Gut vorbereitet auf die weiterführende Schule

3 Minuten

Gut vorbereitet auf die weiterführende Schule

Sie haben medizinische und/oder psychosoziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage von Familie D.:

Wir freuen uns sehr, dass unser Sohn Henry (10) von seinen Lehrern eindeutig die Empfehlung für das Gymnasium erhalten hat. Das hätten wir vor drei Jahren kaum erwartet, als Henrys Leistungen in der Schule plötzlich deutlich abgefallen sind. Kurz danach wurde bei ihm Typ-1-Diabetes festgestellt.

Durch die gute Diabetesschulung und Behandlung von Beginn an hat sich Henry sehr schnell erholt. Er ist heute körperlich fit, spielt gerne Handball und freut sich darauf, mit seinem Freund Moritz das Gymnasium in der Nachbarstadt zu besuchen. Dazu unsere Frage: Wie können wir Henry darauf mit Blick auf seinen Diabetes vorbereiten?


Die Antwort von Prof. Dr. Karin Lange:

Wenn ein Kind mit Diabetes so gute Schulleistungen hat, sollte es wie alle Kinder eine Chance auf eine begabungsgerechte Schulbildung erhalten. Beim Schulwechsel wird Henry wahrscheinlich elf Jahre alt sein. Er ist damit immer noch zu jung, um seine Diabetestherapie verantworten zu können. Selbst wenn er sich schon viel zutraut, sollte er immer die Sicherheit haben, einen Elternteil telefonisch zu fragen, wenn es um die Insulindosierung, die Einschätzung von Kohlenhydraten (Handyfoto) oder das richtige Verhalten in ungewöhnlichen Situationen geht. Das sollten Sie im Vorfeld mit den neuen Lehrkräften besprechen.

Vor allem die Klassenlehrerin und der Sportlehrer sollten etwas genauer wissen, wie Henry bei einer Unterzuckerung oder bei anderen Notfällen, z. B. einer Ketoazidose oder einem Pen- oder Pumpendefekt, geholfen werden kann. Dazu gibt es eine Broschüre für Lehrkräfte, die Sie speziell an Henrys Bedürfnisse anpassen können. Sie finden diese auf der Website www.diabetes-kinder.de. Je einfach und klarer Ihre Instruktionen sind, umso eher und besser werden sie in der Schule umgesetzt.

Anders als Erstklässler können Elfjährige schon etwas auf sich achten und Hilfe erbitten, wenn es ihnen nicht gut geht. Sie brauchen nicht mehr ständig überwacht zu werden. Dieses Zutrauen sollten Sie Henry auch vermitteln. Parallel können Sie mit Henry in den nächsten Jahren kontinuierlich üben, wie Nahrung, Bewegung und Insulin aufeinander abgestimmt werden.

In einigen Diabeteszentren werden speziell Schulungskurse zum Wechsel in die weiterführende Schule angeboten, in denen ältere Kinder altersgemäß lernen, wie sie selbstbewusst mit ihrem Diabetes umgehen, etwas Verantwortung übernehmen und typische Probleme im Alltag mit Diabetes bewältigen können. Fragen Sie Ihr Diabetesteam nach einer solchen Schulung.

Erfahrungsgemäß verbringen gute Schulfreunde wie Moritz und Henry mehr Zeit in der Schule und vor allem in den Pausen miteinander als jede Lehrkraft mit einem einzelnen Kind. Wenn nicht schon längst geschehen, sollte Moritz wissen, wie er Henry im Notfall helfen kann. Und umgekehrt sollte Henry selbstverständlich auch für Moritz da sein. Das sollte auch für den gemeinsamen Schulweg mit dem Bus gelten. Hier könnten Sie in den Ferien mit beiden Jungen gemeinsam den Weg üben.

Anders als in der Grundschule möchten einige Kinder nicht, dass sie der neuen Klasse gleich mit ihrem Diabetes vorgestellt werden. Lassen Sie Henry entscheiden, ob er allen anderen Kindern gleich von seinem Diabetes berichten möchte oder erst nach und nach. Ganz sollte er aber seinen Diabetes nicht verheimlichen. Ein selbstbewusster Junge hat dazu berichtet, dass er den neuen Klassenkameraden gleich seine Pumpe und den Diabetes erklärt hat. Darauf meldete sich ein anderes Kind und sagte leise, dass es auch Diabetes habe.

Bei aller Sorge sollten Sie aber davon ausgehen, dass Henry die weiterführende Schule ebenso schaffen wird wie alle anderen Kinder. Die Stoffwechselstörung wird darauf kaum einen Einfluss haben. Und sollte es einmal Schwierigkeiten geben, hat das meist andere Gründe, wie bei anderen Kindern auch.

Nachgefragt
In jeder Ausgabe des Diabetes-Eltern-Journals beantworten Experten Fragen aus dem medizinischen und psychosozialen Bereich. Wenn Sie eine Frage haben, können Sie an Professor Karin Lange ( Lange.Karin@mh-hannover.de
) oder Dr. Torben Biester ( biester@hka.de
) schreiben – oder Sie wenden sich anDiabetes-Eltern-Journal-Redakteurin Nicole Finkenauer (E-Mail: finkenauer@kirchheim-verlag.de
); sie leitet Ihr Anliegen umgehend weiter.

von Prof. Dr. Karin Lange
Leiterin Medizinische Psychologie,
Medizinische Hochschule Hannover,
E-Mail: lange.karin@mh-hannover.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (1) Seite 24-25

Ähnliche Beiträge

Lea Raak im Interview: Durch Community zurück ins Leben

Lea Raak lebt seit dem Jahr 2011 mit einem Typ-1-Diabetes. Viele Fragen taten sich nach der Diagnose auf – und eine gewisse Verzweiflung. Die Community hat ihr zurück ins Leben geholfen: „Ich tue mein Bestes und alles andere kommt, wie es kommt.“

11 Minuten

#dedoc° voices meet DDG: die Patienten-Perspektive beim Diabetes Kongress

Im zweiten Teil der Berichte der #dedoc° voices vom diesjährigen Diabetes Kongress kommen weitere Menschen mit Diabetes zu Wort, die im Mai die Fachtagung in Berlin besucht haben, um ihre Perspektive einzubringen.

9 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert