Gärten, die gesund machen

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Gärten, die gesund machen

Die ideale Zeit für Heilpflanzen ist der Frühling. Erfolgsautor Hans Lauber stellt in seiner Kolumne sieben außergewöhnliche Gärten vor, die eine Reise lohnen.

„TDM Traditionelle Deutsche Medizin“ heißt mein jüngstes Buch. Darin stelle ich von der Klostermedizin bis zur Homöopathie die fünf Elemente unserer traditionellen Heilkunde vor. In der „Hausapotheke“ zeige ich 30 heimische Heilpflanzen, die selbst angewendet werden können – vom Wundenheiler Arnika bis zum Magenwärmer Wermut. Im „Heilkundeatlas“ präsentiere ich 66 Gärten der Gesundheit – vom „Karlsgarten“ nach Karl dem Großen in Aachen bis zum Gut Bollheim bei Euskirchen, wo wie früher hofeigenes Getreide gezüchtet wird.

Aus dieser Fülle habe ich sieben ganz besondere Gärten ausgewählt, die eine eigene Reise lohnen. Es sind dies aber auch Gärten, die prototypisch für die Vielfalt unserer heilenden Pflanzenkultur stehen: Klostergärten, Botanische Gärten, Apothekergärten, Gärten von Naturheilkundefirmen, Gärten von Gasthäusern, Gärten von Spezialgärtnereien und Gärten in den Städten.

Klostergarten Seligenstadt: Mit Apotheke

Über Jahrhunderte konzentrierte sich im Mittelalter in den Klöstern das medizinische Wissen. So waren im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung die meisten Mönche und Nonnen des Schreibens kundig – und sie legten eigene Gärten mit heilenden Pflanzen an. Wobei sie vieles aus dem Süden mitbrachten, wie etwa Salbei und Thymian. Sie waren aber auch in einem engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung und verwerteten die Erfahrungen kräuterkundigen Frauen und Männer.

Als Paradiese auf Erden galten die Klostergärten früher. Wie ein kleines Stück Himmel wirkt auch der Garten im über tausend Jahre alten, ehemaligen Benediktinerkloster in Seligenstadt am Main – was wohl ganz stark auch daran liegt, dass die Anlage von hohen Mauern umgeben ist, die Schutz und Geborgenheit versprechen. Über 200 heilende Pflanzen wachsen in 22 Einzelbeeten, gegliedert nach Indikationen, wie etwa Schmerz, und Organen, etwa Herz. Auch gibt es je ein Beet mit homöopathischen Pflanzen und Krebsheiler, wie etwa das Schöllkraut. Hier hat der leidenschaftliche Gärtner Uwe Krienke ein hinreißendes Gartenkunstwerk geschaffen!

Abgerundet wird alles durch eine Sammlung mit alten Baumsorten – und eine historische Klosterapotheke aus dem Jahr 1725. Auch schön: Das gepflegte Städtchen Seligenstadt liegt idyllisch am Main, ist gut erreichbar und verfügt über eine bodenständige Gastronomie.

Vor einer karolingischen Basilika: Klostergarten Seligenstadt

Apothekergarten Wiesbaden: Signaturenlehre

Die eigene Zubereitung pflanzlicher Präparate war bis in die Neuzeit eine Uraufgabe der Apotheker – und noch bis heute werden diese Fertigkeiten im Studium der Pharmakologie vermittelt. Apotheker waren es auch, die das Wissen aus den Klostergärten bewahrten – und um 1600 etwa in Hannover, Leipzig und Nürnberg große Pflanzungen zur Herstellung von Medikamenten anlegten. Vielfach sind die Apothekergärten die Vorläufer der Botanischen Gärten.

Idyllisch in einen Berghang oberhalb der Stadt gebettet ist der Apothekergarten Wiesbaden. Ein wahres Prunkstück ist diese großzügige Schauanlage, die zum Flanieren und Staunen einlädt, etwa mit der duftenden Schokoladenblume. Eingeteilt ist der Garten in 29 Sektoren vom „Naturteich“, wo Appetit anregende Pflanzen wie Bitterklee, Engelwurz und Kalmus wachsen, bis hin zum „Urbaum“ Ginko, der seit über 280 Millionen Jahren nachweisbar ist. Spannende Entdeckungen sind hier zu machen – und alles ist leicht verständlich beschrieben. Etwa die Signaturenlehre, die von der Form einer Pflanze auf ihre Wirkung schließen lässt. So signalisieren die herzförmigen Blätter der Melisse, dass sie bei nervösen Herzbeschwerden hilft.

Empfehlenswert ist ein Besuch des Wiesbadener Gartens am Samstag, wo in der Nähe des einladenden Kurparks ein großer Wochenmarkt mit über 100 Ständen lockt.

Duftet nach Kakao, macht nicht dick: Schokoladenblume

Botanischer Garten Berlin: „Arzneipflanzen-Mensch“

Für die systematische Erforschung von Pflanzen wurden ab 1550 in ganz Europa Botanische Gärten angelegt. Vor allem angehende Mediziner und Pharmazeuten nutzten diese Gärten als Anschauungsmaterial und für praktische Studien. Eine überragende, neue Bedeutung haben diese Gärten in der jüngsten Zeit bekommen: Sie sind eine Art lebendige Genreserve für vom Aussterben bedrohte Arten – allein im Botanischen Garten in Frankfurt finden sich über 500 gefährdete heimische Sorten, etwa das bei Gicht helfende Löffelkraut oder der bei Husten nützliche Alant.

Auf eine faszinierende Weise präsentiert der Botanische Garten Berlin seine heilenden Schätze: Rund 230 Pflanzen wachsen hier, angeordnet nach Indikationen und gepflanzt in einen fiktiven, vergrößerten Mensch – und zwar immer dort, wo das entsprechende Organ liegt, also gehören zur Leber diese Kräuter: Benediktenkraut, Erdrauch, Kümmel, Mariendistel, Schöllkraut und Wermut. Umgeben ist der Arzneipflanzen-Mensch von offizinellen Hölzern, also medizinisch wirkenden Bäumen und Sträuchern, etwa Schlehe und Walnuss.

Zu den größten der Welt zählt der Berliner Botanische Garten – und ist mit einigen tausend Pflanzen ein eigenes Gartenreich. Eine botanische Reise durch die Erdteile lässt sich hier unternehmen, weshalb ein Tag kaum ausreicht. Gleichzeitig ist dieser schöne Garten mit seinen eindrucksvollen Gewächshäusern auch ein Ort der Einkehr und der Meditation.

Meditatives Naturparadies mitten in Berlin: Botanischer Garten

Weleda-Garten Schwäbisch Gmünd: Das Demeter-Reich

Naturgemäß haben mit Naturprodukten arbeitende Medizinunternehmen besonders schöne eigene Gärten. So besitzt die homöopathische Firma DHU in Staffort bei Karlsruhe einen der größten Heilpflanzengärten Europas und auch der Garten der Firma Wala in Bad Boll ist eine natürliche, wohltuende Anlage ohne Gewächshäuser aus Plastik, dafür mit eigenen Bienen. Auch das ökologisch arbeitende Kosmetikunternehmen Martina Gebhardt hat seit kurzem in einem ehemaligen Kloster südlich des Ammersees einen ein Hektar großen Garten, wo Demeter-zertifizierte Pflanzen wachsen.

Besonders facettenreich ist der Weleda-Garten oberhalb von Schwäbisch Gmünd mit über 250 Pflanzen. Die von dem Anthroposophen Rudolf Steiner gegründete Firma stellt nach den Prinzipien seiner Lebensphilosophie Arzneimittel her – und darin spielt das rhythmische Gleichgewicht von Prozessen eine wichtige Rolle. Es ist dies eine Heilkunst, die nicht nur wie die Schulmedizin auf den einzelnen Wirkstoffen einer Pflanze beruht, sondern auch deren spirituelle Dimension berücksichtigt. Wer sich mit dieser Philosophie vertraut machen möchte, dem bietet das „Erlebniszentrum“ lehrreiche Führungen und Seminare. Eine der größten Errungenschaften von Steiner ist sicher die biologisch-dynamische Landwirtschaft – und selbstverständlich wird in diesem speziellen Garten nach Demeter gearbeitet.

