Essen und Gesundheit: Was stimmt, was nicht?

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Essen und Gesundheit: Was stimmt, was nicht?

Gut gemeinte Ratschläge im Hinblick auf Lebensmittel, deren Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen auf den Körper gibt es wie Sand am Meer. Teils sind sie völlig falsch, ab und an ist etwas Wahres dran und häufig sind Empfehlungen alte Zöpfe, die längst durch die Wissenschaft widerlegt sind.

Spätestens zur Europa- oder Weltmeisterschaft im Fußball verwandelt sich jeder zweite Bundesbürger in einen Bundestrainer. Ähnlich verhielt es sich mit dem Beginn der Corona-Pandemie. Auf einmal gab es gefühlt Millionen Virologen, die ein Wörtchen mitreden wollten. Geht es um das Thema Essen und Trinken, insbesondere bei Diabetes oder zum Abnehmen, gibt es ebenfalls unzählige Laien-Ernährungs-Experten, die unaufgefordert das ganze Jahr über mit wohlgemeinten Ratschlägen daherkommen.

Lassen Sie sich davon nicht verunsichern und vertrauen Sie seriösen Quellen und fachkundigen Experten. Denn in der unendlich großen Welt der Lebensmittel und Ernährungs-Trends ist es nicht immer so leicht, Fake-News von wahren Informationen zu unterscheiden. Wir erklären Ihnen, was an einigen Ernährungs-Mythen, Falschaussagen und Widersprüchlichkeiten dran ist.

Mythos: Diabetiker sollen so gut wie keine Kohlenhydrate essen

Wahrheitsgehalt: Falsch.

Kohlenhydrate sind in den vergangenen Jahren durch den Ernährungs-Trend Low Carb in Verruf geraten. Als Grund wird hier gern genannt, dass sie zu Übergewicht beitragen. Bei Diabetes heißt es hier zudem häufig, dass Kohlenhydrate für einen gemäßigten Blutzucker-Verlauf nicht geeignet sind, da sie den Blutzucker stark erhöhen. Richtig ist, dass eine Low-Carb-Ernährung mit viel frischem Gemüse und bevorzugt Wasser-reichem Obst eine Gewichts-Abnahme möglich machen kann. Das bestätigt auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in ihren aktuellen Leitlinien.

Doch auch zur Low-Carb-Ernährung gehört eine moderate Menge an Kohlenhydraten, bevorzugt aus Lebensmitteln mit vielen Ballaststoffen wie Hülsenfrüchten, Vollkorn-Getreide und frischen Früchten. Je mehr Ballaststoffe Lebensmittel mit Kohlenhydraten enthalten, desto positiver ist dies für den Verlauf des Blutzuckers. Sinnvoll ist es, Produkte aus Weißmehl, Fertiggerichte, Zucker, Süßigkeiten und Kuchen nur bewusst und wenig zu essen und stattdessen Kohlenhydrat-Träger mit vielen Ballaststoffen. Dann sind Lebensmittel mit Kohlenhydraten auch bei Diabetes eine gute Wahl.

Mythos: Vegan zu essen, kann zu Vitamin-Mangel beitragen

Wahrheitsgehalt: Teils richtig.

Vegan oder vegetarisch zu essen, liegt seit Jahren im Trend. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dank mehr Gemüse, Salat und Obst können das Gewicht und der Blutzucker profitieren. Auch ein Bluthochdruck, erhöhte Blutfett-Werte oder ein erhöhter Harnsäure-Spiegel beziehungsweise eine Gicht können durch Pflanzen-betontes Essen positiv beeinflusst werden. Allerdings kann es auf Dauer bei einer rein veganen Kost zu Schwierigkeiten im Hinblick auf die Versorgung mit einigen Vitaminen und Mineralien kommen.

Besonders kritisch ist, die Versorgung mit Vitamin B12 sicherzustellen, ebenfalls die des fettlöslichen Vitamin D. Hier empfiehlt sich die Rücksprache mit dem Hausarzt und ein entsprechendes Ergänzen der Nahrung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt, dass auch die Versorgung mit essenziellen, also lebenswichtigen Aminosäuren (den Bausteinen des Eiweißes) sowie Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B2, Kalzium, Eisen, Jod, Zink und Selen kritisch sein kann. Deshalb empfiehlt sich auch hier die Rücksprache mit dem Hausarzt sowie eine Beratung durch eine qualifizierte Ernährungs-Fachkraft.

Mythos: Mehl ist nichts für Diabetiker

Wahrheitsgehalt: Falsch.

Kein Mehl ist beim Diabetes-Essen verboten. Auswirkungen auf den Blutzucker-Spiegel haben sämtliche Mehle aus Getreide. Allerdings empfiehlt es sich, bevorzugt Vollkorn-Mehle auszuwählen. Im Trend liegen mittlerweile Low-Carb-Mehle, zum Beispiel Mandel-, Kokos-, Hanf-, Kürbis-, Leinsamen- und Soja-Mehl. Etwa 30 bis 40 Prozent des herkömmlichen Getreide-Mehls können, je nach Angaben der Hersteller der jeweiligen Sorte, beim Backen dadurch ersetzt werden. So lässt sich der Gehalt an Kohlenhydraten in süßem und pikantem Gebäck reduzieren.

Oft wird Menschen mit Diabetes empfohlen, von herkömmlichem Weizen-Mehl auf Dinkel-Mehl umzusteigen. Der Grund erschließt sich nicht. Denn die Wirkung auf den Blutzucker-Spiegel ist ähnlich wie beim Weizen-Mehl. Glutenfrei ist es auch nicht, was allerdings bei Diabetes ohnehin nicht notwendig ist, es sei denn, es besteht neben dem Diabetes eine medizinisch diagnostizierte Gluten-Intoleranz (Sprue, Zöliakie).

Mythos: Fettarmes, rotes Fleisch und Wurst sind gut bei Diabetes

Wahrheitsgehalt: Falsch.

Rotes Fleisch und auch Wurst vom Rind, Kalb, Schwein, Lamm oder Wild gehört für viele Menschen regelmäßig auf ihren Teller. Dabei wird meistens davon ausgegangen, dass es lediglich fettarm sein soll und dann bei Diabetes ein Sattmacher ohne Kohlenhydrate ist. Doch sämtliche roten Fleisch- und Wurst-Produkte können das Risiko für das Entstehen eines Typ-2-Diabetes erhöhen. Mehr noch: je niedriger der Konsum von rotem Fleisch und Wurst bei Diabetes, desto besser. Das hilft, Folgeerkrankungen wie Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Ebenso verbessern sich dabei meistens auch erhöhte Blutdruck- und Blutfett-Werte.

Mythos: Süßstoffe sind ungesund

Wahrheitsgehalt: Falsch.

Wie bei vielem anderen macht auch hier die Dosis das Gift. Fakt ist, dass mittlerweile vom Konsum großer Süßstoff-Mengen abgeraten wird. Denn je stärker süß gegessen und getrunken wird, desto mehr gewöhnen wir uns an den Geschmack – mit der Folge, dass immer süßer gegessen und praktisch die Menge an Süßstoffen erhöht wird. Das ist vergleichbar mit dem Salz-Streuer, der vor dem Genuss übers Essen wandert. Mittlerweile gibt es immer wieder Meldungen, in denen es heißt, dass Süßstoff die Darmgesundheit bzw. die im Darm lebenden Kleinstlebewesen (als Darm-Mikrobiom bezeichnet) schädigt oder Auswirkungen auf den Blutzucker haben soll. Ob und wie sich Süßstoffe auf eine gesunde Besiedlung des Darms auswirken, ist aktuell noch nicht vollständig geklärt.

Klar ist dagegen, dass Übergewicht negative Auswirkungen aufs Mikrobiom hat. Und wenn durch das moderate Verwenden von Süßstoffen das Abnehmen leichter wird, ist schon viel gewonnen. Falsch ist, dass Süßstoffe den Blutzucker erhöhen. Denn sie sind völlig energiefrei und haben keine Auswirkungen auf Gewicht und Blutzucker. Damit die Mengen im gesundheitlich unbedenklichen Rahmen bleiben, gibt es Europa-weit festgelegte Tages-Höchstmengen (ADI, engl. Acceptable Daily Intake) für jeden einzelnen Süßstoff. Fachgesellschaften wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) oder die DGE geben grünes Licht für einen bewussten und moderaten Konsum von Süßstoffen. Im Schwerpunkt-Beitrag zu Süßstoffen und Zucker-Austauschstoffen auf Seite 20 finden Sie weitere Informationen rund um die Alternativen ohne Kalorien.

Mythos: Fruchtzucker, Honig und Kokosblüten-Zucker sind gesunde Zucker-Alternativen

Wahrheitsgehalt: Falsch.

So blumig und vielversprechend die Empfehlungen zu diesen dreien auch sein mögen – sie sind keine gesunden Alternativen bei Diabetes. Fruchtzucker galt bei Diabetes früher als passendes Süßungs-Mittel. Mittlerweile gibt es keine Süßigkeiten mit Fruchtzucker mehr. Wissenschaftler sind sich einig, dass Fruchtzucker, allen voran aus verarbeiteten Lebensmitteln, das Entstehen von Übergewicht fördert. Außerdem ist die Insulin-Empfindlichkeit herabgesetzt und die Entwicklung einer Fettleber wird dadurch gefördert. Außerdem kann Fruchtzucker den Harnsäure-Spiegel negativ beeinflussen, was das Risiko für eine Gicht erhöht. Fruchtzucker wird deshalb heute lediglich in Form von frischem Obst empfohlen.

Honig hat zwar einen angenehmen Geschmack und verleiht zum Beispiel Weihnachtsgebäck eine besondere Note. Doch im Hinblick auf seine Nährwerte und deren Wirkung auf den Blutzucker ist er bei Diabetes wie herkömmlicher Zucker zu bewerten. Auch Kokosblüten-Zucker ist bei Diabetes keine geeignete Alternative. Denn auch er hat Einfluss auf den Blutzucker und enthält einiges an Kalorien: In 100 g stecken 384 kcal.

Mythos: Rotwein ist gut fürs Herz

Wahrheitsgehalt: Falsch.

Immer wieder heißt es, dass das tägliche Glas Rotwein positive Wirkungen auf die Herz-Gesundheit hat. Verantwortlich dafür sollen die im roten Wein enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe (Polyphenole) sein. Sie wirken antioxidativ und sollen vor Ablagerungen in den Blutgefäßen schützen. Doch mit dem Rotwein ist es so eine Sache: Gegen ein kleines Glas trockenen Wein zum Beispiel ein- bis zweimal in der Woche spricht meistens nichts. Bei Diabetes gibt es dazu ein großes Aber: Alkohol ist ein Zellgift und die Leber ist bestrebt, ihn so schnell wie möglich wieder abzubauen, bevor sie wieder in der Lage ist, Zucker aus ihren Speichern ins Blut abzugeben. So kann durch den Alkohol-Konsum eine Unterzuckerung entstehen.

Mehr noch: Alkohol hat einen negativen Einfluss auf die Blutgefäße und den Blutdruck. Und wer auf sein Gewicht achten oder abnehmen möchte, sollte besser auf Bewegung und reichlich Gemüse und Salat setzen, denn Alkohol liefert einiges an Kalorien und fördert den Appetit. Sekundäre Pflanzenstoffe, wie die erwähnten Polyphenole aus den roten Trauben im Rotwein, gibt es in geballter Ladung in frischem Gemüse, Salat, Kräutern und Früchten (mehr Informationen dazu gibt es im Artikel über sekundäre Pflanzenstoffe in der Mai-Ausgabe des Diabetes-Journals).

Mythos: Grapefruit verträgt sich nicht mit einigen Medikamenten

Wahrheitsgehalt: Richtig.

Zum Schluss noch eine Behauptung, die wichtig und auch richtig ist. Denn Grapefruits sind zwar gesund, aber ihre Bitterstoffe können die Wirkung zahlreicher Medikamente verstärken oder abschwächen. Dazu gehören Arzneien, die zum Beispiel bei Bluthochdruck, erhöhten Blutfett-Werten, Depressionen, erektiler Dysfunktion oder einer Antihormon-Therapie nach Brustkrebs verordnet werden. Oft heißt es, dass lediglich Grapefruit-Saft diese Wechselwirkungen hervorrufen kann. Experten raten mittlerweile aber auch davon ab, frische Früchte zu essen, wenn Medikamente aus den genannten Gruppen zum täglichen Leben dazugehören. Damit Sie auf Nummer sicher gehen, lassen Sie diese und andere Wechselwirkungen in der Apotheke überprüfen.

Fazit

Viele Ratschläge sind zwar gut gemeint, doch oft nicht richtig. Bei anderen kommt es auf die Menge und Häufigkeit an. Deshalb prüfen Sie genau, bevor Sie auf bestimmte Dinge verzichten.


Autorin:
Kirsten Metternich von Wolff

Diätassistentin DKL, DGE
Redaktion Essen und Trinken
Hildeboldstraße 5
50226 Frechen-­Königsdorf

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (6) Seite 16-19

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