Gute Schuhe für die Langzeitversorgung

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Gute Schuhe für die Langzeitversorgung

Wer als Mensch mit Diabetes eine Wunde am Fuß hatte oder hat, benötigt besondere Einlagen oder Schuhe. Welche Hilfsmittel das im Einzelfall sind, hängt von der aktuellen Situation am Fuß ab. Für jedes Stadium des Diabetischen Fußsyndroms gibt es konkrete Empfehlungen.

Patienten, die bisher noch keine Fußwunden hatten, werden in zwei Gruppen aufgeteilt: In der Gruppe 1 ohne jegliche Folgeschäden an den Füßen ist das Risiko, eine Fußwunde (Ulkus) zu erleiden, nicht größer als bei Menschen ohne Diabetes und kommt im Lauf eines Jahres bei 1 bis 2 Prozent der Patienten vor. Häufig sind es Blasen durch nicht passende Schuhe oder Bergabgehen und ganz selten auch Nageltrittverletzungen. Gruppe 2 sind Patienten, die bereits Folgeschäden an den Füßen haben. Problematisch ist hierbei besonders die Schädigung der Nerven (Polyneuropathie), die zu einem Verlust der schützenden Sensibilität geführt hat. Das Risiko für eine Fußwunde steigt dadurch auf ca. 6 Prozent im Jahr an. Eine zusätzliche Durchblutungsstörung steigert das Risiko nur leicht.

In Deutschland versucht man, diese Risikopatienten über das Disease-Management-Programm “Diabetes” zu identifizieren, in dem die Patienten mindestens einmal jährlich auf das Vorliegen einer Polyneuropathie mit Sensibilitätsverlust untersucht werden. Besonders wichtig ist hier die Untersuchung mit dem 10-Gramm-Monofilament an der Fußsohle. Wird das Monofilament nicht mehr korrekt wahrgenommen, sollten diese Patienten mit Spezialschuhen bei Diabetischem Fußsyndrom versorgt werden. In diesen Schuhen liegt bei der Auslieferung eine Weichpolstersohle. Sie ist 8 mm dick, liegt im Schuh und reduziert den Druck im Ballenbereich um mindestens 30 Prozent gegenüber Barfußgehen. Durch die steife Sohle ist das Tragen der Schuhe am Anfang oft gewöhnungsbedürftig. Andere Bequemschuhe mit weicher Einlage und ausreichendem Platzangebot sind zur Vorbeugung ebenfalls ausreichend. Die Erstattung der Kosten für diese Schuhe wird von den gesetzlichen Krankenkassen unterschiedlich gehandhabt: von vollständiger Ablehnung über Zuschüsse bis zu Erstattung bis auf den Selbstbehalt von ca. 86 Euro.

Risiko für weitere Fußwunden steigt nach erster Wunde

Anders verhält es sich nach dem ersten Auftreten einer Fußwunde. Damit steigt das Risiko für eine erneute Fußwunde auf 35 bis 40 Prozent pro Jahr. Die Patienten mit abgeheilter Fußwunde benötigen auf jeden Fall schützendes Schuhwerk. Welche Schuhe und Einlagen benötigt werden, hängt davon ab, an welcher Stelle die Wunde gelegen hat, ob Verformungen bestehen und ob bereits eine Amputation oder andere Operationen am Fuß durchgeführt wurden. Hierfür wurde die Risikoklassen-Einteilung der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft erstellt und in den Leitlinien verankert (siehe Tabelle Seite 25). Patienten mit abgeheilter Wunde finden sich in der Risikogruppe III wieder und benötigen einen “Spezialschuh für Diabetisches Fußsyndrom”. Der Schuh muss im Vorfußbereich breit genug und die Zehenbox ausreichend hoch sein, damit der Fuß seitlich und die Zehen von oben vor Druckkräften und Reibung geschützt sind, auch dann, wenn die Fußbettung im Schuh liegt. Deshalb gibt es fast alle diese Schuhe in einem Mehrweitensystem mit unterschiedlichen Breiten im Vorfußbereich. Manche Hersteller bieten auch Schuhe mit einer erhöhten Zehenbox an. Ebenfalls ausreichend muss die Länge des Schuhs sein: Vor der längsten Zehe sollte im Stehen mindestens ein Platz von 1 bis 1,5 cm sein. Trotz dieser banal erscheinenden Vorgaben sehen wir im Alltag regelmäßig Schuhe, die diese Vorgaben nicht erfüllen und neue Wunden auslösen.

