Diabetes und Familie – wenn mehrere betroffen sind

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Diabetes und Familie – wenn mehrere betroffen sind

In manchen Familien sind mehrere Familienmitglieder von Typ-1-Diabetes betroffen – man spricht dann vom familiären Typ-1-Diabetes. In einer großen Untersuchung wurde jetzt z. B. nach Gemeinsamkeiten zwischen Menschen mit familiärem Typ-1-Diabetes geschaut.

Kinder mit Typ-1-Diabetes haben nicht selten einen Verwandten, der ebenfalls an Typ-1-Diabetes erkrankt ist. Die Häufigkeit, mit der ein weiteres Familienmitglied an einem Typ-1-Diabetes erkrankt, liegt zwischen 5 und 12 Prozent. Verwandte ersten Grades eines Patienten mit Typ-1-Diabetes haben gegenüber der allgemeinen Bevölkerung ein 15-fach höheres Risiko, während ihrer gesamten Lebenszeit an einem Typ-1-Diabetes zu erkranken. Sie sind daher ideale Kandidaten für klinische Studien zur Prävention des Typ-1-Diabetes.

Es ist jedoch unklar, ob sich ein familiärer Typ-1-Diabetes (bei dem es mehrere Betroffene mit Typ-1-Diabetes innerhalb einer Familie gibt) und ein sporadischer Typ-1-Diabetes (bei dem nur ein Familienmitglied an einem Typ-1-Diabetes erkrankt ist) in ihrem Krankheitsverlauf unterscheiden.

Daten aus dem DPV-Register

In einer Untersuchung des DPV Registers aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz, die 57.371 Patienten mit Typ-1-Diabetes vor dem Alter von 20 Jahren zwischen 1995 und 2018 einschloss, hatten 3.765 Patienten (6,6 Prozent) einen Verwandten ersten Grades mit Typ-1-Diabetes und wurden als familiärer Typ-1-Diabetes eingeordnet. Von den 3.765 Patienten mit familiärem Typ-1-Diabetes hatten 2.122 einen Verwandten, der zuvor an einem Typ-1-Diabetes erkrankt war, und 948 einen Verwandten, der später an einem Typ-1-Diabetes erkrankt ist, bei 695 war der Diagnosezeitpunkt des Verwandten nicht dokumentiert.

Von den 3.765 Patienten mit familiärem Typ-1-Diabetes hatten 1.645 (44 Prozent) ein betroffenes Elternteil, 1.877 (50 Prozent) betroffene Geschwister, darunter 93 Zwillinge und 43 Halbgeschwister, und 7 Patienten hatten ein betroffenes Kind, bei 221 Patienten (6 Prozent) waren mehr als ein weiteres Familienmitglied an einem Typ-1-Diabetes erkrankt.

Meist bei Diagnose jünger

Bei Diagnose des Typ-1-Diabetes waren Patienten mit familiärem Typ-1-Diabetes im Mittel jünger als Patienten mit sporadischem Typ-1-Diabetes (7,9 Jahre versus 9,7 Jahre). Mit einem Diagnosealter von 6,5 Jahren war die Gruppe der Typ-1-Diabetes Patienten, deren Verwandte später an Typ-1-Diabetes erkrankten, be­sonders jung. In dieser Gruppe erkrankte im Mittel nach 3,3 Jahren ein weiteres Fa­­milienmitglied an Typ-1-Diabetes, davon in 84 ProzentGeschwister.

Zum Zeitpunkt der Diagnose hatten Patienten mit familiärem Typ-1-Diabetes seltener eine Ketoazidose als Patienten mit sporadischem Typ-1-Diabetes (11,9 Prozent versus 20,4 Prozent). Dies ließ sich auf die besonders niedrige Ketoazidoserate (7,4 Prozent) bei den Patienten, die bereits einen Verwandten mit Typ-1-Diabetes hatten, zurückführen, während sich die Patienten, deren Verwandter später an Typ-1-Diabetes erkrankte, hinsichtlich der Ketoazidosehäufigkeit (23,2 Prozent) nicht wesentlich von Patienten mit sporadischem Typ-1-Diabetes unterschieden.

Häufiger weitere Autoimmunerkrankungen

Das Auftreten weiterer Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse oder Zöliakie (einer glutenabhängigen entzündlichen Darmerkrankung) war beim familiärem Typ-1-Diabetes häufiger als bei sporadischem Typ-1-Diabetes (16,7 Prozent versus 13,6 Prozent). Im ersten Behandlungsjahr hatten Patienten, deren Verwandter zuvor an Typ-1-Diabetes erkrankt war, einen niedrigeren HbA1c-Wert als Patienten mit sporadischem Typ-1-Diabetes (7,3 Prozent versus 7,5 Prozent), während sich die HbA1c-Werte nach dem ersten Behandlungsjahr zwischen den Gruppen nicht mehr unterschieden.

In den ersten 10 Behandlungsjahren nutzten Patienten mit familiärem Typ-1-Diabetes häufiger eine Insulinpumpe als Patienten mit sporadischem Typ-1-Diabetes und hatten weniger Ereignisse einer schweren Hypogly­kämie (13 versus 14 pro 100 Patientenjahre). Die Häufigkeit einer Ketoazidose bei bekanntem Typ-1-Diabetes unterschied sich zwischen den Gruppen nach dem ersten Jahr nicht mehr. Bei familiärem und sporadischem Typ-1-Diabetes war das Fehlen einer Ketoazidose bei Diagnose assoziiert mit einer geringeren Anzahl von Akutkomplikationen über 10 Jahre.

Vorteilhaft: die vorhandene Erfahrung

Was bedeutet diese Studie für junge ­Patienten mit Typ-1-Diabetes? Bei ca. 7 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-­Diabetes in Deutschland erkrankt ein weiteres Familienmitglied ebenfalls an Typ-1-Diabetes. Andererseits treten bei mehr als 90 Prozent der Patienten mit Typ-1-Diabetes keine weiteren Fälle von Typ-1-Diabetes in der Familie auf.

Die familiäre Häufung von Betroffenen mit Typ-1-Diabetes zeigt, dass genetische Ursachen (neben nicht genau bekannten Umweltfaktoren) eine wesentliche Rolle bei der Krankheitsentstehung haben. Für den nachfolgend Betroffenen sind aber die vorhandene Erfahrung im Umgang mit Typ-1-Diabetes, das Wissen und die Aufmerksamkeit innerhalb der Familie von Vorteil.

Originalpublikation
Karges B. et al. A comparison of familial and sporadic type 1 diabetes among young patients. Diabetes Care 2021;44:1116-24

Autor:

Professor Dr. med. Beate Karges
Kinderdiabetologin
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Bethlehem Krankenhaus
Steinfeldstraße 5, 52222 Stolberg

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 12 (3) Seite 12-13

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