Schön gestaltete Anlagen schließen sich an den Weleda-Garten an, segensreiches Erbe einer sehr gelungenen Landesgartenschau vor einigen Jahren. Auch in Schwäbisch Gmünd selbst hat diese Schau höchst positive Wirkungen hinterlassen: War früher der Zugang vom Bahnhof eher trist, so gestaltet sich der Weg in die alte Stauferstadt heute luftig und großzügig – und es herrscht ein fast mediterranes Lebensgefühl.

Werden bei Weleda zu Pflegeprodukten: Calendula

Essbare Stadt: Schlaraffenland Andernach

Eine interessante Gegenbewegung zur immer industrielleren Landwirtschaft: In den Städten gibt es eine Vielzahl von Initiativen, um Eigenes anzupflanzen. So etwa die inzwischen berühmten Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg, wo gemeinschaftlich über 500 Kräuter- und Gemüsesorten angebaut werden. Es gibt aber auch lobenswerte kleine Projekte, etwa viele Hotels, die eigenen Honig herstellen, die ihre Dächer bienenfreundlich begrünen.

Unangefochtener grüner Spitzenreiter ist aber Andernach südlich von Bonn. Die 30000-Einwohner-Stadt hat rund 7000 Quadratmeter mit Essbarem bepflanzt, wobei bevorzugt alte, vom Aussterben bedrohte Sorten den Vorzug erhalten. So wurden einmal in einem Jahr über 100 verschiedene, teilweise vergessene Tomatensorten auf ehemaligen Grünflächen angebaut, ein andermal gibt es viele alte Kohlsorten. Alles ist öffentlich zugänglich, alle dürfen nach Bedarf ernten – was in dieser überschaubaren Gemeinde überraschend gut funktioniert. Wo sich das Gelände nicht für Gemüse eignet, etwa Verkehrsinseln, da wachsen wunderschöne Blumen. Ganz wichtig: Schüler sind ein unverzichtbarer Bestandteil der essbaren Stadt. Sie kümmern sich um viele Pflanzen – lernen so, wie Frisches schmeckt, was sie viel weniger anfällig gegen die süßen Versuchungen der Junk-Industrie macht.

Ein vorbildliches Projekt, das eine Reise wert ist – und das sich noch durch ein einmaliges Naturereignis toppen lässt: Denn direkt am Rheinufer schickt Europas größter Kaltwasser-Geysir alle zwei Stunden eine bis zu 60 Meter hohe Fontäne in den Himmel.

Adelt jeden Gurkensalat: Borretsch aus dem Schlossgarten

Gasthaus-Garten „Höchsten“: Hildegard-Pflanzen

Früher war es für ländliche Gasthöfe selbstverständlich, dass sie eigene Gärten hatten. Darin wurde Gemüse gezogen, es wuchsen aber auch viele Küchenkräuter, die frisch geerntet sehr wohl heilende Wirkungen haben, wie etwa Schnittlauch, dessen zarte Schärfe sich günstig auf den Cholesterinspiegel auswirkt. Erfreulicherweise pflegen immer mehr Gasthäuser wieder diese Tradition und legen Gärten an, wie etwa Michael Meier vom gleichnamigen Landgasthof in Hilzhofen, der nach ökologischen Gesichtspunkten große Gemüsefelder hegt.

