Die Zeitschrift im Ohr

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Die Zeitschrift im Ohr

Nicht jeder kann das Diabetes-Journal lesen. Deshalb bietet die Westdeutsche Blindenhörbücherei es zum Hören an. Am Tag der offenen Tür haben wir der Instutition einen Besuch abgestattet.

Schon im Bus, der vom Hauptbahnhof in Münster abfährt, wird deutlich: Zwei Paare, zum Teil blind, und ich haben dasselbe Ziel. Es ist die Westdeutsche Blindenhörbücherei (WBH) im Südwesten der Stadt – denn hier ist heute, am 26. September 2015, Tag der offenen Tür.

Viel Interesse an den Sprechern

Bereits am Abend vorher sind die ersten Besucher da, sie stehen mit ihren Wohnwagen hinter der WBH. “Beim letzten Tag waren etwa 800 Menschen da. Heute werden mindestens genauso viele kommen, die haben sich vorher schon angekündigt”, berichtet Geschäftsführer Werner Kahle. “Die Blinden wollen ihre Hörbücherei und ganz gezielt ihre Sprecher.”

Das ist beim Durchlaufen deutlich zu merken, in den Studios der Sprecher ist ständig etwas los. Hier werden im Jahr etwa 250 Titel produziert; alle Hörbüchereien zusammen produzieren im Jahr etwa 1.300 Titel. Eine der Vertonungen ist das Diabetes-Journal. Die ersten vierteljährlich erschienenen Kassetten mit ausgewählten Beiträgen aus dem Heft gab es 1977. Heute erscheint jedes Heft komplett auf DAISY-CD.

Viele können Angebot nutzen

Von etwa 7.900 aktiven Hörern der WBH beziehen nur ungefähr 150 das Diabetes-Journal. Kahle: “Das ist unser ganz großes Problem, dass die Leute gar nicht wissen, dass es uns gibt.” Berechtigt, den Service der WBH zu nutzen, sind nämlich, wie Kahle erzählt, alle Menschen mit einer Lesebehinderung. Das sind nicht nur Sehbehinderte und Blinde, sondern zum Beispiel auch Menschen, die aus anatomischen Gründen kein Buch benutzen können. In Skandinavien werden auch Analphabeten mit Hörbüchern beliefert, berichtet der Geschäftsführer.

Buntes Programm

Am Tag der offenen Tür präsentieren sich in der WBH auch blinde Künstler. Ein Sänger gibt orientalische Musik zum Besten, eine Malerin zeigt ihre Gemälde mit Landschaftsdarstellungen. Auch Hersteller von Hilfsmitteln für Sehbehinderte präsentieren ihre Produkte. In einem kontrastarmen Zelt kann jeder selbst ausprobieren, wie schwierig es ist, Gegenstände in Grautönen zu erkennen.

Kontakt
Westdeutsche Blindenhörbücherei, http://www.wbh-online.de
, wbh@wbh-online.de
, Telefon: 02 51/71 99 01

Diabetes-Journal (DJ): Frau Zumegen, wie sind Sie zur Sprecherin des Diabetes-Journals geworden?
Gesa Zumegen:
Vor ungefähr 16 Jahren habe ich in der Westdeutschen Blindenhörbücherei als Sprecherin angefangen, erst allgemein. Mit der Zeit stellt sich dann heraus: Was liegt einem? Ich komme von der Sparte Nachrichten, Sachinformationen – deswegen liegen mir natürlich Sachtexte. Persönlich war ich schon immer interessiert an medizinischen Fragen.

DJ: Wie lange braucht es, das Diabetes-Journal zu vertonen?
Zumegen:
Wenn ich ein Standardheft habe mit 80, 90 Seiten, habe ich ungefähr 250 Minuten, die vertont sind. Da brauche ich immer drei volle Vormittage. Denn ich muss mich korrigieren, muss Sachen nachschlagen, muss zwischendurch mal aufstehen, mal Luft holen, mal einen Schluck Tee trinken …

DJ: Was sind die Besonderheiten des Studios, in dem Sie lesen?
Zumegen:
Das Studio ist relativ klein, hat eine spezielle Holzvertäfelung für den Klang und Schaumstoffabdichtung zur Decke hin. Wir haben doppelte Türen, doppelte Fenster. Ich habe einen normalen Schreibtisch mit einer Buchablage, Licht darüber, Mikrofon, einen PC-Monitor, Tastatur und Maus. Auf diesem Monitor sehe ich die Ausschläge meiner Stimme und ob ich im grünen Bereich bin.

DJ: Wenn Sie die Texte lesen, wie gehen Sie mit Fotos, Grafiken, Tabellen usw. um?
Zumegen:
Ich muss das immer abschätzen. Ich würde zum Beispiel beim Editorial nicht sagen: Oben ist ein Foto von Herrn Nuber – davon gehen wir einfach aus. Zum Beispiel im Diabetes-Journal 10/2015 im Diabeteskurs würde ich den Kasten mit den “Definitionen” lesen und nicht extra sagen: Da liegt ein Mann mit offenem Mund – das ist albern.

Die Tabelle zu den Schlafstadien lese ich natürlich als Tabelle. Wenn ich eine Tabelle mit fünf Spalten habe, sage ich vorher: “Diese Tabelle ist aufgeteilt in fünf Spalten, die Überschriften der Spalten sind so und so.” Dann lese ich nochmal die Überschrift vor und gehe danach strukturiert durch, dass der Hörer sich die Tabelle vorstellen kann.

Bei Grafiken ist es manchmal schwierig. Wenn eine wirklich komplizierte Grafik da ist, die schwierig zu erklären ist, es aber im Text erklärt ist, brauche ich den Hörer nicht noch mehr zu irritieren. Wir als Leser haben ja die Freiheit: Gucke ich mir die Grafik an oder nicht? Aber der Hörer hat ja nicht mehr die Freiheit, wenn ich das vertone. Also, wenn ich das Gefühl habe, es ist schon gut erklärt worden, dann lasse ich es dabei.

DJ: Gibt es Rubriken im Diabetes-Journal, die Sie besonders gern lesen?
Zumegen:
Ich mag die medizinischen Themen, die gut erklärt sind. Was ich auch immer total spannend finde, ist “Lebensecht”.

DJ: Frau Zumegen, vielen Dank für dieses Gespräch.


das Interview führte Katrin Kraatz
Redaktion Diabetes-Journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (12) Seite 46-47

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