Erlebnisbericht Ironman Hawai’i

3 Minuten

Erlebnisbericht Ironman Hawai’i

Drei deutsche Athleten belegten die Siegerplätze bei der diesjährigen Triathlon-Weltmeisterschaft, dem Ironman Hawai’i. Das bravouröse Gesamtbild aus deutscher Sicht rundete Steffen Schmelzle ab, der mit seinem Typ-1-Diabetes ebenfalls den wichtigsten Wettkampf des Jahres erfolgreich absolvierte. Hier ist sein Erlebnisbericht.

Aloha! Als ich vor sieben Jahren mit Triathlon begann, fand ich die Teilnehmer des IRONMAN Hawai’i äußerst beeindruckend: 3,8 km Schwimmen im Pazifik, anschließend 180 km bei böigen Windverhältnissen auf dem Rad und abschließend 42,2 km Laufen unter der brennenden Sonne.

Trotz oder auch wegen der Diagnose Typ-1-Diabetes an Weihnachten 2011 begann der Traum „Weltmeisterschaft“ in mir zu wachsen. Nach erfolgreichem Qualifikationsrennen im Juli 2016 in Zürich (Gesamtzeit von 9:24:32) ging am 8. Oktober 2016 der lang ersehnte Traum vom legendären Rennen auf der Pazifikinsel nun endlich in Erfüllung.

Gut im Rennen auf der Schwimmdistanz

Beim Schwimmstart, bei dem es mit ca. 2 300 Startern zwangsläufig sehr eng zuging, positionierte ich mich in der dritten bis vierten Reihe. Dies hatte ein sehr kontaktintensives Schwimmen auf der ersten Hälfte zur Folge. Auf dem Rückweg wurde das Feld dann breiter, der Platz größer und somit die Prügelei etwas weniger. Obwohl ich gefühlt den halben Pazifik leer getrunken hatte, war mir nach einem Blick auf die Uhr (1:03:10) beim Ausstieg klar, dass ich gut im Rennen lag.

Starke Winde erschwerten die Radetappe

Oben auf dem Highway angekommen, verliefen die ersten Kilometer auf dem Rad sehr zügig (schneller als 40 km/h). Aufgrund des starken Gegenwindes, der bereits auf dem Weg in Richtung Hawaii ordentlich geblasen hatte, und um nicht zu viel Energie frühzeitig zu verschwenden, fuhr ich anfangs sehr zurückhaltend. Der drehende Wind machte die geplante Tempoerhöhung auf dem Rückweg unmöglich, so dass ich mit zufriedenstellenden 5:22:03 (33,6 km/h im Durchschnitt) die triste Lavawüste hinter mir lassen konnte.

Marathon: spätestens im Zielkanal ­verflogen all die Schmerzen

Beim abschließenden Marathon war auf dem glühenden Asphalt des Ali’i Drive (die ersten 15 km) eine super Stimmung mit vielen Zuschauern am Streckenrand. Nach dem Erklimmen des Anstiegs zum Highway sank die Zuschauerzahl rapide – wodurch sich die ohnehin besonders harten, letzten 10 bis 15 km des Marathons äußerst qualvoll gestalteten.

Auch wenn ich mir einen schnelleren Marathon (3:42:55) erhofft hatte, überschlugen sich die Emotionen beim Erreichen der letzten beiden Kilometer. Spätestens im Zielkanal verflogen all die Schmerzen und es wurde zum überwältigenden Genuss, die Ziellinie passieren zu dürfen!

Ohne CGM-System wäre der ­Wettkampf nicht möglich

Ohne CGM-System könnte ich als Dia­betiker einen solchen Wettkampf überhaupt nicht überstehen bzw. müsste ich zur Blutzuckermessung eine Vielzahl an Pausen einlegen. Alle 5 Minuten misst ein im Unterhautfettgewebe eingesetzter Sensor (Dexcom G5 Mobile) den Gewebezucker und übermittelt via Bluetooth die Werte an einen am Fahrrad montierten Empfänger, welcher zum abschließenden Laufen mitgenommen wird.

Wie üblich nahm ich am Vorabend kohlenhydratreiches Essen zu mir, was hohe nächtliche Blutzuckerwerte (über 200 mg/dl bzw. 11,1 mmol/l) zur Folge hatte. Nach dem Frühstück (Müsli mit Banane und Marmeladenbrötchen) hatte ich einen guten Ausgangswert (170 mg/dl bzw. 9,4 mmol/l) fürs Schwimmen, welcher zusätzlich mit 20 g Kohlenhydraten abgesichert wurde, da ich während des Schwimmens unter keinen Umständen unterzuckern darf. Für den Notfall deponierte ich ein Zuckergel unter der Badekappe.

Marathon: Alarmton warnt vor Unterschreiten des Grenzbereiches

Im Anschluss an das Schwimmen koppelten Sender und Empfänger vollautomatisch, so dass ich nach wenigen Minuten auf dem Rad meine ersten Gewebezuckerwerte erhielt. Am Rad befanden sich eine Flasche, die ca. 350 g Zucker in Form von Powergels enthielt, und eine Wasserflasche, die ich regelmäßig an den Verpflegungsstellen (alle 10 bis 12 km) austauschte. Mithilfe der Powerflasche ließ sich der Energiebedarf während des Radfahrens komplett abdecken.

Innerhalb der ersten Stunde des Radfahrens führte ich etwas zu viel Zucker zu, so dass ich anschließend 1,5 Stunden lediglich Wasser trinken konnte. Beim Marathon transportierte ich den Empfänger in der Seitentasche meines Rennanzugs, wodurch ich das Display zwar nicht mehr durchgängig im Blick hatte – allerdings signalisierte mir ein Alarmton das Unterschreiten meines zuvor eingestellten Grenzbereiches. Während des Laufens wurde die Zuckeraufnahme dann weitestgehend mit isotonischen Getränken und Cola abgedeckt, die jede Meile zur Verfügung gestellt wurden.

Da ich über die gesamte Wettkampfdauer durchgängig dieselbe Leistung erbringen wollte und die Zuckeraufnahme mittels kleiner Schlucke kontinuierlich erfolgte, deckte ich meinen Insulinbedarf durch ein ebenfalls kontinuierlich wirkendes Basalinsulin ab. Die richtige Menge hierfür ergab sich aus den Erfahrungswerten des Trainingsalltags mit 5 bis 6 Stunden andauernden Radausfahrten und anschließenden Koppelläufen.

Run happy!


Steffen Schmelzle
Doktorand, Triathlet und Typ-1- Diabetiker
E-Mail: steffen.schmelzle@gmx.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (1) Seite 32-33

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert