Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert (München) ist Pionier und Wegbereiter der Diabetologie in Deutschland. Am 22. Februar wird er 90 Jahre alt. Anlässlich seines anstehenden runden Geburtstags sprachen mit ihm die Diabetes-Journal-Chefredakteure Günter Nuber und Prof. Thomas Haak.
Diabetes-Journal (DJ): Hellmut, Du bist geübt und berüchtigt für Verkleidungen an Fasching: Welche Rolle des „Butler James“ hättest Du am ehesten übernehmen können in dem Silvester-Klassiker „Der 90. Geburtstag oder Dinner for One“: Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy, Mr. Winterbottom?
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert: Ich hätte die Rolle des Butlers selbst gerne übernommen – weil er höflich, hilfsbereit und gut erzogen ist.
DJ: Ob sehr traurig oder sehr erfreulich: An welche Begegnung mit einem Deiner Diabetes-Patienten erinnerst Du Dich besonders?
Mehnert: Ich erinnere mich an sehr viele – vor allem aber an meinen guten Freund Gert Fröbe: Er war nicht zur Gewichtsabnahme zu bewegen, weil das seinem Rollenverständnis entgegenstand. Faule Ausrede!
DJ: Du sprichst immer wieder von den „Wundern der Insulintherapie“: Welches ist für Dich das größte Insulin-Wunder?
Mehnert: Natürlich die Entdeckung desselben durch Banting und Best 1921 … und dann zweifellos die gentechnische Herstellung des Humaninsulins bzw. der Insulin-Analoga!
Mehnert benannte zuerst das „Wohlstandssyndrom“ (später „Syndrom X“ oder „Metabolisches Syndrom“). Und er war es, der erstmals die extreme Diabeteshäufigkeit bei Tetanus-Erkrankten beschrieb.
Sehr hervorzuheben ist, dass es ihm und seinen Mitstreitern (vor allem Dr. Barbara Hillebrand, †) gelang, die Sterblichkeitsrate der Neugeborenen diabetischer Mütter dramatisch zu senken: „Wir stellten einen Weltrekord auf: 300 Entbindungen ohne diabetesbezogenen Kindsverlust!“
DJ: Vor genau 60 Jahren warst Du Gastarzt bei Elliott P. Joslin, dem ersten Diabetologen der USA, ja der Welt! Die Joslin Clinic in Boston ist nach wie vor die größte Diabetesklinik der Welt. Wie hat der Aufenthalt Dein berufliches Leben beeinflusst?
Mehnert: Der Aufenthalt hat mir sehr viel Gutes gebracht; ich habe viele Freunde gewonnen und gelernt, dass entscheidend bei der Bekämpfung der Folgeschäden die gute Diabeteseinstellung ist – was früher noch umstritten war.
DJ: Du bist vor 90 Jahren in Leipzig geboren: Was genau fällt Dir als erstes zu Leipzig ein – und was liebst Du an den Sachsen?
Mehnert: Wenn ich an Leipzig denke, denke ich an meine geliebte Thomasschule, die ich besuchen durfte; außerdem natürlich an mein humanistisch geprägtes Elternhaus. – An den Sachsen liebe ich vor allem ihren Humor … und ihren Christstollen. Am wenigsten die Sprache.
DJ: Seit 70 Jahren arbeitest und lebst Du im Raum München: Was macht die Stadt für Dich aus – und was ist der besondere Charakterzug der Bayern?
Mehnert: Es gibt zweifellos das goldene Münchner Herz. Das lernte ich schon als Student kennen, als ich Lebensmittelkarten austrug und enorm viel Trinkgelder, Schokolade, Äpfel und anderes geschenkt bekam. Als Arzt begegneten mir die Münchner Patienten zunächst etwas zurückhaltend, hatten aber letztlich doch viel Vertrauen zu mir.
DJ: Du bist bekannt für Fußball-Scharfsinn und für Deinen (für manche übertriebenen) Hang zu einem sehr erfolgreichen deutschen Fußballclub: Welches Traineramt hättest Du lieber ausgeübt – das des Bundestrainers oder das des FC Bayern München?
Mehnert: Zunächst protestiere ich gegen „den übertriebenen Hang“ – denn der ist berechtigt! Ferner wäre für mich zweifellos wichtiger, den FC Bayern zu betreuen … wegen der Bodenständigkeit und der Möglichkeit der Auswahl von Talenten, für die der Verein in hervorragender Weise gesorgt hat.
DJ: Ob Vorträge oder Diabetes-Talk-Runden: die Menschen hören hochinteressiert bis ehrfürchtig zu, wenn Hellmut Mehnert spricht: Was ist Dein Rezept für Erhalt und Fortführung von Lebenskraft, Energie, Intelligenz?
Mehnert: Sicherlich eine einigermaßen vernünftige Ernährung und körperliche Bewegung. Ferner, dass ich natürlich nicht geraucht habe und mäßig Alkohol konsumiere. Wichtig ist die Einbindung in ein glückliches Familienleben, ferner die fortgesetzte geistige Tätigkeit mit 30 bis 40 Vorträgen pro Jahr und 4 feste Kolumnen in medizinischen Fachzeitschriften.
DJ: Welches besondere Erlebnis hattest Du mit Joachim „Blacky“ Fuchsberger (†)?
Mehnert: Wir haben in Berlin mal anlässlich der Verleihung des Thomas-Fuchsberger-Preises bei einem Bierchen zusammengesessen und uns belustigt ausgetauscht darüber, wer welchen Orden verliehen bekommen hat … und wer nicht: Beide hatten wir den Bayrischen Verdienstorden, das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, „München leuchtet“ (ich in Gold, er wohl in Silber). Dann sagte ich: „Aber eines hast Du bestimmt nicht: die Budelmann-Medaille! Blacky daraufhin: ‚Budelwaaaas??‘“ Ich genüßlich: B-U-D-E-L-M-A-N-N!“ Das war ein führender Hamburger Internist. Diese Medaille hatte Blacky natürlich nicht.
DJ: Wie oft wird wohl Dein Vorname falsch geschrieben? Wo kommt das zweite „L“ her?
Mehnert: Ich werde laufend falsch geschrieben. Das zweite L hatten meine Eltern gewollt – weil sie wollten, dass ich hell (auf sächsisch: helle) bin und auch mutig. Letzteres ist bei mir ziemlich schwach ausgeprägt.
DJ: Seit Jahrzehnten bist Du Redaktionsmitglied des Diabetes-Journals: Welche Schlagzeile würdest Du 2018 gerne darin lesen?
Mehnert: „Das künstliche Pankreas: nun für jeden Diabetiker!“ Natürlich wird es diese Schlagzeile so nicht geben können. Aber vielleicht können wir ja berichten über die endgültige Fertigstellung dieses Verfahrens mit der Möglichkeit der Anwendung beim Diabetiker.
DJ: Der 22. Februar 1928, Dein Geburtstag, war ein Aschermittwoch; Du selbst bist aber eher bekannt fürs Närrische, fopptest alljährlich den Krankenhausbetrieb und die gesamte Kollegenschaft: ob Krankenschwestern, Oberärzte, Professoren; darüber gibt es sogar ein Büchlein („Ein Kalif in München – Die Freuden der Verkleidung am Faschingsdienstag“, Kirchheim-Verlag) …
Mehnert: … ja! Die Befürchtung meiner abergläubischen Großmütter, dass mir als am Aschermittwoch Geborener nur Unglück widerfahren würde, hat sich nicht bewahrheitet. – Erfreulicherweise hatte ich das Glück, an Verkleidungen und Theaterstücken viel Freude zu haben. Vor allem bei der berüchtigten Verkleidung am Faschingsdienstag.
das Interview führten Günter Nuber und Prof. Dr. Thomas Haak
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 66 (2) Seite 10-12