Folgen des Diabetes: Zuversicht statt Angst

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Folgen des Diabetes: Zuversicht statt Angst

Das Bestreben, alle Kinder und Jugendlichen mit Diabetes bestmöglich zu behandeln, entspringt nicht dem Ehrgeiz der Diabetesteams, sondern dem Ziel, dass alle Kinder und Jugendlichen gesund erwachsen und möglichst ohne Folgeerkrankungen alt werden!

Eltern müssen für ihre Kinder mitdenken

Kinder leben im Allgemeinen im Hier und Jetzt – was in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren geschehen kann, ist weit, weit weg. Die Eltern müssen die Aufgabe übernehmen, das Leben mit Diabetes gut auf den Weg zu bringen und ihre Kinder über viele Jahre begleiten – mit den Sorgen um Folgeerkrankungen im Hinterkopf.

Bei Jugendlichen ist es meistens so, dass sie von "solchen Sachen" nichts hören möchten. Sie haben häufig ohnehin viele andere Baustellen, die den Diabetes in den Hintergrund drängen können. Doch die gute Nachricht vorweg: Folgeerkrankungen können auftreten – müssen aber nicht.

Folgeerkrankungen können verhindert werden

Während man früher der Meinung war, Folgeerkrankungen wären eine unvermeidliche Langzeiterscheinung bei Diabetes, weiß man heute, dass dem nicht so ist. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass durch die intensivierte Insulintherapie und die Insulinpumpentherapie die Rate der Folgeerkrankungen in den letzten 25 Jahren um mehr als 50 Prozent gesenkt wurde.

Bei recht akzeptabler – nicht unbedingt perfekter – Stoffwechseleinstellung kann man davon ausgehen, dass die Lebenserwartung der heutigen Kinder mit Diabetes ebenso lang sein wird wie die der Gleichaltrigen ohne Diabetes.

Was sind Folgeerkrankungen?

Unter Folgeerkrankungen des Diabetes werden Veränderungen der kleinen und großen Blutgefäße verstanden. Besonders gefährdet sind die sehr feinen Gefäße, also die Kapillaren im Auge, in den Nieren und an den Füßen.

Gefäßveränderungen (Arteriosklerose) können bei allen Menschen auftreten, mit steigendem Lebensalter häufen sich die Durchblutungsstörungen. Bei Menschen mit Diabetes und langfristig zu hohen Glukosewerten können sich diese Verengungen deutlich früher entwickeln. Bei den Folgeerkrankungen des Diabetes geht es also darum, dass Blutgefäße so eng werden, dass nicht mehr genügend Blut durchfließen kann.

Auch an den großen Gefäßen im Herzen, im Gehirn und in den Beinen kann es zu Verengungen kommen, begünstigt wird dieser Prozess außerdem durch Übergewicht und Rauchen.

Gefäßschäden am Auge (Retinopathie)

Die kleinen Gefäße im Auge werden durch die Verengung durchlässig, brüchig und platzen (Mi-kroangiopathie). Dadurch entstehen Flüssigkeitseinlagerungen und Blutungen in der Netzhaut, mit Schädigung der Sehzellen. Diese Schäden sind bei einer augenärztlichen Untersuchung (Augenhintergrunduntersuchung mit "weit getropften" Pupillen) gut zu erkennen. Daher werden jährliche Kontrollen beim Augenarzt empfohlen, um frühzeitig handeln zu können. Zur Behandlung von Retinopathien werden Laserstrahlen eingesetzt. Diese Strahlen können geschädigte Gefäße "verschweißen", damit kein Blut mehr austreten kann.

Erwiesenermaßen beugt eine stabile Glukose-und Blutdruckeinstellung der Entstehung einer Retinopathie vor. Veränderungen an der Netzhaut sind durch moderne Diabetestherapien sehr selten geworden.

Gefäßschäden an der Niere (Nephropathie)

Die Nieren sind im menschlichen Körper dafür zuständig, dass Stoffwechselprodukte wieder ausgeschieden werden. Sie sind sehr gut durchblutet und sorgen für die "Reinigung" des Blutes. In den Nieren sind feinste Blutgefäße für die Filterung des Blutes zuständig – wichtige Bestandteile werden herausgefiltert und gehen dann zurück in den Blutkreislauf, Abbauprodukte hingegen werden in die Blase geleitet und dann mit dem Urin ausgeschieden.

