Kohlenhydrate verstehen

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Kohlenhydrate verstehen

Wie ernähren sich Kinder heute?

Daten zum Lebensmittelverzehr aus der EsKiMo-Studie zeigen, dass Kinder und Jugendliche zu wenig Gemüse, Obst, Brot und Kartoffeln essen, dagegen deutlich zu viele fettreiche, tierische Lebensmittel (z. B. Fleisch- und Wurstwaren). Die Eiweißzufuhr liegt weit über der empfohlenen Menge. Auch unerwünschte, stark verarbeitete Lebensmittel, z. B. Fast Food, stehen zu oft auf dem Speiseplan.

Die Zufuhr einfacher Kohlenhydrate aus Lebensmitteln, die den Blutzucker schnell steigen lassen, geht in allen Altersgruppen weit über die Empfehlungen hinaus. Auch Getränke wie Limo, Saft, gesüßte Tees und viele Sorten Wasser mit Geschmack enthalten zu viel Zucker und werden zu oft getrunken. Sie sind besonders bei Jugendlichen beliebt, bei Kindern sind es z. B. "Quetschies".

Wunsch und Wirklichkeit

Was sind die Empfehlungen? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, dass Kohlenhydrate 50–55 % der gesamten Energiemenge ausmachen sollten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft empfiehlt 45–50 %. Beide Fachgesellschaften sind sich einig, dass komplexe Kohlenhydrate, die nicht so schnell ins Blut gelangen, bevorzugt werden sollten. Gerade diese werden jedoch zu wenig gegessen.

Einfache und komplexe Kohlenhydrate

Komplexe Kohlenhydrate zeichnen sich durch eine hohe Nährstoff- und Ballaststoffdichte aus. Sie haben eine längere Verdauungszeit, machen dadurch länger satt und lassen den Blutzucker langsamer steigen. Zu den komplexen Kohlenhydraten zählen u. a. Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Kartoffeln und Hülsenfrüchte.* Diese Lebensmittel sollten fast ausschließlich auf unserem Speiseplan stehen. Durch zusätzliches Gemüse bei jeder Mahlzeit wird diese nährstoffreicher und der Blutzuckeranstieg verlangsamt. Es ist egal, ob das Gemüse roh oder gekocht gegessen wird. Einfache Kohlenhydrate werden besonders für den Geschmack und für küchentechnische Eigenschaften in der Lebensmittelindustrie verwendet.

Richtiger Umgang mit Süßem

Alternativen zum Süßen sind gefragter denn je. Ob Süßstoffe, Zuckeraustauschstoffe oder Honig, für jeden Bedarf gibt es etwas im Supermarkt. Während Süßstoffe den Blutzucker nicht beeinflussen und für Kinder unter 3 Jahren nicht geeignet sind, können Zuckeraustauschstoffe abführend wirken und sollten individuell berücksichtigt werden.* Ein mäßiger Umgang ist die Antwort auf die Frage: Wie süß muss es wirklich sein? Denn wir alle können unseren Süßigkeiten- und Zuckerkonsum reduzieren. Nicht nur zur Freude des Diabetesteams, sondern auch der Zahnärzte und für unsere Gesundheit.

Die Höhe der maximalen Zuckerzufuhr hängt von Alter, Geschlecht und auch davon ab, wie viel man sich bewegt. Als Hinweis bei der täglichen Portionsgröße dient die Handfläche des Kindes/Jugendlichen.* Berücksichtigt werden sollten neben Keksen, Fruchtgummis und Schokolade auch "Quetschies", Fruchtjoghurt, getrocknetes Obst und Marmelade.

Vor- und Nachteile von Low Carb

Wäre somit eine Low-Carb-Ernährung die Lösung? Nicht unbedingt. Bei einer reduzierten Kohlenhydratzufuhr steigt der Proteinanteil der Nahrung übermäßig. Bei übermäßiger Proteinzufuhr kann der Körper Eiweiß zum Aufbau von Glukose (Zucker) nutzen. Dies wird Zuckerneubildung aus kohlenhydratähnlichen Eiweißbausteinen (Gluconeogenese aus glucoplastischen Aminosäuren) genannt. Somit führt eine hohe Proteinzufuhr bei reduzierten Kohlenhydraten zum Blutzuckeranstieg.

Mengen schätzen

Zur Einschätzung der richtigen Menge verwenden wir in der Beratung die sogenannte Ernährungspyramide. Alle Lebensmittelgruppen sind in Bausteine, die Portionen, zerlegt. Die tägliche Portion sollte so groß sein, wie die Handfläche desjenigen, der sie verzehrt. Während man früher zur Abschätzung der notwendigen Insulindosis die KE oder BE (Kohlenhydrat- bzw. Broteinheit) verwendete, ermöglichen die modernen Insulinbolusrechner die direkte Eingabe der Kohlenhydratmenge in Gramm.

Kohlenhydrate begrenzen

Durch die weite Verbreitung von Sensoren zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) werden die Auswirkungen verzehrter Lebensmittel auf den Blutzucker sichtbar. Musste man früher in den Beratungen ausführlich die Theorien des glykämischen Indexes und der glykämischen Last zur Beschreibung des nahrungsbedingten Glukoseanstiegs erläutern, können heute praktisch die CGM-Kurven betrachtet und analysiert werden. Hierdurch wird die Therapie sichtbarer.

Neben der Bewegung hat die Ernährung für den Kurvenverlauf eine große Bedeutung, sowohl bei der richtigen Berechnung der Kohlenhydratmenge als auch bei der Auswahl und Zubereitung. So steigt z. B. die Glukose bei Zubereitung einer Kartoffel zu Kartoffelbrei gegenüber der Pellkartoffel viel schneller an.

Mahlzeitenrhythmus ist wichtig

Es zeigt sich besonders, dass regelmäßige Mahlzeiten und ausgewogene Ernährung Schlüssel zu stabilen Blutzuckerkurven sind. Trotz der immer smarteren Technik können auch die neuesten Insulinpumpen zu große Portionsmengen nicht ausreichend abdecken. Eine Begrenzung der Kohlenhydratmengen ist weiterhin sehr wichtig.* Zudem sollte auf einen ausreichenden Mahlzeitenabstand von mindestens 3 Stunden geachtet werden. Dies wird sowohl zur Entleerung des Magens benötigt als auch, und das gilt für alle Menschen, zur Bildung eines erneuten Hungergefühls.

Fazit

Es ist weiterhin nötig, Kohlenhydrate zu berechnen. Zudem sollten Menge und Qualität berücksichtigt werden. Die verschiedenen Glukosesensoren geben unmittelbar Aufschluss darüber, ob die Mahlzeit beim nächsten Mal optimiert werden sollte.


Kontakt:

Anika Maass
Ernährungsberaterin
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”, Hannover

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