Einer der schönsten Gasthausgärten liegt hoch über dem Bodensee im Berggasthof „Höchsten“ mit einer traumhaften Aussicht über den See und die Alpen. Über 120 Pflanzen gedeihen in dem großzügigen Garten, etwa Duftpflanzen wie der Mandarinensalbei und natürlich viele Kräuter, die in der Küche verwendet werden, wie Basilikum und Estragon. Einen Schwerpunkt bilden Pflanzen nach Hildegard von Bingen, etwa Römischer Bertram, Galgant und Quendel. Vorbildlich: Der Garten wird regelmäßig neu bepflanzt, es gibt liebevoll inszenierte Führungen – so dass hier stets ein sehr lebendiges Gartenreich zu besichtigen ist.

Selbstverständlich finden die Bio-Kräuter des Gartens auch reichlich Verwendung in der feinen badisch-schwäbischen Küche, welche die meisten Produkte von regionalen Lieferanten bezieht. Empfehlenswert ist auch ein Aufenthalt in den Hotelzimmern, die mit bei Vollmond geschlagenem Weißtannenholz ausgestattet sind, dessen Duft hilft, die Herzfrequenz zu senken, wie der lebenskluge Hans-Peter Kleemann, Besitzer dieses Kleinods, zu berichten weiß.

Hier wachsen über 120 Pflanzen: Heilkräutergarten

Gärtnerei-Garten Gaißmayer Illertissen: 3.000 Sorten

Es gibt immer mehr Gärtnereien, die viel mehr sind als reine Stationen für den Pflanzenverkauf. So etwa die Gärtnerei Friedrich in Sasbach am Kaiserstuhl, die berühmt ist für ihre seltenen, eigenen Züchtungen, wie etwa das Australische Zitronenblatt mit seinem intensiven Zitronenduft. Ein eigenes Gartenreich mit über 1300 Arten und Sorten ist auch „Rühlemann´s“ in der Nähe von Bremen. Besonders schön: Es gibt Kräuter für Kinder, wozu auch die Goethe-Pflanze Brutblatt gehört, an deren Blatträndern sich kleine Babypflanzen bilden – die herabfallend, sofort neu austreiben.

Die Krone der Gartenschöpfung gebührt aber eindeutig der Staudengärtnerei Gaißmayer in Illertissen bei Ulm. Hier werden mehr als 3000 Arten und Sorten kultiviert – so viele hat kaum ein Botanischer Garten. In über 30 Jahren hat der gelernte Drogist Dieter Gaißmayer hier aber nicht nur ein einzigartiges Pflanzenparadies geschaffen, wo allein über 70 Sorten Minze gedeihen. Vielmehr umfasst der Betrieb auch noch ein interessantes Gartenmuseum und ganz viele Themengärten, etwa ein „Garten der Farben“ mit Blüten zum Färben von Textilien, ein Garten der Traditionellen Chinesischen Medizin und eine verlockende Sammlung mit duftenden Pflanzen für die uralte Aromatherapie. Ein Gartengesamtkunstwerk mit einem hübschen Café, wo sich Tage verbringen lassen!

Ein Bienenhaus gehört zur Gärtnerei – und ein Bienenmuseum beherbergt Illertissen. Dazu kommt noch ein „Bienenweg“ von der Gärtnerei in die Stadt, wo an 17 Stationen erläutert wird, wie wichtig die gefährdeten Bienen für eine intakte Natur sind. Wer sich von der drei Kilometer langen Wanderung erholen will, findet im gemütlichen Landgasthof „Krone“ eine lohnenswerte gutbürgerliche Küche.

Hier geht’s lang: Bienenwanderweg


„TDM Traditionelle Deutsche Medizin –
Wie uns das uralte Heilpflanzenwissen heute hilft“.


Hausapotheke mit 30 heimischen Heilpflanzen – erstellt zusammen mit der Freiburger Phytotherapeutin Ursel Bühring. Heilkundeatlas mit 66 Gärten der Gesundheit.

von Hans Lauber, 160 Seiten, Kirchheim-Verlag, Mainz, 2018. 19,90 Euro

zum Kirchheim-Shop

von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de

Website: www.lauber-methode.de

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