Auch in der Niere können diese feinen Gefäße durch anhaltend hohe Glukosewerte geschädigt werden. Sie sind dann z. B. für Eiweiße durchlässig, die der Körper eigentlich noch braucht. Weil man das zunächst nicht spürt, soll der Urin einmal jährlich auf Eiweiß (Albumin) untersucht werden. Die leicht erhöhte Eiweißausscheidung nennt man Mikroalbuminurie.

Auch ein erhöhter Blutdruck könnte ein Hinweis auf eine Veränderung an der Niere sein, deshalb wird der Blutdruck regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls normalisiert. Bleiben Blutdruck und Blutglukose über Jahre erhöht, könnten die Gefäßveränderungen fortschreiten und die Niere erheblich schädigen.

Nervenschädigungen (Neuropathie)

Die Nerven steuern in unserem Körper viele Vorgänge. Alle Körperbereiche sind über das Nervensystem mit der "Zentrale", dem Gehirn, verbunden.

Man unterscheidet die bewusste Steuerung von Muskeln und unbewusste Prozesse (z. B. Herzschlag, Verdauung, Schwitzen. Verschiedene Empfindungen wie Berührungen, Schmerz und Geschmack werden über Nerven gesteuert).

Hohe Glukosespiegel können die Nervenzellen über Jahre so schädigen, dass die Übertragungen vom und zum Gehirn verlangsamt werden oder gar nicht mehr funktionieren. Es können nach Jahren verschiedene Beschwerden auftreten:

Durch regelmäßige Kontrolle der Reflexe, des Temperatur und Schmerzempfindens können erste Anzeichen frühzeitig erkannt werden.

Während diese Veränderungen früher leider bei vielen Menschen mit Diabetes nach einigen Jahrzehnten aufgetreten sind, zeigen aktuelle Studien, dass die Zahl der Betroffenen sinkt und immer mehr Menschen mit Typ-1-Diabetes ohne diese Folgen alt werden können. In Dänemark konnte dazu belegt werden, dass in den letzten Jahrzehnten das Auftreten der Nierenerkrankungen deutlich zurückgedrängt werden konnte. Die Lebenserwartung der Menschen mit Typ-1-Diabetes nähert sich der der Gesamtbevölkerung an.

Gelassen in die Zukunft schauen

Die gute Ausbildung der Diabetesteams, intensive Schulungen, technischer Fortschritt und vor allem die kompetente Behandlung von Kindern durch ihre Eltern sind die Gründe dafür, dass Eltern und ihre Kinder mit Diabetes heute gelassen und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können. Für niemanden sollte der Gedanke an Folgeerkrankungen zu schlaflosen Nächten oder ständiger Angst führen. Und als "Erziehungsmittel" ist die Drohung mit Folgeerkrankungen nun vollkommen ungeeignet.

Kinder, Jugendliche und Eltern, die sich jeden Tag um die Diabetesbehandlung bemühen, sollten stolz auf die eigene Leistung sein – auch wenn nicht immer alles perfekt funktioniert. Die Chance, dass sich die Diabetestherapie weiter verbessern wird, ist groß und damit auch die Chance, mit Typ-1-Diabetes ein gutes und erfülltes, langes Leben zu führen.

Fazit

Niemand weiß genau, in welchem Ausmaß und wie lange Glukosewerte erhöht sein müssen, damit Folgeerkrankungen entstehen; einzelne hohe Ausreißer werden sie eher nicht auslösen. Neben der Blutzuckereinstellung spielt die individuelle genetische Veranlagung eine Rolle.

Durch die modernen Diabetesbehandlungen mit dem Ziel normnaher Glukosewerte sind Folgeerkrankung deutlich seltener geworden – sie können vermieden oder zumindest sehr lange hinausgezögert werden. Ausgewogene Ernährung, normales Körpergewicht, regelmäßiger Sport und gute Fitness können alle Menschen vor Gefäßschädigungen schützen. Vorsorgeuntersuchungen können schließlich helfen, erste Veränderungen früh zu erkennen und eine erfolgreiche Behandlung möglich zu machen.


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