In Corona-Zeiten: Familienleben mit Diabetes gestalten

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In Corona-Zeiten: Familienleben mit Diabetes gestalten

Die Corona-Pandemie beeinflusst auch das Familienleben stark, und wenn ein Kind in der Familie Diabetes hat, kommen vielleicht noch weitere Sorgen und Probleme dazu. Wie können Eltern und Kinder damit umgehen?

Seit Mitte März hat sich unser aller Leben grundlegend geändert. Dr. Heike Saßmann hatte dazu spontan einen Beitrag für die Leser des Diabetes-Eltern-Journals geschrieben und auf dem Portal diabetes-online.de zur Verfügung gestellt. Als Wissenschaftlerin und Mutter von vier Kindern, die seit einigen Wochen nicht mehr in die Kita oder die Schule gehen dürfen, kennt sie die Situation vieler Eltern aus erster Hand. Ihre Tipps können helfen, die noch immer ungewohnte Situation etwas gelassener zu erleben.

Corona und der Blutzucker

Auch wenn sich jeder und jede wünscht, endlich aus dem Albtraum „Corona-Pandemie“ zu erwachen und das Leben ohne Einschränkungen wie zuvor genießen zu können, verstehen wir immer mehr, dass dies nicht einfach und schon gar nicht schnell möglich sein wird. Als Erwachsene müssen wir dies unseren Kindern ehrlich sagen, ohne sie durch unsere Sorgen und Ängste übermäßig zu belasten.

Und wir verlieren nicht nur, plötzlich ist wieder mehr Zeit für die Familie, für gemeinsame Spiele und Unternehmungen im direkten Umfeld. Es muss nicht mehr von einer Veranstaltung zum nächsten Termin oder Event gehetzt und für die Betreuung der Kinder gesorgt werden. Corona zwingt zur Entschleunigung – und das kann auch dem Blutzuckerspiegel guttun. Ergänzend zum Beitrag von Frau Dr. Saßmann soll es hier um einige weitere Tipps zum Umgang mit Diabetes in Zeiten der Corona-Pandemie gehen.

Realistische Sorge, aber keine übertriebene Angst

Soweit heute bekannt, zählen Kinder mit Typ-1-Diabetes nicht zu den Risikogruppen für schwere Verläufe einer COVID-19-Erkrankung. Leider werfen einige Kultusministerien alle Diabetestypen und Altersgruppen in einen Topf. Kinder mit Typ-1-Diabetes werden alten Menschen mit Typ-2-Diabetes und vielen weiteren schweren Erkrankungen gleichgesetzt.

Das stimmt nicht mit den aktuellen Erkenntnissen überein. Aus kinderdiabetologischer Sicht (Statement der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie) können Kinder und Jugendliche mit Diabetes daher so wie andere nicht an Diabetes erkrankte Kinder unter den empfohlenen Schutzmaßnahmen die Schule besuchen.

Weitere Informationen

Die erwähnten Beiträge sind erreichbar auf www.diabetes-online.de:

Es ist schon schwierig und ärgerlich, wenn wir Kindern erklären müssen, dass einige Politiker und Schulbehörden Typ-1- und Typ-2-Diabetes immer noch nicht unterscheiden können. Da brauchen wir Erwachsenen und die Kinder ein stabiles Selbstbewusstsein. Ihre kinderdiabetologischen Teams und auch wir halten Sie auf dem Laufenden, damit Sie Ihrem Kind selbstsicher sagen können, dass es wegen des Diabetes kein größeres Risiko gibt.

Wie alle Kinder sollten auch Kinder mit Diabetes Abstand halten, regelmäßig die Hände waschen und einen Mund-Nasenschutz tragen, damit vor allem die älteren Menschen geschützt werden.

Zuhören und ehrlich antworten

Auf jeden Fall sollten Sie Ängste und Sorgen Ihrer Kinder ernst nehmen und gut zuhören. Denn Kinder sind aufmerksam, schnappen einzelne Informationen auf, die sie überfordern, oder sie werden durch dramatische Fernsehberichte aus Kliniken verängstigt. Zeigen Sie Verständnis für die Ängste Ihres Kindes und nehmen Sie dessen Perspektive ein, z. B.: „Ja, das sind sehr kranke Menschen, denen im Krankenhaus geholfen wird. Das sieht ganz schlimm aus, weil man aufpassen muss, dass sich keiner ansteckt.

Die allermeisten dieser Menschen werden aber wieder gesund.“ Abhängig vom Alter und wie ein Kind Zeit oder Tod versteht, sollten Sie auch ehrlich vermitteln, dass es sehr kranke Menschen gibt, die daran sterben. Gute Quellen für kindgerechte Erklärungen sind Wissenssendungen für Kinder (z. B. „Die Sendung mit der Maus“) oder Kindernachrichten.

Die Diabetesbehandlung ist sicher

Als in der ersten Phase der Pandemie plötzlich das „lebenswichtige“ Klopapier gehamstert und damit knapp wurde, haben sich einige Eltern auch Sorgen um die Versorgung mit Insulin und technischen Hilfsmitteln gemacht. Es ist eindrucksvoll zu lesen, wie sich alle Hersteller dieser lebenswichtigen Produkte ihrer Verantwortung bewusst sind und auf die Versorgung zugesichert haben.

Wie schon in der Vergangenheit geht es immer noch darum, verantwortungsvoll mit dem wertvollen Insulin, den Pumpen, Teststreifen und Sensoren umzugehen und nichts zu verschwenden. Das können bereits Kinder im Vorschulalter lernen und verstehen.

Chancen in besonderen Zeiten nutzen

„Home-Schooling“ ist für alle eine Herausforderung, denn nicht immer reicht der Platz in der Wohnung, nicht jedes Familienmitglied hat einen eigenen Rechner/Tablet, und so einfach ist es auch nicht, sich an Konferenzschaltungen zu beteiligen. Und die Mitschüler und Freunde fehlen. Dafür können Kinder mit Diabetes Zuhause vieles über ihr Diabetesmanagement lernen und selbstständiger werden.

Nehmen Sie sich die Zeit, mit Ihrem Kind nach der „Schritt-für Schritt-Methode“ zu lernen, wie die richtige Insulindosis berechnet wird:

Schritt 1: Wie viel möchtest du essen?
Schritt 2: Wie viel Insulin ist dafür um diese Zeit für eine KE notwendig?
Schritt 3: Wie viel Insulin brauchst du für die ganze Mahlzeit?
Schritt 4: Wie hoch ist der Blutzuckerspiegel?
Schritt 5: Ist der Blutzuckerspiegel okay oder soll er gesenkt werden?
Schritt 6: Wie viel Insulin ist nötig, um den Blutzuckerspiegel um diese Zeit auf den Zielwert zu senken (Korrekturinsulin)?
Schritt 7: Wie viel Insulin benötigst du für die Korrektur und das Essen (Mahlzeiteninsulin)?|


von Prof. Dr. Karin Lange
Leiterin Medizinische Psychologie,
Medizinische Hochschule Hannover,
E-Mail: lange.karin@mh-hannover.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2020; 12 (2) Seite 14-15

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