“

Ich sehe Hoffnung in Lisas Augen aufblitzen und sofort sind alle Feuer und Flamme. Wir stürmen los und haben Glück: Genau in dem Moment kommt ein Bus. Gerade wollen wir einsteigen, da zieht mich Melli am Ärmel. „Nina, du musst dich spritzen, hast aber nicht mehr genügend Insulin dabei.“

Ich versuche, Melli zu besänftigen. „Ach Melli, ich hab’ alles im Griff. Das Insulin wird noch für den kleinen Zwischenstopp reichen. Das dauert doch nicht lange im Shopping-Center.“ Philipp schaltet sich ein: „Nina, der Busfahrer wird langsam unruhig. Entweder wir steigen ein oder nicht.“ „Jaja, ich komme schon.“

Nein, dieses Mal höre ich nicht auf Melli!

Ich bin entschlossen, nicht auf Mellis Rat zu hören. Da wird Melli wütend. „Es reicht jetzt, Nina! Du kannst nicht einsteigen. Wir müssen nach Hause und Insulin holen. Du weißt, dass das jetzt Vorrang hat.“ Inzwischen haben sich schon mehrere Fahrgäste umgedreht. Ich knicke ein. Peinlich berührt laufe ich knallrot an und stammle: „Philipp und Lisa, fahrt ihr schon mal vor, ich hole zu Hause eine neue Ampulle und komme dann nach, okay?“


Kommentar der Autorin:

Der Diabetes zeigt der Spontanität gewisse Grenzen auf, denn er zwingt uns meist dazu, den Tag zu planen und zu strukturieren. So ergeht es auch Nina, die spontan mit ihren Freunden ins Shopping-Center fahren will. Leider macht ihr Melli einen Strich durch die Rechnung. Wichtig ist, dass wir uns bewusst sind, dass wir auch mit dem Diabetes alles erleben können. Wir können Sport machen, verreisen, genussvoll essen. Doch all diese Aktivitäten müssen durchdacht und geplant werden.


von Lena Schuster
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 14, 55130 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (6) Seite 44-45

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