Haben Sie ein Auge auf Ihre Augen!

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© Narin Sapaisarn - AdobeStock
Haben Sie ein Auge auf Ihre Augen!

Wie oft sollten Menschen mit Diabetes zum Augenarzt oder zur Augen­ärztin gehen? Und was kann getan werden, wenn die Augen durch den Diabetes geschädigt sind? Augenärztin Dr. Stefanie Schmickler beschreibt die Untersuchungsmethoden und gibt einen Einblick, wie Schäden im Auge behandelt werden können.

In Deutschland leben ca. 8 Millionen Menschen mit Diabetes. Von etwas höheren Zahlen geht der Ende 2019 veröffentlichte Diabetes Atlas der International Diabetes Federation (IDF) aus: Die Zahl der an Diabetes erkrankten Erwachsenen wird hierzulande auf 9,5 Millionen geschätzt, davon 90 % mit Typ-2-Diabetes. In diese Zahl bereits eingerechnet ist die hohe Dunkelziffer derjenigen, die an Typ-2-Diabetes erkrankt sind, aber davon noch nichts wissen.

Schäden an der Netzhaut durch Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Es ist das Anliegen der Augenärzte, Menschen mit Dia­betes vor Seheinschränkungen zu bewahren. Bei 24 bis 27 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes finden sich diabetesbedingte Veränderungen in der Netzhaut – also an der innersten, lichtempfindlichen Haut des Augapfels. Bei mittlerweile 15 % kommt es zur Ansammlung von Flüssigkeit in der Netzhaut­mitte (Makula-Ödem), was zu einer deutlichen Einbuße beim Sehen führt.

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes bestehen bereits bei Erkennen des Diabetes mellitus durch den Arzt bei 2 bis 16 % diabetesbedingte Netzhautveränderungen. Das Auftreten von Flüssigkeit in der Netzhautmitte, also eines MakulaÖdems, wird mit 6 % angegeben.

Wie häufig sollten die Augen von einem Facharzt untersucht werden?

In der Nationalen VersorgungsLeitlinie wird festgelegt, wie häufig die Augen eines von Dia­betes mellitus betroffenen Menschen augenfachärztlich kontrolliert werden sollen. Eine Vorsorgeuntersuchung braucht inzwischen nur alle zwei Jahre durchgeführt zu werden, wenn keine weiteren Risikofaktoren neben dem Diabetes und bisher keine Netzhautveränderungen vorliegen und der Arzt das individuelle Risiko des Entstehens von Netzhautveränderungen als gering einschätzt. Bei der Vorsorgeuntersuchung dokumentiert der Augenarzt auf einem standardisierten Vordruck den Befund für den überweisenden Hausarzt bzw. Dia­betologen/Internisten.

Risikofaktoren, die zu einer augenfachärztlichen Kontrolle häufiger als alle zwei Jahre führen sollen, sind:

  • die Dauer der Erkrankung (bei jahrelanger Erkrankung steigt auch das Risiko für Veränderungen in der Netzhaut),
  • eine durch den Diabetes bedingte Netz­haut­erkrankung,
  • ein erhöhter HbA1c-Wert,
  • eine diabetesbedingte Nieren­veränderung,
  • Bluthochdruck.

Liegt nur eins dieser Risiken vor, sollte der Augenarzt jährlich eine Netzhautuntersuchung durchführen, nachdem die Pupillen des Patienten mit speziellen Tropfen weitgestellt wurden. Zeigen sich bereits diabetische Netzhautveränderungen, müssen die augenfachärztlichen Wiedervorstellungsintervalle entsprechend dem Schweregrad und den sonstigen Befunden angepasst werden. Hierfür gibt es bestimmte Leitlinien.

Ausnahmen von diesen Vorstellungsintervallen bilden Kinder mit Typ-1-Diabetes: Diese müssen vor dem 11. Lebensjahr nur untersucht werden, wenn der Dia­betes mellitus bereits 5 Jahre und länger besteht.
Schwangere mit Diabetes sollten bei Feststellung der Schwangerschaft sofort und danach in Drei-Monats-Intervallen untersucht werden. Kommt es zu diabetischen Netzhautveränderungen, müssen die Kontrollintervalle in Abhängigkeit vom Befund verkürzt werden. Ebenso sollte bei einem neu aufgetretenen Dia­betes mellitus kurzfristig kontrolliert werden.

Was untersucht der Augenarzt?

Beim Augenarzt/der Augenärztin wird zunächst die Sehschärfe mit optimaler (Brillen-)Korrektur bestimmt. Ferner wird das Auge mikro­skopisch – mit einem Untersuchungsgerät, das der Augenarzt Spaltlampe nennt – untersucht, nachdem die Pupillen mit Augentropfen geweitet wurden, um die Netzhaut einzusehen. Häufig wird der Augeninnendruck gemessen.

Besteht der Verdacht auf eine diabetesbedingte Sehminderung, kann heutzutage die Netzhautmitte schichtförmig mit Hilfe der OCT (optische Kohärenztomographie) dargestellt werden. Hierbei handelt es ich um eine Untersuchung, die bei nicht erweiterter Pupille und vollkommen schmerzfrei durchgeführt wird. Sie wird allerdings erst dann von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt, wenn sich eine diabetesbedingte Netzhautschwellung nachweisen lässt.

Feine Veränderungen in der Netzhaut lassen sich ­darstellen

Im Fall von diabetesbedingten Netzhautveränderungen wird daraufhin eine Fluoreszenz­angiographie durchgeführt. Das ist ein Verfahren, um feine Veränderungen in der Netzhaut und an ihren Gefäßen darzustellen. Dieses Verfahren wird auch bei der altersbedingten Makula­degeneration zum Stellen der Diagnose angewandt. Hierzu wird ein gelber Farbstoff in die Vene gespritzt und die Verteilung des Farbstoffs in der Netzhaut zu verschiedenen Zeitpunkten fotografiert.

Zeigt sich in der OCT eine Schwellung der Netzhaut, die die Sehschärfe mindert, da sie nahe am schärfsten Punkt des Sehens ist, muss eine intravitreale operative Medikamenten­eingabe (IVOM) durchgeführt werden. Die IVOM wird zunächst immer mit drei Injektionen im Abstand von vier Wochen als Aufsättigungs­behandlung durchgeführt. Vier Wochen nach der letzten Injektion wird mittels OCT überprüft, ob sich noch Feuchtigkeit in der Netzhautmitte befindet.

Falls ja, muss der Patient weiter in monatlichen Abständen Injektionen bekommen. An Medikamenten kommen unterschiedliche Präparate zum Einsatz, die aber alle dasselbe Ziel verfolgen: dafür zu sorgen, dass neu gebildete, aber minderwertige Blutgefäße wieder verschwinden. Derzeit kommen dabei Avastin (Bevacizumab), Lucentis (Ranibizumab), Eylea (Aflibercept) und Ozurdex (Dexamethason) zum Einsatz.

Zeigen sich hingegen auf der Netzhaut des Auges kleine Gefäßausbuchtungen (Mikro­aneurysmen), Blutungen, perlschnurartige Venen oder Anomalien der kleinen Netzhautgefäße (IRMA), ist eine Laserbehandlung der gesamten Netzhaut (panretinal) nötig. Hierbei werden in mehreren Sitzungen insgesamt ca. 1000 Lasereffekte in die Netzhaut gesetzt. Da das Lasern zu kleinen Netzhautnarben führt und gerade die nicht zentrale Netzhaut für das Sehen in der Nacht verantwortlich ist, werden durch diese Behandlung das Dämmerungs- und Nachtsehen und das Gesichtsfeld eingeschränkt.

Alternativ kann auch in den Fällen von schwerer proliferativer diabetischer Retinopathie (also der Form der Retinopathie, bei der neue, minderwertige Blutgefäße gebildet werden) eine IVOM-Therapie durchgeführt werden. Allerdings muss man als Patient wissen, dass diese Therapie ggf. aus mehr als nur drei Aufsättigungsinjektionen besteht und mit jeder Injektion das Risiko einer Augapfelentzündung besteht. Letztendlich wird sich eine Laserbehandlung aber auch bei diesen Patienten nicht vermeiden lassen.

Neben diesen schweren Veränderungen am Auge, deren Risiko sich durch eine gleichmäßige Stoffwechseleinstellung reduzieren lässt, erkranken Menschen mit Diabetes früher am Grauen Star. Dabei handelt es sich um eine Ein­trübung der Augenlinse. Der Graue Star kann heutzutage problemlos ambulant operiert werden. Bei dieser Operation wird die getrübte Linse durch eine klare Kunststofflinse ausgetauscht.

Ferner kommen bei Menschen mit Diabetes häufiger trockene Augen vor. Ein Fremdkörpergefühl, aber auch ein vermehrtes Tränen als Antwort auf den Reiz sind die Folge. Helfen können hier künstliche Tränen und auch ein Blinzeltraining.

Schwerpunkt „Kleine Blutgefäße schützen“

Autorin:

Dr. Stefanie ­Schmickler
Augenärztin
Augen-Zentrum-Nordwest
Domhof 15, 48683 Ahaus

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (10) Seite 26-29

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