Wunde an der Fußsohle erfordert besonderes Fußbett

Bei Fußwunden, die seitlich am Fuß oder oben an den Zehen waren, ist keine besondere Einlage erforderlich. Bei einer Wunde an der Fußsohle ist ein Diabetes-adaptiertes Fußbett unbedingt erforderlich. Es soll den Druck von der Stelle, an der das Fußgeschwür lag, in andere Bereiche des Fußes umverteilen, die noch gut Druck aufnehmen können. Dies wird durch Anmodellieren der Fußbettung an die Fußsohle erreicht. An den zu entlastenden Stellen werden weichere Materialien verwendet als an den Stellen, die Druck aufnehmen können.

Ebenfalls wichtig sind die Eigenschaften der verwendeten Kunststoffe. Ein Material, in das man mit den Fingern Dellen drücken kann, ist eher ungeeignet. Denn wenn der Fuß auf der Einlage entlastet wird, dauert es zu lange, bis das Material sich wieder entspannt hat. Der Fuß belastet die Einlage dann schon wieder, obwohl das Material noch gar nicht bereit ist, neuen Druck aufzunehmen. Wesentlich für die Druckentlastung im Vorfußbereich ist bei diesen Schuhen zusätzlich das Versteifen der Sohlen. Das sorgt dafür, dass immer eine größere Fläche an der Fußsohle belastet wird.

Erfüllen diese Schuhe nicht mehr die Anforderungen, die der Fuß benötigt, rutscht der Patient in die Risikogruppe IV und es müssen orthopädische Maßschuhe angefertigt werden. Wenn die Dicke der Fußbettung zum Entlasten bestimmter Stellen der Fußsohle nicht mehr ausreichend ist oder Verformungen wie beim Charcot-Fuß vorliegen, werden Maßschuhe, die den Knöchel mit einschließen, zwingend erforderlich und die Patienten gehören der Risikogruppe V an. Mit größer werdenden Verformungen und bei kürzeren Amputations-Stümpfen wird die Versorgung immer aufwendiger und der Schuhschaft wird höher. Im Extremfall müssen Innenschuhe oder gar Prothesen angefertigt werden.

Jeder Schuh muss genau kontrolliert werden

Bei diesen Versorgungen ist die Qualitätssicherung enorm wichtig. Seit Jahren ist es bereits möglich, zu messen, ob die Schuhe auch das tun, was sie sollen, nämlich den Druck an der Fußsohle gleichmäßig verteilen. Mittlerweile fordern dies auch die Krankenkassen ein und auch die Patienten sollten darauf achten, dass eine solche Innenschuh-Druckmessung durchgeführt wird. Nach der Fertigstellung der Schuhe wird eine dünne Sensorfolie zwischen Fuß und Fußbettung gelegt. Damit kann der Druck verglichen werden, der beim Barfußgehen in einer Standardsandale auftritt, mit dem Druck der Versorgungsmessung. Wird dabei festgestellt, dass der Druck an der Stelle des ehemaligen Ulkus noch zu hoch ist, muss das Fußbett entsprechend umgearbeitet werden. Wichtig ist, dass hiermit nicht die Passform des Schuhs überprüft werden kann. Ob der Schuh ausreichend lang oder breit ist, muss trotz aller technischer Möglichkeiten mit dem Auge überprüft werden.

Schuhe konsequent tragen

Jetzt ist es am Patienten, die Schuhe nach dem Einlaufen konsequent zu tragen – wie konsequent, hängt im Wesentlichen von der Fußverformung und dem noch vorhandenen Polstergewebe an der Fußsohle ab. Hier spielt die Durchblutungsstörung auch eine Rolle, da eine schlechter durchblutete Haut an der Fußsohle weniger widerstandsfähig ist als eine gut durchblutete.

Die Erfahrung zeigt, dass Fußwunden auftreten, wenn die Schuhe nicht konsequent getragen werden oder die körperliche Aktivität ein gewohntes Maß überschreitet. Das bedeutet für die Patienten, dass sie sich langsam an das von ihnen gewünschte Maß an Aktivität herantasten müssen, damit sie sich sicher sein können, dass dieses Maß der Aktivität für den Fuß akzeptierbar ist. Dieses Herantasten muss bei jeder Neuanfertigung oder Änderung des Hilfsmittels von vorn beginnen, denn kein Orthopädieschuhmacher kann garantieren, dass der neue Schuh genauso gearbeitet ist wie der alte. Verordnen kann diese Hilfsmittel jeder Arzt.



Autor:
Dr. Karl Zink

Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Straße 12
97980 Bad Mergentheim
E-Mail: zink@diabetes-zentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2023; 72 (1) Seite 22-25

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