FGM und CGM korrekt handhaben … und Daten auslesen

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FGM und CGM korrekt handhaben … und Daten auslesen

Ein FGM/iscCGM- bzw. rtCGM-System zu bekommen und zu besitzen, ist das eine – die richtige Handhabung, damit es eine Erleichterung im Alltag schafft, das andere. Dafür benötigt man erstens Know-how zur korrekten Nutzung der Systeme, zweitens Programme zur Datenauswertung und drittens Ideen, welche Konsequenzen man zur Therapieanpassung mit dem Arzt oder eigenständig daraus ziehen kann.

Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring sollen den Patienten durch die permanente Aufzeichnung von Gewebezuckerdaten den Alltag erleichtern. Zudem schont es die Fingerkuppen. Diese Aspekte schenken Lebensqualität. Doch es kommen bei vielen Zweifel auf:

  • Sind die gemessenen Werte korrekt?
  • Welche Abweichung ist tolerabel?
  • Was kann/soll ich machen, wenn die gemessenen Werte nicht mit meinem Körpergefühl übereinstimmen?
  • Wie kann ich meinen Daten vertrauen, und was habe ich diesbezüglich zu beachten?

Fragen über Fragen, die auch verunsichern können. Egal ob man sich nun für FGM/iscCGM oder rtCGM entscheidet, bei beiden Formen ist die Tragestelle von Relevanz.

Tragestelle: Oberarm bzw. Bauch, Gesäß

Das FGM ist laut Hersteller für den Oberarm zugelassen. Hier sollte berücksichtigt werden, dass man eine Stelle am hinteren Oberarm wählt, an der Fettgewebe vorhanden ist. Dasselbe gilt für die rtCGM-Systeme. Allerdings sind diese je nach Vorgaben des Herstellers am Bauch, den Flanken oder am oberen Gesäßbereich zugelassen. Aber auch hier gilt: Es muss Fettgewebe vorhanden sein, damit das System gut messen kann. Der rtCGM-Sensor Eversense wird direkt ins Unterhautfettgewebe am Oberarm eingesetzt.

Ungünstige Stellen sind Hautareale, die Vernarbungen oder veränderte Spritzstellen (“Lipodystrophien”) aufweisen. Ist wenig Fettgewebe vorhanden oder legt man den Sensor in eine solche Stelle, können die Werte stark abweichen oder es kann gar nichts gemessen werden, denn die “Umspülung” ist eingeschränkt. Dies zeigt sich auch, wenn man zu wenig Flüssigkeit über den Tag aufgenommen hat, der Gürtel von der Hose den Sensor abklemmt oder man in der Nacht darauf liegt.

All diese Dinge können das Messen beeinflussen bzw. zu Datenlücken führen. Ist es dem Sensor zu heiß oder zu kalt, kann er ausfallen und muss sich wieder abkühlen/erwärmen.


Übersicht: in Deutschland verfügbare FGM- und CGM-Systeme

  
  

Klicken Sie auf eine der Abbildungen, um eine Großansicht zu erhalten.

Eine noch umfangreichere Diabetestechnologie-Übersicht inklusive Insulin­pumpensysteme finden Sie hier (PDF-Datei; Stand 12/2016).

Achtung: kein Blutzuckerwert!

Weiterhin sollte man bei beiden Systemarten immer im Auge behalten, dass hier der Zuckergehalt im Unterhautfettgewebe und nicht im Blut gemessen wird. Somit lassen sich manche Abweichungen, die physiologisch völlig normal und erklärbar sind, besser deuten. Man muss mit einer Zeitverzögerung rechnen, die sich bei schnellen Blutzuckerabfällen oder -anstiegen besonders bemerkbar macht.

Hat der Blutzucker gerade eine stabile Phase, da er keinen äußeren Einflussfaktoren wie Bewegung/Sport, Mahlzeiteninsulinwirkung oder Stress unterliegt, sollten Blutzucker und Gewebezucker ähnlich sein. Bestehen aktuelle Einflussfaktoren, macht sich die Zeitverzögerung stärker bemerkbar und die Unterschiede werden größer …

Beispiele: beim Sport oder nach dem Essen

Man misst vor dem Sport den Gewebezucker und startet mit 198 mg/dl (11,0 mmol/l), Trendpfeil stabil. Nach ca. 30 Minuten Aktivität wird erneut auf den Gewebezucker geschaut: 160 mg/dl (8,9 mmol/l), Trendpfeil stark fallend. Misst man dann blutig nach, ist zu erwarten, dass der Blutzucker bereits weiter gesunken ist. Eventuell ist dieser schon um 100 mg/dl (5,6 mmol/l).

Anders sieht es mit dem Gewebezucker ca. 1 Stunde nach einer normalen Mahlzeit aus. Dieser kann niedriger liegen im Vergleich zum Blutzucker, weil der Zucker aus dem Blut noch nicht im Unterhautfettgewebe angekommen ist.

Man muss Erfahrungen sammeln und Routine bekommen, wie der eigene Körper darauf reagiert. Dann kann man die Abweichungen mit der Zeit sehr gut einkalkulieren.

Die Kalibration

Bei rtCGM gibt es noch einen weiteren Faktor, der zur Genauigkeit der gemessenen Daten beiträgt: die Kalibration. Eine Kalibration ist ein Abgleich des Gewebezuckers mit dem Blutzucker. Die rtCGM-Systeme MiniMed 640G, MiniMed Veo, Guardian Connect, Dexcom G4 Platinum und Dexcom G5 Mobile verlangen nach spätestens 12 Stunden eine solche Kalibration. Der Eversense möchte nach der Startphase jeden Tag mindestens 2-mal in einem Abstand von mindestens 10 bis maximal 14 Stunden kalibriert werden. Beim FGM/iscCGM-System FreeStyle Libre ist eine Kalibration nicht nötig, da das System werkskalibriert ist.

Nutze ich ein rtCGM-System, ist es wichtig, dass die Kalibration zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem der Zuckerverlauf keinen Schwankungen unterliegt: Führt man z. B. eine Kalibration kurz nach dem Essen durch (Phase des Blutzuckeranstiegs), zieht sich die gesamte CGM-Kurve nach oben; dies hat zur Konsequenz, dass bis zur nächsten Kalibration falsch hohe Werte angezeigt werden.

Kalibriert man während eines Zuckerabfalls, z. B. nach Sport, zieht dies die Kurve nach unten und man erhält tendenziell zu niedrige CGM-Daten. Dies wiederum hat den Effekt, dass Alarme oder gar Hypoglykämieabschaltungen fehlerhaft sind. Beide Varianten sind ungünstig, können im Alltag verunsichern und Zuckerschwankungen mit sich bringen.

Gute Zeitpunkte für die Kalibration

Sehen Sie auf dem Empfängergerät einen Gewebezucker ohne Trendpfeil, so bedeutet dies, dass aktuell kein Pfeil und keine Veränderung des Gewebezuckers vom System berechnet werden kann. Deshalb ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, ob noch Mahlzeiteninsulin wirkt, eine Hypoglykämie aufgetreten ist, Bewegung stattgefunden hat oder Ähnliches, was Schwankungen verursachen kann. Sind keine Störgrößen bekannt oder sieht man einen stabilen Trendpfeil, kann kalibriert werden.

Ist das nicht der Fall, kann der 12-Stunden-Rhythmus auch durch eine zusätzliche Kalibration angepasst werden. Kalibriert man allerdings zu häufig, verzerrt das die Genauigkeit, da es fast unmöglich ist, mehr Blutzuckerwerte an einem Tag in stabilen Phasen zu messen.

Daten auslesen und darstellen

Auf den Empfängergeräten selbst kann man sich den aktuellen Gewebezuckerwert sowie Trendpfeil aufrufen. Weiter besteht die Möglichkeit, einen grafischen Datenverlauf der letzten 3, 6, 12 oder 24 Stunden anzusehen.

Beim System MiniMed 640 G ist im Speicher rückblickend der Verlauf über mehrere Tage als Grafik einsehbar. Der Reader des FreeStyle Libre speichert Berichte bzw. Protokolle der letzten 90 Tage.

Im Gerät selbst kann man anzeigen lassen:

  • Protokoll (einzelne Scans inkl. Trendpfeil und eingegebenes Ereignis),
  • Tagesdiagramm (Gewebezuckerkurve eines Tages als Grafik),
  • Glukosedurchschnitt (Durchschnittswerte in Zeitzonen),
  • Tagesmuster,
  • Zeit im Zielbereich (Prozent-Verteilung der Werte im Zielbereich, zu hoch oder zu niedrig),
  • Ereignis mit niedrigem Glukosewert (Zeitzonen mit niedrigen Ereignissen),
  • Sensornutzung (Scans pro Tag).

Auch beim Eversense kann man sich über die Eversense-App bis zu 90 Tage Berichte rückblickend ansehen, um Muster und Trends zu erkennen. Die Grafiken in den Empfängergeräten sind klein und manchmal nicht eindeutig zuzuordnen.Um besseres Anschauungsmaterial zu bekommen, lohnt es sich, die Systeme mit Hilfe einer Software auszulesen. Das Auswerten am Computer kann helfen, Muster zu erkennen und die Therapie leichter anzupassen.

Welche Software kann ich nutzen?


Medtronic

Die rtCGM-Systeme von Medtronic – MiniMed 640G, MiniMed Veo, Guardian Connect –, die alle mit dem Enlite-Sensor funktionieren, kann man in die webbasierte Software CareLink Personal auslesen, wodurch man automatisch die rtCGM-Daten erhält. Zum Auslesen muss man bei Medtronic registriert sein:https://carelink.minimed.eu. Hier kann man sich ein Konto einrichten.
Zur Datenübertragung benötigt man je nach System das Contour Next Link, das Contour Next Link 2.4 oder den CareLink USB. Nutzt man den Guardian Connect, werden die Daten aus der App auf das Portal von CareLink gesendet. Entweder nutzt man hierfür das von Medtronic mitgelieferte Empfängergerät, auf dem die App bereits existiert, oder man lädt sich die App auf ein kompatibles Gerät. Die Datenübertragung läuft automatisch über das Internet. Man muss lediglich einmal die Care-Link-Synchronisation hochladen. Nun kann man sich verschiedene Berichte anzeigen lassen.


FreeStyle Libre

Für Nutzer des FreeStyle Libre des Unternehmens Abbott gibt es die Downloadversion eines Softwareprogramms kostenlos auf www.freestylelibre.de. Weiterhin kann man die Daten über Diabass 5, Diasend und Smart Pix in eine grafische Darstellungsvariante bekommen. Zur Datenübertragung benötigt man das mitgelieferte gelbe USB-Kabel. Wenn man das Lesegerät (Reader) über das Kabel mit dem Computer verbindet, läuft die Datenübertragung fast automatisch und man bekommt seine Daten in Form eines ambulanten Gukoseprofils (AGP) angezeigt sowie viele weitere Darstellungsvarianten.


Dexcom Studio

Den Dexcom G4 Platinum kann man mit der Software Dexcom Studio oder Clarity auslesen. Entscheidet man sich für Dexcom Studio, steht ab Mai für Patienten ein kostenloser Download zur Verfügung (zu finden auf der neuen Webseite). Hat die Datenübertragung stattgefunden, klickt man den Button “Muster” an, um erste Trends wahrzunehmen.


Clarity

Mit der Clarity-Software kann man die Systeme Dexcom G4 Platinum sowie Dexcom G5 Mobile auslesen. Hier handelt es sich um eine webbasierte Software. Nach der Registrierung kann man die Daten herunterladen. Verwendet man die Empfängergeräte des Dexcom G4 Platinum oder Dexcom G5 Mobile, so benötigt man ein USB-Kabel zur Datenübertragung. Nutzt man die Dexcom G5 Mobile App auf einem Smartphone (iOS, Android), werden die Daten automatisch zu Clarity übetragen. Bei Clarity kann man direkt das AGP zur Mustererkennung anwählen. Zudem helfen die Überlagerungen oder tägliche Verläufe, um die Therapie zu optimieren.


Diasend/glooko

Auch Diasend ist ein webbasiertes Softwareprogramm. Hier registriert man sich unter www.diasend.com. Um die Daten auszulesen, benötigt man ein entsprechendes Kabel zur Datenübertragung. Bei der Insulinpumpe Animas Vibe (die in Deutschland nicht mehr verfügbar ist) benötigt man entweder ein Infrarotkabel oder ein Transmitter-Gerät, beim Dexcom G4 Platinum/G5 Mobile genügt ein Micro-USB-Kabel. Anschließend geht man auf den Button CGM und kann sich unter der Kategorie Standardtag das AGP ansehen, bei Tag für Tag jeden einzelnen Verlauf.


Libre View

Nutzt man den FreeStyle Libre über die LibreLink App, gibt es die LibreView Cloud, die einem das Datenmanagement auch als App-Nutzer ermöglicht. Es handelt sich um eine webbasierte Cloud, auf die mit dem Handy gescannte Werte direkt übertragen werden. Verläufe und Grafiken kann man sich übersichtlich ansehen.


Diabass 5

Mit dieser Software kann man den FreeStyle Libre und den Dexcom G4 Platinum auslesen. Diabass 5 ist im Onlineshop als CD oder Download erhältlich. Zum Auslesen benötigt man zusätzlich das entsprechende Kabel zu dem jeweiligen Gerät, danach kann es losgehen.


Eversense App

Speziell für diejenigen, die den Eversense tragen, gibt es die Eversense App. Hier werden die gemessenen Daten vom Transmitter via Bluetooth automatisch an die Eversense App übertragen. In dieser App kann man sich Berichte der letzten 90 Tage anzeigen lassen und direkt Muster und Trends erkennen. Man kann die Daten auch auf eine Cloud laden, indem man ein Konto einrichtet: www.eversensedms.com

Datenflut selektieren

Therapeuten und Patienten sehen im Vergleich zur Blutzuckermessung bedeutend mehr Daten, mit denen man lernen muss umzugehen. Bei dieser Datenflut muss selektiert werden: Was ist relevant zur Therapieanpassung? Und was ist einfach nur nett zu wissen, bringt aber therapeutisch nichts?

Voreinstellungen wichtig

Ganz wichtig ist es, in den jeweiligen Programmen zum Auswerten zu Beginn diverse Voreinstellungen vorzunehmen, um Daten nicht falsch zu interpretieren: Zum Beispiel ist der Zielbereich ein wichtiger Faktor; setzt man diesen zu schmal an, reduziert sich die Menge der Zuckerwerte im Zielbereich – was sehr frustrierend sein kann. Zudem sollte man sich bewusst werden, welchen Zeitraum man sich ansehen möchte; es ist nicht sinnvoll, sich mit einer Datenflut der letzten Monate zu überladen – meist reichen die letzten 2 Wochen. Die zu interpretierende Datenmenge wird zusätzlich erhöht durch weitere relevante Dokumentationen wie KE/BE, Insulineinheiten, Bewegung/Sport, Stress, Krankheit, die aber notwendig sind, um die Daten richtig deuten und bewerten zu können.

Schwerpunkt Kontinuierliche Glukosemessung

von Juliane Steffan
Juliane Steffan, Diabetesberaterin DDG, Diabetes Zentrum Mergentheim,
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim,
Tel.: 0 79 31/5 94-162, E-Mail: diabetesberater@­diabetes-zentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (5) Seite 20-25

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